Wie Kritiker zu Antisemiten gemacht werden
16 Tote und hunderte Verletzte an nur einem Tag: Am Grenzzaun zwischen Gaza und Israel eskaliert im April 2018 einmal mehr die Gewalt. Und das in dem Jahr, in dem Israel seine Staatsgründung vor 70 Jahren feiert, und sich zum hundersten Mal die „Balfour-Deklaration“ jährt, die das Grundübel für den Nahost-Konflikt schuf. Das neueste Buch von Rolf Verleger könnte aktueller nicht sein.
Bei „Hundert Jahre Heimatland?“ verstört zunächst das Fragezeichen. Ist denn Israel nicht das lang ersehnte Heimatland des geschundenen jüdischen Volkes? Der Untertitel „Judentum und Israel zwischen Nächstenliebe und Nationalismus“ lässt ahnen, worauf Rolf Verleger mit seiner Streitschrift abzielt: War nicht von allem Anfang an klar, dass das „Heimatland“ nur durch Vertreibung und Enteignung der arabischen Bevölkerung zu erreichen war? War nicht in der Staatsgründung der dauerhafte Krieg schon angelegt?
Angst vor „Überfremdung“
Da kommt die hundert Jahre alte „Balfour-Deklaration“ ins Spiel. 1917, so der Autor, herrschte in Großbritannien große Furcht vor einer „Überfremdung“ durch hunderttausende jüdische Flüchtlinge, die aus dem zusammen gebrochenen Zarenreich nach England strömten – wie könnten diese Flüchtlingsströme umgeleitet werden, weg von Europa?
Antisemitismus wie Imperialismus bündelte der britische Außenminister Lord Balfour vor 100 Jahren in einem Brief an den jüdischen Bankier Lord Rothschild. Die Regierung Seiner Majestät betrachte die „Einrichtung eines nationalen Heims in Palästina für das jüdische Volk mit Wohlwollen“. Antisemitismus, weil schon seit Beginn des Jahrhunderts in England die von Balfour unterstützte Losung galt:„England for the English“.
Imperialismus, weil sich Großbritannien bereits 1882 in Ägypten festgesetzt und nebenbei die Aktienmehrheit am Suezkanal erworben hatte, weil die arabischen Emirate von Kuwait bis Oman unter britischer Kontrolle waren und dieser koloniale Besitz durch einen weiteren Posten in Palästina gesichert werden sollte – vor allem, um den Zugang zum indischen Kolonialreich zu sichern. Außerdem hatten England und Frankreich schon im Jahr zuvor in einem Geheimabkommen nach der absehbaren Niederlage des Osmanischen Reiches dessen territoriales Erbe unter sich aufgeteilt. In diesen neuen Grenzen war Palästina der Landstrich, in dem England die aus dem Zarenreich zugewanderten Juden unterbringen wollte.
Koloniale Erbsünde
Diese koloniale Erbsünde wirkt bis heute nach, so Verleger. Nicht nur in Palästina selbst, sondern auch in Europa und den USA, wo sich militante Zionisten und friedensbewegte Juden über die aktuelle Politik und die Zukunft Israels streiten, in Deutschland, wo eben jene Friedensbewegten als Antisemiten beschimpft werden. Dazu Verleger in seinem Vorwort: „Die von der national-religiösen Ideologie Verblendeten werden dieses Buch „antisemitisch“ nennen, hoffentlich! Wenn nicht, wird es mir nicht gut gelungen sein. Getroffen fühlen sollen sich diejenigen – Juden wie Nichtjuden – , die in Wort und Tat dagegen verstoßen, dass alle Menschen gleich erschaffen sind und dass alle Menschen unveräußerliche Rechte haben.“
Dieses Buch – selten habe ich ein lehrreicheres gelesen – ist eine Abrechnung mit feigen Politikern hierzulande und in den USA, die den jeweiligen Regierungen in Jerusalem nach dem Munde reden und vor den Menschenrechtsverletzungen in Palästina die Augen verschließen. Aber auch mit Funktionären und „Berufsjuden“, die jeden Kritiker der israelischen Besatzungs- und Siedlungspolitik als Abweichler und Antisemiten beschimpfen.
