Die Heuschrecken und Mehlwürmer essen sollen

Die gestrige Sitzung des Gemeinderates verlief unspektakulär. Wieder erzürnte das Büdingen-Luxushotel „Rebalance“ das gemeine Volk, während der schweizerische Hotel-Investor bei seiner Präsentation schöne Bilder aus einer Welt, in der immer gutes Wetter herrscht, an die Wand projizieren durfte. Er setzt auf Ermessensspielräume beim Bauvolumen, das weit über den Bebauungsplan hinausgehen soll, und dürfte damit beim OB offene Türen einrennen. Außerdem gibt es einen neuen Baum in der Stadt.

Nach einer öffentlichen Präsentation und dem Besuch im Gestaltungsbeirat war der Gemeinderat für den schweizerischen Hotelier und Investor Hans Jürg Buff nun die dritte Station seines Schaulaufens vor den KonstanzerInnen. Er präsentierte sein Luxushotel unter dem neuen Namen „Rebalance“, das den Kunden einen „echten gesundheitlichen Mehrwert“ bringen soll, nicht ungeschickt als Fortführung der großen Hoteltradition der Belle Époque am selben Platz. Immerhin war er so geschmackvoll, kein „Haus für alle Konstanzer“ zu versprechen.

Nach seinen Angaben – und den vertrauten Bildern aus dem computergenerierten Architektenland eines ewigen Lebens ohne Krankheit und voll immergrüner Laubbäume – handelt es sich um ein teils begrüntes Haus aus hochwertigen Materialien und mit einem Flachdach ohne jegliche Aufbauten. Mit 20 Metern Höhe soll es deutlich unter der Baumgipfelhöhe von 30 Metern bleiben und dank einer Baumwand von der Uferpromenade aus so wenig zu sehen sein wie das Kinn des Propheten unter dessen Bart.

Keine Satire – bitte

Scherz beiseite, denn vermutlich werden im „Rebalance“ auch zahlungskräftige Gäste aus dem Nahen Osten erwartet, die seemoz mit etwas Religionsgespött gleich dutzendweise verschrecken könnte. Nachdem wir laut dem grollenden OB ja letzten Sommer schon mit einem einzigen satirischen Text das Bofo ruiniert haben, dürfte uns dies mit dem „Rebalance“ nicht ein zweites Mal gelingen. Schade eigentlich, denn der Hotelname allein wäre schon ein Verhinderungsgrund, hört er sich doch verdammt nach einem Markennamen für synthetische Kauknochen für depressive Schoßhündchen an.

Worüber sprachen wir gerade?

Ach ja, Schluss mit dem Gespött: Die 100 Gästezimmer sollen etwa 100 Quadratmeter groß werden, pro Zimmer versteht sich, man ist ja nicht in einer Flüchtlingsunterkunft. Sie dürften erfahrungsgemäß insgesamt circa 130 Gäste beherbergen, deren durchschnittliche Verweildauer statt der sonst üblichen 1,4 Tage deren 11 betragen wird, bei einer Wiederbucherquote von 65 Prozent. Das soll durch das Konzept des „besten Gesundheitshotels Europas“ erreicht werden. „Wenn der Mensch das, was er isst, nicht richtig verdaut, wird er zu einer Sumpfpflanze, die versäuert wie das Gras auf einer sumpfigen Wiese“, lehrt F.X. Mayr, dessen Lehren man konsequent folgen will. Außerdem gibt es Anti-Aging, Empowering, gutes Öl am Essen und null Zucker. Nix richtig Süßes außer bestenfalls ein paar attraktive Kurschatten für großzügige ältere Herren also?

Den Einwurf des Linken Holger Reile, dort würden doch nur Millionäre die Champagnerkorken knallen lassen, wies Buff zurecht als verleumderische Unterstellung zurück: Neben Zucker sei natürlich auch Alkohol verboten, und das gelte auch für das geplante öffentlich zugängliche Café. Und für Schampus sowieso.

Also, liebe KonstanzerInnen: Als NormalverdienerInnen kriegt Ihr dort nicht nur kein Zimmer, sondern obendrein auch nichts Anständiges zu trinken. Die Reichen entsäuert das wohl, andere Menschen könnte das eher sauer machen. Dafür erhält eine eigene Stiftung 10 Prozent des Hotel-Gewinns, auf dass sie Ernährungsberatung an Kindergärten und Schulen betreiben möge. Ihr sollt also viel Wasser trinken, auf dass den Kinderlein „kein Wein“ gepredigt werde.

Streitpunkt Masse

Außerdem sollen 120 Mitarbeiter für das Wohl der Gäste sorgen. Deshalb soll ein wenig angebaut werden, um Personalwohnungen zu schaffen. Buff hat inzwischen nämlich den Tipp bekommen, dass in Konstanz Personal nur schwer zu finden sei, weil das sich hier mit den von der Hotellerie bezahlten Löhnen keine Wohnung leisten könne.

