Im Rausch der Nacht

Im Rahmen der internationalen Bodenseefestspiele, die unter dem Motto „Russland“ stehen, inszeniert Elina Finkel am Theater Konstanz das Stück „Betrunkene“ von Iwan Wyrypajew. Das Stück, bis weit in den Juni hinein noch zu sehen, ist kein Stück für Trinker, keine Hommage an den Alkohol, sondern ein Lehrstück über unsere enthemmte Gesellschaft. Und da kommt dann auch die Wissenschaft ins Spiel.

14 Personen irren im Rausch durch die Nacht. Eine Hochzeitsfeier, ein Junggesellenabschied, ein Liebespaar und Fremde, die sich begegnen. Sie alle wanken nach Hause. Sie alle haben getrunken. Und sie begegnen sich auf diesem Weg durch die Nacht. Der Alkohol fungiert als Schmierstoff. Die Hemmung sinkt. Monologe werden gehalten, Beichten abgelegt, große philosophische Fragen besprochen. Was ist die Wahrheit? Was der Sinn des Lebens? Gibt es einen Gott? Und woraus ist Liebe gemacht?

Die gegenseitige Scheu wird abgelegt, die Begegnungen werden offen. Was kann schon geschehen in einer solchen Nacht? Das ganze Leben kann sich verändern. Man kann die Liebe seines Lebens treffen, man kann Haus und Hof verspielen, man kann alles hinwerfen, durchbrennen, nie wieder gesehen sein. Großes kann geschehen. Zumindest im Geiste – die meisten Schnapsideen haben ihren Titel nicht von ungefähr. Man kann auch am nächsten Morgen erwachen und mit dem schleichend milder werdenden Kopfschmerz die nächtlichen Geschehnisse entschwinden lassen.

„Betrunkene“ zeigt den Ausschnitt aus einer solchen Nacht, bevor der Morgen graut. Der Kater bleibt aus. Es geht um die Nacht der Wunder, in der alles möglich und nichts verboten ist. Einerseits brüllend komisch, dann gleich wieder tragisch, traurig, melancholisch – man kennt das ja, den Zustand des Rausches. Alkohol, du guter Freund. Dieser erfährt aber keine Hommage, es ist kein Stück für Trinker und keine Verherrlichung, es geht vielmehr um die Mystik, die Sinnsuche und eine enthemmte Gesellschaft, so die Regisseurin. Darüber hinaus geht es um Spaß, ergänzt der Dramaturg. Ist klar. Man trinkt ja schließlich zum Vergnügen.

Theater und Wissenschaft im Austausch

Das Theater Konstanz, die Slavistische Literaturwissenschaft und das Team Transfer Lehre der Universität Konstanz laden ein zu einem Gespräch über Iwan Wyrypajews Betrunkene: Schon am heutigen Dienstag, 22. Mai, 17-18.30 Uhr in K7 (Universität Konstanz). Über das Stück und die Fragen, die es aufwirft, sprechen unter anderem: Elena Bulochnikova (Bühnenbild), Fabian Erlenmaier (Slavistik), Stefan Fischer (Philosophie), Jörn Happel (Geschichte), Eivind Haugland (Dramaturgie), Anna Kusser (Philosophie), Renata von Maydell (Slavistik), Jurij Murašov (Slavistik), Maria Zhukova (Zukunftskolleg) sowie SchauspielerInnen aus der Produktion. Es handelt sich bei dem Workshop um die erste Veranstaltung der Reihe „ImPuls. Theater und Wissenschaft im Austausch“.

Regie führt Elina Finkel und zeigt sich damit erstmals am Konstanzer Theater. Die Übersetzung von „Onkel Wanja“ war aber bereits ihr Werk, mit vollem Erfolg. Es gibt noch weitere Neuheiten: zum Ensemble gesellt sich Antonia Lena Jungwirth, eine junge vielversprechende Frau, die ihre Arbeit hervorragend macht, wie die Regisseurin betont. Zum wiederholten Mal wird Stefan Baumann mit seinem Cello das Stück begleiten. Zuletzt war er in „Judas“ mit von der Partie. Und Abschied nehmen wir mit diesem Stück von Bettina Riebesel, die das Ensemble verlassen wird und unter anderem mit ihrer unvergesslichen Emmi in „Angst essen Seele auf“ brillierte.

Ach ja, das Motto „Russland“. Geht es also um Wodka? Weit mehr: der Autor ist Russe, Finkel stammt aus der Ukraine, Elena Bulochnikova (Bühnenbild) aus Moskau, es gibt eine Kooperation mit der Fachschaft Slawistik der Uni Konstanz (s. Infokasten) und am 30. Mai findet im Anschluss an die Inszenierung noch ein russischer Abend statt. Na dann, Nastrovje!

Veronika Fischer (Foto: Theater Konstanz/Ilja Mess)

Nächste Aufführungen:
Donnerstag, 24.5 – 20:00, Samstag; 26.5 – 20:00; Mittwoch, 30.5 – 20:00; Freitag, 1.6, 19:30/Samstag, 2.6 – 20:00; Dienstag, 5.6 – 19:30; Mittwoch, 6.6 – 20:00; Samstag, 9.6 – 20:00; Sonntag, 10.6 – 18:00; Dienstag, 12.6 – 20:00; Mittwoch, 13.6 – 15:00; Donnerstag, 14.6 – 19:30; Freitag, 15.6 – 19:30; jeweils im Stadttheater.