Eine vorurteilsfreie Auseinandersetzung mit „Hundert Jahre Heimatland?“ des „kritischen Juden vom Dienst“ (so die Jüdische Allgemeine über Rolf Verleger) könnte helfen, solche Gräben zuzuschütten. Wenn, ja wenn beide Seiten ihre Scheuklappen zur Seite legten und auf Denkverbote zukünftig verzichteten.
hpk (Fotos: Westend Verlag)
Rolf Verleger: Hundert Jahre Heimatland? Judentum und Israel zwischen Nächstenliebe und Nationalismus“. Westend Verlag 2017, 256 Seiten. 22 Euro.
Was für eine nette Diskussion mit so vielen wichtigen Eingebungen zum Buch von Rolf Verleger. Der wird sich bedanken, wenn’s denn dem Verkauf hilft! Besser jedoch ist effektives, solidarisches Handeln, wie der Stadtrat – nicht von Konstanz – sondern von Dublin zeigt:
https://www.dublinlive.ie/news/dublin-news/dublin-city-council-israel-palestine-14512142
Lieber Herr Biniossek,
seit mehreren Tagen verfolge ich diese Debatte und kann mir angesichts Ihres Diskussionsverhaltens einen eigenen Beitrag nicht mehr verkneifen. Nicht nur habe ich von Ihrer Seite keinen einzigen inhaltlich relevanten Beitrag gelesen, sondern ich nahm lediglich persönliche Attacken und Ihre Verteidigung Rolf Verleger wahr. Mit Ihren unverschämten Anfeindungen vor allem Herrn Stodollick gegenüber diskreditieren Sie nicht ihn und seine wissenschaftliche Redlichkeit sondern lediglich sich selbst.
Davon abgesehen stellen Sie damit unter Beweis, dass eine Debatte über die Problematik der unkritischen Benutzung von Textzitaten wie „Berufsjuden“ in linken Publikationen, die Repräsentation von „Israelkritikern“ durch den seemoz oder unkommentierte Verweise auf Nachdenkseiten, KenFM etc mit Menschen wie Ihnen nicht möglich ist. Hätten Sie den ernsthaften Versuch unternommen etwas zu dieser Debatte beizutragen, wäre Ihnen vielleicht auch aufgefallen, dass das Hauptziel von Herrn Stodollick zunächst nicht Rolf Verleger sondern der obige Artikel und der allgemeine Umgang des seemoz mit „Israelkritikern“ war.
Dabei handelt es sich im Übrigen um eine Problemlage, mit der es sich eher zu befassen lohnt als mit dem persönlichen und wissenschaftlichen Hintergrund einzelner Diskussionsbeteiligter. Dass ich mich an dieser Stelle ebenfalls nicht inhaltlich oder konstruktiv beteiligt habe, ist allerdings ebenfalls bewusst. Da ich die hier geführte Debatte aber in dieser Form weder für zielführend noch für dem Thema angemessen halte, wird es (hoffentlich) bei diesem Beitrag bleiben.
Da ich Ihnen den Spaß an der Recherche für zukünftige Ad-Hominem-Argumente nicht nehmen will, verzichte ich auf eine Auflistung meiner Qualifikationen, Abschlüsse, Publikationen etc.
Liebe Grüße und viel Spaß beim Googeln
Hanna Nüllen, Jungspund
Lieber Genosse Simon Pschorr,
da haben wir es doch.
Herr Stodollik gibt zu, das Interview mit Prof. Rolf Verleger bei KenFM nicht angeschaut zu haben – er will sich auch keine Mühe machen, es zu tun.
Ich wette, er hat das Buch von Rolf auch nicht gelesen, verurteilt es aber umso heftiger.
Offensichtlich ist er auch noch stolz darauf, den juristischen Grundsatz des „in dubio pro reo“ abzuweisen und es damit nicht nötig zu haben, Belege und Beweise für seine hahnebüchenden Unterstellungen liefern zu müssen.
Arbeitet so die gegenwärtige Nachwuchskraft an der Uni Konstanz ?
Hoffentlich ist er die Ausnahme.
Wir waren einmal stolz Anfang der 70er-Jahre an einer Reformuni mit Eliteanspruch zu studieren und haben uns nächtelang nicht nur mit dem Lehrstoff, sondern auch darüberhinaus mit den Klassikern in Philosophie und Ökonomie beschäftigt.
Rolf war einer davon.
Und jetzt kommt so -ich wiederhole mich- ein „Jungspund“ daher, der auf seine Ignoranz auch noch stolz ist anstatt sich dafür zu schämen.