Laut Bebauungsplan sind 53 000 Kubikmeter Baumasse zulässig. Nachdem Hans Jürg Buff in einem ersten Antrag über 70 000 Kubikmeter hinklotzen wollte, lässt er sich jetzt – er ist Freund des Dialoges mit der Bürgerschaft – auch auf schlappe 63 000 Kubikmeter ein, also immer noch 10 000 über Bebauungsplan, aber für ihn natürlich 10 000 unter Profitplan. Dafür soll es halt ein paar Personalzimmer weniger geben, es darf also gern zu Lasten der Beschäftigten gehen. Buff lud alle, die von ihm verlangen, seinen Tempel auf die vom Bebauungsplan vorgesehenen 53 000 Kubikmeter zu reduzieren, ein, sich als Mitinvestoren zu betätigen und ihr Geld gemeinsam mit ihm zu verlieren.

Alles rechtens

Selbst Heinrich Fuchs (CDU) nannte dieses Hotel ein „Bauwerk, das kein Mensch in Konstanz haben will“ und warnte davor, mit einer Ausnahmeregelung einen Präzedenzfall zu schaffen, andererseits stießen die Personalzimmer bei ihm auf Sympathie. Damit traf er den allgemeinen Ton: Eine Bebauung des Areals ist aufgrund jahrzehntealter Entscheidungen des Gemeinderats nicht zu verhindern, es geht nur noch ums Wie, nicht ums Ob. Buff kann dort auf jeden Fall ein Hotel bauen, sagt die Verwaltung, und dass es hätte schlimmer kommen können, Billigbau, Betonklotz etc. betonten viele Gemeinderätinnen und -räte.

Die Verwaltung ebnet den Weg

Die Überschreitung der im Bebauungsplan vorgesehenen Baumasse stellt letztlich für eine investorenfreundliche Verwaltung kein Problem dar, wie der dem Projekt durchaus gewogene Oberbürgermeister Uli Burchardt antönen ließ. Er fragte Andreas Napel, den Leiter des Baurechts- und Denkmalamtes, wie viele Baugenehmigungen seine Behörde jedes Jahr rausschicke. Etwa 500, antwortete der nach einigem Nachdenken. Und wie viele denn Befreiungen von Festlegungen des Bebauungsplans, Sonderregelungen nach dem Ermessen der Verwaltung und so fort enthielten? Mehr als die Hälfte, antwortete Napel.

Will heißen: Abweichungen von den Plänen sind gang und gäbe, da wird man einen derart hochmögenden Investor doch nicht wegen 10 000 Kubikmetern zusätzlichen Bauvolumens vergrätzen, nur weil’s den Nachbarn zu klotzig wird. Die Verwaltung will nach Recht und Gesetz entscheiden und ihre Ermessensspielräume nutzen, und für wen die genutzt werden sollen, ist spätestens seit gestern klar. In einem Punkt allerdings hat Oberbürgermeister Uli Burchardt recht: Die Entscheidung muss gerichtsfest sein, denn die erzürnten Anwohner werden sicher weder Kosten noch Mühen scheuen, das Hotel „Rebalance“ rechtlich überprüfen zu lassen. Recht hat der OB auch damit, dass die grundlegenden Entscheidungen des Gemeinderates bereits vor Jahrzehnten gefallen sind – und Büdingen der Spekulation ausgeliefert haben, ohne dass es später, als es noch Zeit war, starke Initiativen zum Rückkauf von Büdingen gegeben habe. Recht hat aber auch die Linke, die fordert, die Stadt solle Grundstücke nicht mehr verkaufen, sondern grundsätzlich in Erbpacht vergeben.

Heuschrecken und Mehlwürmer

Das Wort des Tages aber gelang der Bürgerin Barbara Koutny in der Bürgerfragestunde: Sie nannte das geplante Hotel eine „babylonische Gigantomanie, rücksichtslos jenen gegenüber, die in Zukunft Heuschrecken und Mehlwürmer essen sollen“. (Zwischenruf, vermutlich von Till Seiler, „aber ohne Zucker!“).

Ein neuer Baum im Rathaushof

Während in Büdingen Bäume fallen werden, steht im Hof des Rathauses seit gestern, noch durch ein Schutzgitter von seinen streichelwütigen Fans getrennt, ein neuer Baum. Dieser mehrstämmige „Schnurbaum ersetzt den bisherigen Zierapfelbaum, den eine Pilzkrankheit befallen hatte und der deshalb nach 35 Jahren gefällt werden musste,“ teilt die Stadt mit. Unter der Hand verlautete übrigens, man habe diesen neuen Baum nur gepflanzt, damit auch künftige Baubürgermeister etwas zu fällen hätten.

O. Pugliese (Foto: Stadt Konstanz)