Museumsdirektor ist professioneller Erbschleicher

Dass die Kunst nach Geld geht, ist eine alte Weisheit. Aber nicht nur die Künstler, sondern auch die Museen strecken sich nach der Decke, und Museumsdirektor Tobias Engelsing vertraute gestern dem Kulturausschuss an, wie kreativ er bei der Drittmittelwerbung vorgeht. Der Ausschuss beriet auch das Vorgehen für die Nix-Nachfolge und andere Zukunftsfragen des Theaters. Außerdem nahm er Berichte unter anderem der Philharmonie und der Stadtbücherei entgegen.

Im Kulturausschuss gab es dieses Mal geballte Informationen aus den großen Kulturinstitutionen der Stadt. So stellte Bürgermeister Andreas Osner erste Überlegungen vor, die Musikschule mit der Südwestdeutschen Philharmonie zu verschmelzen. Gelegenheit dafür gebe der wohlverdiente Ruhestand des Leiters der Musikschule Michael Schwering.

Musikschule Teil der Philharmonie?

Das hieße, dass sich der Verein, der derzeit Träger der Musikschule ist, auflöst, und die Musikschule organisatorisch mit dem Orchester zu einem einzigen städtischen Eigenbetrieb zusammengefasst wird. Die Musikschule behielte zwar eine eigene pädagogische Leitung, diese wäre dann aber dem Orchesterintendanten und nicht mehr direkt dem Bürgermeister unterstellt. Sie würde immerhin als eigene Kostenstelle in der Orchesterbuchhaltung weiterleben.

Osner bestritt, dass es dabei um Einsparungen gehe. Vielmehr werde die demokratische Kontrolle des Gemeinderates gestärkt, wenn die Musikschule sich vom Verein in einen städtischen Eigenbetrieb verwandele. Außerdem sei man ohnehin dabei, dort angestellte Honorarkräfte nach und nach in Festanstellungen nach dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst zu übernehmen, um ihnen mehr soziale Sicherheit zu bieten und einen festen Lehrkörper zu etablieren.

Der Kulturausschuss ermunterte die an der Planung Beteiligten, die Angelegenheit weiterzuverfolgen und zu konkretisieren. Neben Osner sind dies der scheidende Orchesterintendant Beat Fehlmann, Thomas Traber vom Personal- und Organisationsamt sowie Heinrich Korthöber vom Landesverband der Musikschulen Baden-Württembergs e.V. Man wird sehen, was dabei herauskommt, die eigentlichen Ziele der Verschmelzung blieben gestern unklar.

Kein Headhunter

Für die Nachfolge von Christoph Nix, dessen Tätigkeit in Konstanz in zwei Jahren enden wird, hatte die Verwaltung zwei Modelle vorgeschlagen. Variante 1 sah die klassische städtische Ausschreibung und anschließende Sichtung der Bewerber durch die städtischen Behörden und Gremien vor. Variante 2 hingegen wollte einen externen Headhunter mit der Suche nach geeigneten Nachfolgekandidaten beauftragen.

Für die Liberalen schloss sich Michael Fendrich (FDP) der Forderung von Andreas Osner nach einem Headhunter an, weil der Qualität statt Quantität bringe und man in der Vergangenheit schon gute Erfahrungen damit gemacht habe (Zwischenruf von der anderen Seite: „Ja, beim Bodneseeforum!“).

Ihm widersprach neben Grünen, SPD und Anselm Venedey (FWK) auch Holger Reile (LLK), die allesamt eine klassische Ausschreibung für ein bewährtes Mittel halten. Reile kritisierte zudem, dass im Gemeinderat ständig von einem guten Mann als Nachfolger die Rede sei, von ihm aus dürfe es sehr gern auch eine Frau sein. Außerdem geißelte er es als undemokratisch, dass selbst der weitere Terminplan nichtöffentlich sei. Am Ende stimmte der Ausschuss mit 10:5 bei drei Enthaltungen gegen den Headhunter.

Atlantis schwimmt

Im Vorfeld hatte es einiges Geraune und Gemurre über das geplante Theaterprojekt „Atlantis“ gegeben. Roland Wallisch (FGL) beklagte, dass Theaterintendant Christoph Nix die Öffentlichkeit und die politischen Gremien bisher über dieses Vorhaben nicht ausreichend informiert habe, so dass es bisher nur Gerüchte gegeben habe – bis hin zur Meldung in seemoz, der Gemeinderat wolle Nix nicht hören, was einfach falsch sei. Wolfgang Müller-Fehrenbach (CDU) bemängelte, dass man ja noch gar nicht wisse, was dort gespielt werden solle. Außerdem gehe das Gerücht von 700 000 € Kosten.