Meinetwegen.
Vergessen wir ihn.
Roland Biniossek
Sehr geehrter Herr Pschorr. Wie Recht Sie doch haben! Pardon wenn ich mich damit hier wie andere Diskutanten vor mir oute, kürzlich habe ich in einem der hier diskreditierten Portale einen interessanten Kommentar zur Casa Dehm angehört. Fazit des Beitrags war, dass die Linke in Deutschland sich zunehmend gegenseitig selbst zerfleischt. Angesichts der zahlreichen Kommentare weiß ich gar nicht welche Publizisten und Wissenschaftler man hier noch zitieren darf ohne diskreditiert zu werden. Mausfeld, Ganser, Chomsky, sind wahrscheinlich in der Wahrnehmung einiger Kommentatoren Verschwörungstheoretiker. Wird William Blum auch dazu gezählt da sein Werk von Chomsky lobend erwähnt wurde? Er zeigt in seinem Werk ja eine gewisse Systematik in der Zersetzung der sog. Linken. Meiner Wahrnehmung nach führt diese Art der Diskussion mit unter auch zur politischen Segregation die wir in Deutschland und im gesamten Westen seit ein paar Jahren erleben. Wir hatten Akademiker in der Regierung die teilweise diese akademischen Titel abgeben mussten, gleichzeitig wird anderen Akademikern die Wissenschaftlichkeit abgesprochen weil sie sich von den falschen Leuten haben interviewen lassen. Ich habe eine politische Haltung, als aufgeklärter Mensch habe ich aber auch an mich den Anspruch Gedanken anderer Mitmenschen auf ihren Inhalt hin abzuwägen, unabhängig und unvoreingenommen davon wer die Person ist.
An die Redaktion: bei meinen letzten Kommentaren hatte sich ein Fehler in der mailadresse eingeschlichen. Ich habe den Fehler korregiert und hoffe dass dieser Kommentar somit veröffentlicht werden kann.
Den Antisemiten im Kritiker erkennt man z.B. daran, dass er von der Kritik an Israel so besessen ist, dass es in ihm denkt. Er ist der Wahnvorstellung, man dürfe Israel nicht kritisieren, so verfallen, dass er gar nicht merken kann, wie er diesen Wahn schon mit seiner eigenen, völlig risikofreien Dauerkritik konterkariert. Das ist die Methode, die schon Thilo Sarrazin angewendet hat: Volle Häuser bei Lesungen, massenhaft verkaufte Bücher, offensichtlich keine Probleme, für seinen Dreck Verleger zu finden, aber frech behaupten, er solle mundtot gemacht werden, nur um zu verhindern, dass er selber kritisiert wird. Der letzte Absatz des Artikels ist wahrhaft entlarvend und ekelhaft: So darf (sic!) man in Deutschland schreiben und schämen muss man sich dafür auch nicht (mehr).
Jeder, der die Ohren und die Augen offen hat und hinter seinen Wahnvorstellungen vielleicht doch noch Land sieht, weiß auch ohne die folgenden Links, dass Israel das am meisten kritisierte Land in Deutschland ist.
1) http://www.zeit.de/politik/deutschland/2014-08/israel-medien-kritik
2) Die Mär von der verbotenen Israelkritik: https://www.stern.de/politik/deutschland/israel-in-den-medien-die-maer-von-der-verbotenen-israelkritik-3950132.html
Aber vielleicht schreibt der Autor im Seemoz ja demnächst mal ein paar Artikel über die marokkanischen Annexionen in der Westsahara, den türkischen Terror gegen die Kurden, die Menschenrechtslage im Mullah-Staat Iran, im Kongo, in China, Saudi-Arabien, Syrien, Katar, der Türkei …, den Nazi-Freund und Antisemiten Orban, den menschenverachtenden Terror der klerikalen Hamas-Diktatoren, die Korruption in der Westbank oder in Gaza, die immense Anzahl der jährlich von muslimischen Terrorbanden oder Herrschern ermordeten Muslime, die Millionen aus arabischen Ländern vertriebenen und enteigneten Juden! Er hätte halt ein Problem: Er könnte für die Verbrechen nicht so leicht den ideellen Gesamtjuden Israel verantwortlich machen. Obwohl, wer weiß, das wird doch ein Leichtes sein!
