Mieterbund attackiert BUND
2600 Mieter aus Konstanz und Umgebung suchten vergangenes Jahr Rat und Hilfe beim Deutschen Mieterbund Bodensee, berichtete der Verbandsvorsitzende, der Konstanzer SPD-Stadtrat Herbert Weber auf der Bezirksmitgliederversammlung, die kürzlich in Konstanz stattfand. Außerdem: Konstanz wird für MieterInnen langsam unbezahlbar. Massive Vorwürfe erhebt Weber auch gegen den BUND.
Die Rechtsberatung des Mieterbunds, so Weber, sei immer öfter gefordert: Mieter wollen ihre Betriebskostenabrechnung überprüfen, weil ihnen die Forderungen zu hoch erscheinen und viele kämen mit Fragen zu einer Mieterhöhung in die Beratungsstelle des Mieterbunds am Zähringerplatz 15 und suchten um Rat und Unterstützung.
Konstanz: Wohnungen nur noch für Reiche?
Konstanz gehöre zu den teuersten Städten Deutschlands, sagte Weber. Mittlerweile sei das Mietniveau höher als in Düsseldorf oder Frankfurt. Die letzte Fortschreibung des Mietspiegels ergab eine Preissteigerung von über neun Prozent innerhalb der letzten beiden Jahre. Dieses hohe Mietniveau und die extreme Wohnungsknappheit vertreibe immer mehr Mieter aus der Stadt, beklagte Weber.
Der Vereinsvorsitzende lobte daher die Pläne der neuen Bundesregierung, die Bemessungsgrundlage für die ortsübliche Vergleichsmiete zu verändern. Künftig sollen Mietspiegel drei statt bisher nur zwei Jahre gelten. Weber bekräftigte die Forderung des Mieterbunds: Alle Mietverhältnisse der letzten zehn Jahre müssen bei der Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete einberechnet werden. Derzeit werden nur die Mieten der letzten vier Jahre berücksichtigt.
Mieter werden vertrieben
Zwei drastische Fälle in der Eisenbahnstraße und der Klingenbergstraße zeigten, wie die sogenannte Modernisierungs-Umlage zur Vertreibung von Mietern missbraucht werde, klagte Weber. So sollten dort die Mieten nach einem aufwändigen und unwirtschaftlichen Umbau von 450 auf 980 oder sogar 1050 Euro steigen. Solche Steigerungen könne niemand bezahlen. Die Folge davon: Fast alle Mieter mussten sich neue Wohnungen suchen. Die Bundesregierung wolle daher den Betrag der Baukosten, um den der Eigentümer die Miete erhöhen darf, begrenzen. So sollen künftig maximal acht Prozent und nicht mehr elf Prozent auf die Jahresmiete aufgeschlagen werden dürfen. Außerdem werde ein Kostendeckel eingeführt.
Oft werden Mietverhältnisse wegen angeblichen Eigenbedarfs gekündigt. Insbesondere Schweizer Eigentümer hätten eigenwillige Begründungen: So sollte ein Konstanzer Mieter ausziehen, weil der Sohn des Eigentümers in Konstanz studieren wolle. Doch der war zum Kündigungszeitpunkt noch mindestens zwei Jahre vom Abitur entfernt, berichtete Weber. Leider hatte der Bundesgerichtshof in mehreren Urteilen die Anforderungen an die Eigenbedarfskündigung deutlich herabgesetzt.
Umweltschützer in der Kritik
„Geld zum Bauen ist überall da“, sagte Weber. Doch der Wohnungsbau in Konstanz werde durch einen Mangel an baureifen Grundstücken ausgebremst. Die Situation verschärfe sich, weil gegen viele Bauanträge Widersprüche eingelegt würden, über die dann das Regierungspräsidium entscheide. Scharf kritisierte Weber in diesem Zusammenhand den Konstanzer Bund für Umwelt und Naturschutz, der überall Stimmung gegen den Wohnungsbau mache.
In Singen stehen viele Wohnungen leer
Von einem weiteren Projekt der Bundesregierung erhofft sich Weber dagegen Impulse: Die geplante Grundsteuer C könne einen Anreiz bieten, baureife Grundstücke nicht zu horten.
Mitglieder kritisierten, dass trotz der Wohnungsnot in einigen Singener Häusern teilweise seit Jahren Wohnungen leer stünden. Dagegen könne die Kommune ebenfalls etwas tun, so der Mieterbund: Der Gemeinderat müsse wie in Konstanz oder Freiburg eine Satzung gegen die Zweckentfremdung von Wohnraum beschließen.
