Zeppelin Museum: Kunstschätze auf dem Prüfstand
Ist das Raubkunst? Seit Verabschiedung der „Washingtoner Erklärung“ vor genau 20 Jahren stellen sich Museen diese brisante Frage mit Blick auf ihre Sammlungen. Oft tauchen sie dabei zum ersten Mal tiefer in die eigene Geschichte ein. Durch den Fund von Spitzenwerken der klassischen Moderne bei Cornelius Gurlitt im Jahr 2013, aber auch ganz aktuelle Debatten wie die zur Herkunft der ethnologischen Exponate im künftigen Berliner Humboldt-Forum, erhält das Thema unentwegt neuen Zündstoff. Ab 4. Mai auch im Friedrichshafener Zeppelin Museum.
Jedes Kunstwerk, jedes Objekt hat ein Schicksal, das geklärt werden muss – schon lange ist die Provenienzforschung deshalb aus dem musealen Hinterstübchen getreten und zu einer gesellschaftlichen Debatte um moralische Verpflichtung und Verantwortung geworden.
Für das Zeppelin Museum Grund genug, sich ebenfalls kritisch mit der Vergangenheit seiner Kunstsammlung auseinanderzusetzen. Mit der Sonderausstellung ab Mai werden die Ergebnisse aus fast zwei Jahren akribischer, und großzügig vom Deutschen Zentrum Kulturgutverluste in Magdeburg geförderten Forschungsarbeit präsentiert – ein Anfang, auf den in Zukunft aufgebaut werden muss.
Eine trügerische Idylle
Denn die vermeintliche Idylle rund um die Neugründung des Museums in Friedrichshafen nach 1945 war trügerisch: Nach einem Totalverlust während des Zweiten Weltkrieges erwarb man in einer euphorischen Aufbruchstimmung und innerhalb weniger Jahre weit über 100 Kunstwerke aus dem deutschen, schweizerischen und österreichischen Kunsthandel. In einer Zeit also, in der noch unzählige Stücke aus ehemaligem jüdischen Besitz auf dem Kunstmarkt zirkulierten, durch Raub, Verschleppung oder als zurückgelassenes Fluchtgut keinem Eigentümer zugeordnet wurden und in privaten, aber auch öffentlichen Sammlungen landeten.
Ohne eine kritische Hinterfragung ihrer Herkunft wurde die neue Sammlung mit der Wiedereröffnung des Zeppelin Museums im Jahr 1957 als glänzender Neuanfang gefeiert und seitdem kontinuierlich um Werke aus der Gotik bis in das 19. Jahrhundert und Hochkaräter der Klassischen Moderne erweitert.
Der lange Schatten des NS-Regimes
Als eine der ersten behandelt die kommende Ausstellung in Friedrichshafen damit die immense Wichtigkeit der Provenienzforschung nach 1945, will Besonderheiten, Herausforderungen und Probleme diskutieren. Anhand ausgewählter Objektgeschichten und entlang der Etappen des Sammlungsaufbaus werden die Aus- und Verlagerungen von Kunstwerken um 1945, die Strukturen des wiederaufblühenden Kunstmarktes und wichtige Kunsthändler in den Blick genommen – vor allem solche, die sich nach einer Karriere unter den Nationalsozialisten in der Urlaubsidylle des Bodensees still und leise wieder als anerkannte Kunstexperten etablierten.
Den langen Schatten des NS-Regimes illustrieren darüber hinaus solche Beispiele, die vor 1945 entweder als „entartet“ diffamiert wurden oder als Teil der ,Sammlung‘ Hermann Göring identifiziert werden konnten. Besondere Aufmerksamkeit gilt jedoch einzelnen Sammlerpersönlichkeiten und damit Menschen, deren Biographien von den historischen Zäsuren des 20. Jahrhunderts geprägt waren und untrennbar mit den Kunstwerken verbunden sind.
Eine Begleitpublikation und Tagung zur Ausstellung ist in Vorbereitung. Die Ausstellung wird am 4. Mai eröffnet und läuft bis zum 3. Februar 2019.
MM (Foto: Zeppelin Museum)