Liebe GenossInnen,
kann es sein, dass die vorliegende Debatte – wie so häufig bei dem Thema – aus dem Ruder gelaufen ist?
Kann es sein, dass die – notwendige, aber sachlich zu führende – Auseinandersetzung über das Verhältnis der Israelis und Palästinenser erneut nur im Austausch von Debattenbeiträgen, statt mit der sonst in unseren Reihen ausgeprägten Gesprächskultur stattfindet?
Ich meine, dass wir einig sein können, dass wir sprachliche Schmähungen, egal welcher Art, nicht verwenden. Dazu zählen Begriffe, die dem antisemitischen Dunstkreis zuzurechnen sind, genauso wie Bezeichnungen als Aluhut oder Ken-Jebsen-Vergleiche. Insbesondere können wir diskutieren, ohne die jeweiligen Gesprächspartner aufgrund ihres Alters zu diskriminieren oder in klassistische „Ich-hab-den-gewichtigeren-Abschluss“-Vergleiche abzurutschen. Lasst das doch bitte einfach.
Gruß
Simon Pschorr
Präsident der Landesschiedskommission
Sehr geehrter Herr Schiefelbein,
dass ich Prof. Rolf Verleger, mit dem ich an der Uni Konstanz vor Jahrzehnten einige Semester Psychologie studierte, kenne und schätze, gegen -wie sagen Sie so nett „“Rotz“- verteidige, ist doch selbstverständlich.
Und wenn der junge promovierende Nachwuchswissenschaftler meint,
Theorien könne man falsifizieren, aber Ideologien nicht, dann zeigt er doch nur seine Nichtkenntnis von Erkenntnistheorie. (Nebenbei: Es gibt nicht nur den Popperschen Ansatz der Falsifikation, sondern auch den dialektischen Ansatz von Aristoteles, Hegel, Marx).
Und in einem Nebensatz bescheinigen Sie der ehemaligen MdB Annette Groth, die ich ebenfalls gut kenne, Antisemitismus. Wie lächerlich und unbelegt. Im amerikanischen nennt man sowas „personality killing“.
Nachdenkseiten, KenFm oder auch Rubikon News spielen offensichtlich in einer völlig anderen und höheren Liga als Sie mit Ihren schmählichen Niederträchtigkeiten.
Roland Biniossek
Werte Damen und Herren in dieser Runde,
Ich muss Herrn Stodollick vorbehaltlos beistehen – denn in der Sache hat er Recht. Hpk verwendet in dem Artikel Begrifflichkeiten, die nicht unproblematisch sind und wir als kritische Linke sollten – egal welche Position man zum Nahost-Konflikt nun bezieht – dies wenigstens zur Kenntnis nehmen und reflektieren. Nicht zuletzt da die gesellschaftliche Linke durchaus ein Problem mit Antisemitismus hat, insbesondere meine ich damit auch eine ehemalige MdB vom Bodensee.
Wie dem auch sei, war ich über das Niveau dieser Debatte hier halbwegs entsetzt. Herr Stodollick wirft eine durchaus berechtigte Kritik ein und wird auf unangemessene Art und Weise persönlich angegangen, ja ihm seine akademischen Fähigkeiten abgesprochen, oder als Jüngling heruntergemacht. Herr Binniosek: Ich schäme mich für Genossen wie Sie.
Gleichzeitig offenbart sich aber in der Debatte auch wieder etwas sehr typisches. Die angeblich verbotene Kritik an Israel wird wie eine Monstranz vor sich hergetragen, während man eins ums andere eben dies tut: Kritik üben.
Unerwünscht ist aber die Kritik an der Kritik, die häufig nicht einmal aus Dissens in der Sache entsteht, sondern lediglich mit der Art und Weise der Kritik nicht einverstanden ist. Herr Stodollick hat hierauf aufmerksam gemacht und wird in einer unwürdigen Weise doof angemacht, wie es für Linke eigentlich unwürdig ist.
Auf Ken Jebsen, Nachdenkseiten und den ganzen anderen Verschwörungsrotz gehe ich jetzt mal nicht weiter ein. Wenn dies das Niveau von Kritik ist, dann Gute Nacht.
Wenn ein promovierender „Jungspund“ namens L. Stolldick -natürlich unbelegt-
einem habilitierten Professor wie Rolf Verleger „Verschwörungsideologien“
unterstellt, kann man nur hoffen, dass seine eigene „Diss“ eines Tages mehr Gehalt hat als sein hier veröffentlichter „Hüftschuss“.
