Billiger Bluff der Bürgermeister
Wer die Tagesordnung für die nächste Sitzung des Konstanzer Gemeinderates am 22.9. anschaut, traut seinen Augen nicht: Kein Wort findet sich zum Politik-Gau der letzten Woche, der Rüge des Regierungspräsidenten für die Bürgermeister Frank und Boldt. Und das, obwohl die Stadträte Jürgen Wiedemann (NLK) und Eberhard Roth (CDU) eigens beantragt hatten, das durch die Fehlinformation der Verwaltung gestörte Verhältnis zum Gemeinderat zu diskutieren. Die Trickserei geht munter weiter.
Dieses Mal wird der Paragraf 34 der Gemeindeordnung (GemO) bemüht. Oberbürgermeister Frank, für die Tagesordnung (TO) zuständig, ließ mitteilen, dass der Antrag (nur zwei Unterschriften) aus formalen Gründen des § 34 GemO nicht auf die TO der Gemeinderatssitzung aufgenommen werden könne.
Wer den Paragrafen hingegen aufmerksam liest, stellt fest, dass nichts und niemand den OB hindert, einen solchen Tagesordnungspunkt aus eigener Überzeugung aufzunehmen; der Verweis auf „ein Viertel der Gemeinderäte“ gilt höchstens, wenn der „Verhandlungsgegenstand“ nicht schon vom OB berücksichtigt wurde.
(1) Der Bürgermeister beruft den Gemeinderat schriftlich oder elektronisch mit angemessener Frist ein und teilt rechtzeitig die Verhandlungsgegenstände mit; dabei sind die für die Verhandlung erforderlichen Unterlagen beizufügen, soweit nicht das öffentliche Wohl oder berechtigte Interessen Einzelner entgegenstehen. Der Gemeinderat ist einzuberufen, wenn es die Geschäftslage erfordert; er soll jedoch mindestens einmal im Monat einberufen werden. Der Gemeinderat ist unverzüglich einzuberufen, wenn es ein Viertel der Gemeinderäte unter Angabe des Verhandlungsgegenstands beantragt. Auf Antrag eines Viertels der Gemeinderäte ist ein Verhandlungsgegenstand auf die Tagesordnung spätestens der übernächsten Sitzung des Gemeinderats zu setzen. Die Verhandlungsgegenstände müssen zum Aufgabengebiet des Gemeinderats gehören. Sätze 3 und 4 gelten nicht, wenn der Gemeinderat den gleichen Verhandlungs-gegenstand innerhalb der letzten sechs Monate bereits behandelt hat. Zeit, Ort und Tagesordnung der öffentlichen Sitzungen sind rechtzeitig ortsüblich bekannt zu geben.
Wiedemann und Roth mögen bei ihrem Antrag mit solchen Tricksereien gerechnet haben. Denn ausdrücklich verwiesen sie, rechtzeitig vor der Veröffentlichung der Tagesordnung, darauf, dass es ihnen nicht um eine erneute Diskussion der Kündigung von Prof. Müller-Esch (das sei jetzt Sache des Arbeitsgerichtes), sondern nur um das Verhältnis Verwaltung – Gemeinderat geht. Denn allzu leicht hätte dann ihr Antrag mit dem Hinweis auf den Passus „Sätze 3 und 4 gelten nicht, wenn der Gemeinderat den gleichen Verhandlungsgegenstand innerhalb der letzten sechs Monate bereits behandelt hat“ abgelehnt werden können. Mit einer derart fadenscheinigen Verbarrikadierung hinter dann auch noch fahrlässig interpretierte Bestimmungen aber haben auch sie nicht gerechnet.
Wenn fragwürdige Paragrafen-Fuchserei vor Fairness geht, die Rügen des Regierungspräsidiums in den Wind geschlagen und der Gemeinderat mit seinen Rechten weiterhin missachtet werden, ist es um das Demokratieverständnis der Konstanzer Verwaltung wahrlich schlecht bestellt. Nebenbei: Die nötigen 10 Unterstützer-Unterschriften für einen neuerlichen Antrag zur dann übernächsten Gemeinderatssitzung waren schon wenige Stunden nach der rüden OB-Absage beisammen – die Bürgermeister werden die Schelte nicht verhindern können, ihr billiger Bluff bleibt auf Dauer wirkungslos: Bürgermeister Boldt ist dann von seiner, ach so wichtigen Theater-Reise in den Irak zurück und Oberbürgermeister Frank wird sich schließlich doch den Fragen der wütenden Stadträte stellen müssen.
Autor: hpk
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