Das hört sich gut an – die neue Intendantin

Auf den Komponisten und Instrumentalisten Beat Fehlmann folgt als neue Intendantin der Philharmonie Insa Pijanka, die seit ihren Kinder­tagen vor allem dem Gesang in allen Facetten verbunden ist und Politik, Geschichte und Soziologie studiert hat. Der Gemeinderat wählte sie gestern in nichtöffentlicher Sitzung. Nachdem ihr Vorgänger noch als Retter in höchster finanzieller Not nach Konstanz gerufen wurde, übernimmt sie am 1. Januar 2019 einen bestens aufgestellten Betrieb.

Es war kein großes Geheimnis, wie die Wahl im Gemeinderat heute ausgehen würde, denn wie aus gewöhnlich gut informierten Kreisen in der Verwaltung bereits vor Tagen verlautete, war Insa Pijanka die einzige Kandidatin, die nach der vorhergehenden Abstimmung in der Personalfindungskommission noch im Rennen war. Sie ist die erste Frau, die diese Stelle in Konstanz mehr als nur vorübergehend innehaben wird, und sie ist eine ausgewiesene Fachfrau.

Ihr Lebenslauf spricht dafür, dass ihr eine Position im Kulturbetrieb beinahe schon in die Kinderschuhe gelegt wurde – auch wenn sich im Leben eines Menschen natürlich immer wieder verschiedene Abzweigungen öffnen. „Und dennoch, in der Tat gälte es nur, den Faden an einer beliebigen Stelle aus dem Geweb‘ des Lebens zu ziehen, und er liefe durchs Ganze, und in der nun breiteren offenen Bahn würden auch die anderen, sich ablösend, einzelweis sichtbar.“ (Heimito von Doderer) Aber vermutlich ist es zu anmaßend, so über das Leben eines Menschen zu sprechen, den man nicht kennt, also zurück zu den Fakten.

Insa Pijanka, von Gemeinderätinnen und -räten, die das Auswahlverfahren verfolgten, auch (durchaus liebevoll) als „Punkerin“ charakterisiert, wurde 1974 in Mannheim geboren. Sie war seit ihrer Jugend der Oper verpflichtet – zunächst am Nationaltheater Mannheim im Kinderchor, später in der Opernstatisterie – und genoss ausgiebigen Klavier- und Gesangsunterricht. Sie hat anschließend, wohl nicht ganz typisch für IntendantInnen, in Mannheim und an der weltberühmten „London School of Economics and Political Science“, wo es vor Nobelpreisträgern und angehenden Weltenlenkern nur so wimmelt, Politik, Neuere, Wirtschafts- und Sozialgeschichte sowie Soziologie studiert.

Nach dem Studium hat sie bei der „Internationalen Orchesterakademie Mannheimer Schule“ die Dramaturgie, Pressearbeit und Organisation übernommen und wechselte 2002 als Konzertdramaturgin und Orchesterdirektorin ans Staatstheater Kassel, wo sie 2007 einen gemeinnützigen Verein mitbegründete, der junge OrchestermusikerInnen bei deren Berufseinstieg unterstützt und in der Orchesterpädagogik und Jugendarbeit tätig ist. Ähnlich wie es Beat Fehlmann tut, tritt auch sie gern vor das Publikum und gibt selbst Konzerteinführungen. Fehlmann freut sich, „dass eine solch erfahrene und herausragende Persönlichkeit gefunden werden konnte. Ich wünsche Frau Pijanka und diesem wunderbaren Orchester eine inspirierte Zukunft.“

Illusionen sind fehl am Platze: Natürlich sind die Möglichkeiten einer Intendantin sehr begrenzt. Ihre Aufgabe ist es zuerst einmal, in irgendeiner Weise mit dem Etat auszukommen und das „Produkt“ Orchester über publikumswirksame und damit zwangsläufig musikalisch ziemlich limitierte Programme zu verkaufen. Das heißt angesichts der rekordverdächtigen Fehlmannschen Auslastungsquoten von nahezu 100 Prozent in den Sinfoniekonzerten, dass auch Pijanka vor allem Karten verkaufen muss. Das schließt ein massives Engagement zum Beispiel für zeitgenössische Kunstmusik selbstverständlich aus, nicht aber Crossover-Projekte mit Rock, Jazz, Pop oder Film, die ein breiteres und jüngeres Publikum ansprechen.

Es steht zu vermuten, dass sie den erfolgreichen Fehlmannschen Weg erst einmal ziemlich unverändert fortschreiten wird, und alles Weitere ist Spekulation. Für eine regionale Institution, die wie die Südwestdeutsche Philharmonie rund fünf Millionen Euro öffentlicher Zuschüsse im Jahr benötigt, Tendenz deutlich steigend, gilt ganz einfach: Ihre Kunst muss nach dem Geld gehen, ihm sogar hinterherhecheln, sonst ist sie auf Dauer gefährdet, Eigenbetrieb der Stadt hin oder her.

Insa Pijanka persönlich dürfte aber durchaus viel mehr mit der Musik verbinden, als einen Orchesterbetrieb am Laufen zu halten (was eine durchaus anspruchsvolle Aufgabe ist). Sie hat eine „große Affinität zu Schostakowitsch und zur russischen Musik überhaupt“ und in einer Soiree über Schostakowitsch Erzählungen von Gogol benutzt, um die „sehr spezielle Art von russischer Satire“ zu verdeutlichen. (1)

Das klingt so sympathisch, als dürfe man von ihr auch Überraschungen erhoffen.

Harald Borges (mit Material von der Südwestdeutschen Philharmonie); Foto: Stadt Konstanz

(1) http://www.jerome-kassel.de/stadt/wir-brauchen-uns-nicht-zu-verstecken/