Roland Biniossek
Dipl.-Volkswirt
Stadt- und Kreisrat DIE LINKE
Überlingen
bitte: Herren Lasse Stodollik und Lukas Barwitzki,
von mir aus beeindrucken Sie sich gegenseitig mit Ihren Adorno, Popper, H.von Foerster etc.-Zitaten; vielleicht machen Sie das mal im Excellent-Cluster…
oder:
Sie lesen folgenden Bericht von Jakob Reimann, wahrscheinlich ist Reimann ähnlich alt wie Sie.
Er beeindruckt mich ob seines Mutes und Engagements!
https://www.nachdenkseiten.de/?p=43361
@Lasse Stodollick
„In einer „linken“ Lokal“zeitung“ sind die Grenzen der Vernunft wohl schnell überschritten, wenn man nicht über das Wetter und Umgehungsstraßen schreiben will.“
Zu Ihrer Entlastung muß die Annahme gestattet sein, daß Sie das nach einem Blick in den Spiegel geschrieben haben.
Werter Herr Stodollick, da Sie das Buch, um das es in der Besprechung geht und auch in den Kommentaren gehen sollte, nicht gelesen haben, schlage ich vor, Sie holen das nach. Dann ließe sich über Inhalte streiten, und Sie bräuchten nicht zu unqualifizierten Gleichsetzungen mit Ken Jebsen greifen. Mit dem Lesen ist das nämlich so eine Sache – würden Sie das häufiger auf seemoz machen, kämen Sie nicht zu einer derart lächerlichen Unterstellung, dort würde über „das Wetter und Umgehungsstraßen“ berichtet.
Der Verweis auf ein Interview bei Ken Jebsen hilft jetzt auch echt weiter in der Frage nach einer glaubwürdigen Einschätzung und einer sachlichen Darstellung. Es war (sofern ich nicht irre) Lafontaine, der Jebsen gegen den Vorwurf des „Verschwörungstheoretikers“ in Schutz nahm mit einem Bezug der etwa lautete, dass so ein Begriff nur von den „Geheimdiensten“ benutzt werde. 😉
Ich erinnere mich da noch recht lebhaft an eine nicht nur parteiintern geführte Debatte zwischen Jebsen und Klaus Lederer um das öffentliche Auftreten eines „Aluhutes“, wie Lederer es ausdrückte.
Wenn Frau Niedermöller so gedankenlos unbeschwert mit dem Kampfbegriff
„Verschwörungstheoretiker“ umgeht, dann sei ihr doch einfach empfohlen, das Interview mit Rolf Verleger bei Ken Jebsen (KenFM) anzuschauen.
Man kann dort Rolf Verleger so erleben, wie ich ihn aus meiner Studienzeit in Konstanz kannte: Nachdenklich, ehrlich, sachlich-gründlich formulierend. Ein aufrechter, feiner Mensch.
Roland biniossek
Stadt- und Kreisrat DIE LINKE
Überlingen
ps/ Verschwörungstheoretiker sind öfter vielleicht nur ehrenwerte Leute, die Verschwörungspraktikern auf die Schliche kommen wollen.
Danke @Helmut Reinhardt für den Hinweis auf das Benz-Interview.
Im Übrigen finde ich die Aufregung über die Verwendung des Begriffs „Berufsjude“, mit dem übrigens auch israelische Nationalisten ihre jüdischen Kritiker etikettieren, unangemessen – wenngleich nachvollziehbar, denn die Nachkommen von Täter- wie Opfer-Kollektiven des Holocausts sind noch immer in ihrem Erbe gefangen.
Dieses Gespräch von Wolfgang Benz mit Jung & naiv über Antisemitismus & Islamfeindlichkeit kann vielleicht zu etwas mehr Klarheit und Gelassenheit in der Diskussion beitragen:
http://www.jungundnaiv.de/2018/03/25/vorurteilsforscher-wolfgang-benz-ueber-antisemitismus-islamfeindlichkeit-folge-358/
Wolfgang Benz ist ein deutscher Historiker der Zeitgeschichte und international anerkannter Vertreter der Vorurteilsforschung, der Antisemitismusforschung und der NS-Forschung. Er lehrte von 1990 bis 2011 an der Technischen Universität Berlin und leitete das zugehörige Zentrum für Antisemitismusforschung, dessen Jahrbuch er bis 2011 herausgab.