Daniel Morgenroth erklärte für das Stadttheater, dass es sich um Pläne für ein Theaterschiff unter dem Motto „Eine Utopie schaffen – Zum Träumen verleiten – Die Zukunft erforschen“ handelt. Das Titanicle soll im Frühjahr 2020 für ein paar Wochen auf dem See umherschippern und alle drei Anrainerstaaten besuchen. Es soll komplett aus Eigenmitteln des Theaters sowie Geldern von Sponsoren und Partnern wie dem Bodenseefestival finanziert werden und werde etwa 300 000 € kosten. In der Tat sei jetzt, zwei Jahre vor dem Event, naturgemäß noch offen, was genau dort aufgeführt werden soll.

Die Museen im Aufbruch

In dieser Sitzung, die sich zog und zog und zog, fasste sich Museumschef Tobias Engelsing erfreulich kurz. Er präsentierte eine sehr positive Bilanz seiner ersten zehn Jahre an der Museumsspitze. Die Museen seien „publikumsgängiger“ geworden, und es habe sich auch einiges bei der baulichen Ausstattung getan. Er erinnerte unter anderem an modernere Museumstechnik und das geplante neue Depot sowie die gestiegenen Besucherzahlen.

Allerdings wünscht er sich neue Flächen für Ausstellungen, wenn er auch realistisch davon ausgeht, dass an die benötigten 2×400 Quadratmeter zusätzlicher Ausstellungsfläche in der Innenstadt in absehbarer Zeit ebenso wenig zu denken ist wie an eine bessere Personalausstattung. Holger Reile schlug vor, nach der absehbaren Pleite des Sealife in den nächsten Jahren einfach dessen Räumlichkeiten zum Museum umzubauen.

Hinsichtlich der Finanzen beklagte Engelsing die extreme Knauserigkeit der deutschen Finanzinstitute, während die schweizerischen Banken auch bei kritischen Ausstellungsthemen ganz selbstverständlich Geld herausrückten, und selbst rechte SVP-Politiker bei einer Flasche Wein … „1499 ist nicht vergessen, wir holen uns den Thurgau zurück!“, versprach Engelsing unter dem patriotischen Jubel der Konstanzer Gemeinderätinnen und -räte. Aber auch die Einheimischen sollen dran glauben: Engelsing lobte zwar Testamente zugunsten des Museums, aber Geld allein genüge ihm gerade in den Zeiten niedriger Zinsen nicht, er wolle mehr. Als, wie er sich selbst nannte, „professioneller Erbschleicher“ will er mit seinem Charme ältere Leute in Zukunft bezirzen, dem Museum auch Immobilien zu vermachen, dann könne es von den regelmäßigen Mieteinnahmen profitieren.

Letztlich, so Engelsing, seien Museen, die in vielen anderen Städten besser mit Neubauten versorgt seien als in Konstanz, wichtig für die überregionale Wahrnehmung einer Stadt und damit für deren langfristiges Marketing. Wichtiger jedenfalls als irgendein überflüssiges Unternehmerfrühstück.

Von den Klassikern lernen

Clemens Brentano schrieb einst über Kleist: „Was Kleist besonders kurios macht, ist sein Rezept zum Dialog. Er denkt sich die Personen halb taub und dämlich, und so kömmt dann durch Fragen und Repetieren [=Wiederholen] der Dialog heraus.“

Wolfgang Müller-Fehrenbach (CDU) kennt als Deutschlehrer natürlich seinen Brentano. Er wandelt die Kleistsche Technik ein wenig ab und hat daraus ein Rezept für den Monolog entwickelt. Er denkt sich die anderen Personen im Raum einfach als blind und dämlich. Als so blind, dass sie die Sitzungsvorlage selbst nicht lesen können, weshalb er ihnen die wichtigsten Punkte nochmals vorträgt. Und als zu dämlich, um seine Worte auf Anhieb zu verstehen, weshalb er das alles mehrfach wiederholt.

Seine RatskollegInnen verdrehen immer wieder völlig entnervt die Augen, wenn er zu sprechen anhebt. Ein verzweifelter Gemeinderat flüsterte gar in Richtung Pressebank: „Der hat zu allem was zu sagen, selbst wenn in Kalifornien eine Termite aus ihrem Loch kriecht.“ Das ist natürlich in dieser Einseitigkeit falsch! Auch die Termite, die ihr Loch nicht verlässt, wäre diesem passionierten Schulmeister allemal eine lange, nervenzehrende Rede wert.

O. Pugliese