MM/hr
Der Mieterbund ist wichtig und macht sicher eine Gute Arbeit, wenn es um die Rechte von Mietern und das Abdämpfen wuchernder Mieten geht. Die Kritik am BUND wirkt allerdings platt und wenig durchdacht. Es ist die Aufgabe des BUND, sich dafür einzusetzen, dass der Naturschutz bei allen Bauvorhaben berücksichtigt wird und genug Frei- und Gründflächen für Mensch und Natur in der Stadt verbleiben. Wichtiger wäre es, an einem Strang zu ziehen und gemeinsam nach Lösungen zu suchen, welche sozialverträgliche Mieten bei weitgehender Schonung der immer knapper werdenden Naturressourcen ermöglicht. Hochbau statt Einfamilienhaussiedlungen, Umnutzung von ebenerdigen Parkplätzen und Garagenanlagen für den Wohnungsbau, Aufstockungen von Flachdächern, Umzugsanreize für Alleinwohnende in kleinere Wohnungen sind nur einige der möglichen Lösungsansätze. Phantasie und echter Umsetzungswille ist gefragt.
@ Antje Boll
Eine präzise Analyse mit guten Gedanken und Forderungen.
Nicht nur ein verbindliches Grün- und Freiflächenkonzept nebst Baumschutz und -erhaltung, sondern auch Verbindliches wie gebaut wird. Nicht die kleinen Eigentumshütten sinds, die wir brauchen, sondern Wohnraum für Viele und das architektonisch ansprechend, ökologisch verträglich und bezahlbar!
Hier ist die „Stadt“ überhaupt nicht tätig, es gibt offensichtlich wenig Ideen für eine „Stadt der Zukunft“ und auch keinen politischen Willen.
Die Kritik vom Mieterbund und Herrn Weber ist gänzlich unangemessen. Wenn Herr Weber die Mitteilungen des BUND gelesen hätte, so wüsste er, dass der BUND sich dafür einsetzt, dass mehr Zielgruppen orientiert und damit auch weniger gebaut wird. Die Evaluierung des HPW hat eindeutig ergeben, dass der Bau teurer Eigentumswohnungen, so wie er von der Stadt Konstanz propagiert und gefördert wird, nicht den Normalverdiener*innen und Familien zugute kommt. Die versprochenen Sickereffekte blieben aus. Siehe http://www.bund-konstanz.de/themen/stadtentwicklung/stellungnahmen-2018/
Neubau ist nicht Teil der Lösung, sondern Teil des Problems. In innerstädtischen Lagen liegen die Erstellungskosten pro QM Wohnraum inzwischen bei >3000 € (Quelle: Studie der Arbeitsgemeinschaft für zeitgemäßes Bauen e.V., 2016). Wenn dann noch Gewinnmargen und Nebenkosten hinzukommen, sind wir bei Preisen von jenseits der 5000 € pro QM im Verkauf. Dies zieht selbst bei einer Minimalrendite Mietpreise von über 12,5 € nach sich. Dies ist das reale Preisniveau, auf das sich Konstanz durch den Neubau zubewegt. Neubau durch private Investoren fördert also eher die Mietpreissteigerungen, als dass es sie dämpft. Mietpreisbindungen von 10 Jahren sind viel zu kurz, um einen durchschlagenden Effekt auf den Mietspiegel zu haben. Was Konstanz benötigt sind bezahlbare, dauerhaft zur Verfügung stehende Mietwohnungen.
Eine genaue Analyse der Zahlen aus der Empirica Studie finden Sie hier: http://www.bund-konstanz.de/themen/stadtentwicklung/stellungnahmen-2017/fortschreibung-handlungsprogramm-wohnen/
Die Lösung liegt daher im städtischen Wohnungsbau durch Genossenschaften, Baugruppen und die WOBAK. Letzere sollte besser durch die Stadt Konstanz unterstützt und gefördert werden. Außerdem muss die Frage gestellt werden, ob Konstanz dauerhaft den Zuzug aus dem ganzen Bundesgebiet befriedigen muss oder ob die Stadt vielmehr ihrer Fürsorgepflicht für städtische Mitarbeiter*innen und Normalverdiener*innen nachkommen sollte.
Forderungen des BUND bereits seit 2014:
Die Erstellung einer Wohnbedarfsanalyse ausschließlich für die Zielgruppen, d.h. die Ermittlung des notwendigen Ausbaukorridors und nicht des maximalen Ausbaukorridors, wie es in den bisherigen Studien der Fall war.
Damit verbunden fordern wir ein ausschließlich an Zielgruppen orientiertes Bauen. Hierfür ist eine stärkere Beteiligung der Wobak und von Genossenschaften sowie Baugruppen aus Konstanzer Familien notwendig.
Bei neuen Bauvorhaben sollte die Innenentwicklung stets der Außenentwicklung vorgezogen werden, um nicht noch mehr wertvolle umliegende Grüngürtel zu beeinträchtigen.
Das Klimakonzept der Stadt muss dringend beachtet werden, um wichtige Freiluftschneisen zu erhalten.
Um Konstanz als lebenswerte Stadt zu erhalten und dem exzessiven Flächen- und Naturverbrauch entgegen zu wirken, fordert der BUND außerdem die Entwicklung eines verbindlichen Grün-und Freiflächenkonzepts und eines Konzeptes zur Förderung der biologischen Vielfalt.