Auseinandersetzungen um Themen jenseits des eigenen lokalen Bezugs sind hier selten zu lesen, schliesslich handelt es sich bei seemoz um einen Blog für „den Bodensee und das befreundete Ausland“. Soweit, so gut.
Mit Verlaub: Es spricht allerdings Bände, was seemoz dann über den eigenen Tellerrand blicken lässt. Geht es um den einen Staat, den man klammheimlich nur allzugern als Schurkenstaat bezeichnen dürfen wöllte, dies aber ein Fünkchen Restanstand noch verbietet, muss einmal mehr ein jüdischer Kronzeuge in die Bretsche springen.
Einem „kritischen“ und „widerborstigen Medium, das seemoz vorgibt zu sein, würde es gut zu Gesicht stehen, einmal nachzurecherchieren, wie andere Linke Rolf Verleger kontextualisieren. Eine simple Googlesuche zeigt, dass Rolf Verleger beispielsweise gern gesehener Gesprächspartner beim Verschwörungstheoretiker Ken Jebsen von KenFM ist. Jutta Ditfurth weist Rolf Verlegers Nähe zur durch und durch antisemitischen BDS-Bewegung nach. Nicht gewusst? Oder ist das egal?
Die liebsten Jüdinnen und Juden sind den Deutschen immer noch die, die ihnen die Arbeit abnehmen und sich nicht dafür zu schade sind, den Staat Israel zu diskreditieren. Ein differenzierter Blick auf einen vielschichtigen Konflikt sieht anders aus, aber darum geht es ja nicht.
Das enzige, was mich an diesem Blogeintrag froh stimmt, sind die klaren Worte in den Kommentarspalten. Als Antifaschistin werde ich am 14. Mai unverdrossen mein Glas heben und auf 70 Jahre Israel anstossen.
Wer Israel und seine Siedlungspolitik reflektiert unter die Lupe nimmt, ist kein Antisemit. Wäre es anders, bliebe der israelische Staat gegen jedes kritische Wort immun. Doch gerade zu einem selbstbewussten Land wie Israel sollte die Aufrichtigkeit gehören, sich Zweifeln von außen an der ganz eigenen Politik zu stellen. Ich will Israel nicht in Watte packen, weil ich davon überzeugt bin, dass es die Regierung dort aushält, auch mit Anfeindungen umzugehen. Ein Staat, der seine Souveränität immer wieder verteidigen muss, der den Anspruch erhebt, Demokratie zu sein, der ist standhaft genug, um unterscheiden zu können zwischen Vorwürfen gegen das politische Handeln und einem Antisemitismus, der den Menschen, das Volk allein aufgrund von seiner religiösen, seiner nationalen Zugehörigkeit beschimpfen und minderwertig erscheinen lassen soll.
Natürlich sind die Beweggründe stets neu zu hinterfragen, wieso wir ein bestimmtes Tun, ein Auftreten einer Regierung, ein Durchgreifen von Politikern kritisieren – gerade, wenn es um Israel geht. Denn besonders hinter populistischem Auftrumpfen gegen einen Staat kann sich mehr verbergen als der rein politische Wille, Fehlverhalten zu entlarven. Ein verkappter Antiisraelismus, ein getarnter Antisemitismus, wir können ihn oftmals nur schwer entlarven. Die Gefahr, sich mit seinem Hass gegen Juden hinter dem kritischen Wort gegenüber der israelischen Politik zu verstecken, ist immer gegeben. Dennoch rechtfertigt dies für mein Dafürhalten keine Zurückhaltung im argumentativen Streit über mögliche Vergehen Israels in seiner Politik.
Zum genaueren Verständnis: Die Anführungsstriche bezeichnen, wie auch sonst im Text, ein Zitat.
Da muss ich mich Anselm tatsächlich anschließen. So schwierig und vielschichtig die Problematik rund um die Auseinandersetzung zwischen Juden und Palästinensern rund um Israel und den Gazastreifen ist, so wenig ist das eine Legitimation für Formulierungen, die anderen Menschen ihre Äußerungsberechtigung abspricht – besonders in Bezug zur religiösen und (konstruiert) ethnischen Herkunft.
Der vorletzte Absatz ist sowohl degoutant als auch entlarvend – da hilft auch ein Paar Anführungszeichen nicht!