„Was ich gerne wissen möchte: Wo sind die 4000 Milliarden?“

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Thomas Koch

Keine 1000 wie auf dem Paradeplatz in Zürich, aber doch mehr als 120 kamen am Samstag auf die Konstanzer Marktstätte, um „Gemeinsam für globalen Wandel“ zu demonstrieren. Viele Redner drängten sich um das offene Mikrophon, doch wirklich Brisantes hatte höchstens Thomas Koch von attac zu sagen. Und das Interessanteste aus seiner Rede war der zitierte Part des Kabarettisten Erwin Pelzig. Übrigens: Schon am Dienstag, 18.10., gibt’s „Neues aus der Anstalt“ erneut: ZDF, 22.15 Uhr.

 

„… Aber schauen Sie, das ist doch wirklich das Problem. Wir kriegen dauernd so viele Antworten, Überall Antworten, von Experten, und verschiedene Antworten, statt dass endlich einmal jemand die richtigen Fragen stellt. Und ich hätte so viele Fragen, so viele Fragen.

Ich würde zum Beispiel so gerne einmal wissen, warum die Investmentbank Goldman Sachs zur Zeit empfiehlt, gegen den Euro und gegen Europa zu wetten? Und warum die gleiche Bank europäische Regierungen berät, wie der Euro und Europa zu retten ist? Und bei der Gelegenheit würde ich auch sehr gerne wissen, warum der Deutschlandchef dieser Scheissbank, Alexander Dibelius, der Meinung ist, die Banken hätten keine Verpflichtung fürs Allgemeinwohl? Ich würde auch sehr gerne wissen, warum ausgerechnet dieser Vogel unsere Bundesregierung beraten hat?

Und ich würde auch so gerne mal wissen, warum mir am tränenreichen, verflennten 11. September keine Sau erklärt hat, was eigentlich aus den 4.000 Milliarden Dollar geworden ist, die der elende Irak-Krieg bis jetzt gekostet hat? 4.000 Milliarden Dollar, weil das Geld muss ja irgendwo sein, weil’s irgendwer haben tut und jetzt anschaffen lässt und auf den Strich schickt und es Unheil anrichtet.

Und überhaupt würde ich sehr gern einmal wissen, ob der ganze Terrorismus nicht vielleicht ein riesiges Geschäft ist, für ein paar Wenige, die sich die Taschen voll stopfen, und der ganze Terrorismus nur dazu da ist, diesen doch eigentlich bedauernswerten, sterbebereiten Kapitalismus endlich ein schlummern zu lassen? Und ich würde so gerne wissen, warum bei allen nur noch von Schulden, Schulden, Schulden die Rede ist, wo doch 4.000 Milliarden Dollar in der Welt ihr Unwesen treiben?

Und ich möchte so gerne wissen, warum man bei den Sparpaketen das Geld jetzt immer bei den Vielen holt, die nichts haben und nicht bei den Wenigen, die alles haben, dass man es denen einfach abnimmt? Würde ich gerne mal wissen, würd‘ ich so gerne mal wissen!

Und wenn man es denen abnimmt, möchte ich gerne mal wissen, warum das ungerecht sein soll, weil so wie es jetzt, ist es ja auch ungerecht. Und wenn es offenbar nicht ohne Ungerechtigkeit geht, dann möchte ich gerne wissen, ob es nicht gerechter wäre, die Ungerechtigkeit auf möglichst wenige Menschen zu verteilen, das aber möglichst gerecht!

Und ich möchte endlich wissen, was sich diese Bundesregierung beim Thema Gerechtigkeit eigentlich gedacht hat, bei diesem miesen, miesen Steuerdeal mit der Schweiz, wo dieses asoziale, deutsche Steuerhinterziehungspack, das alleine in der Schweiz 150 Milliarden schwarz gebunkert hat, juristisch völlig ungeschoren davon kommt, warum man die nicht in Angst und Schrecken versetzt, dass sie nachts nicht schlafen können, weil sie Angst haben müssen, dass eine CD auftaucht, dass man ihnen vielleicht doch einmal drauf kommt?

Und ich möchte so gerne wissen, ich möcht‘ so gerne wissen, was die Kanzlerin gemeint hat, wenn sie sagt, das Parlament soll bei den Rettungsschirmen „marktkonform“ mitbestimmen. „Marktkonform“, wie ein Parlament „marktkonform“ sein soll, möcht‘ ich mal wissen, ob sie vielleicht eine marktkonforme Demokratie im Auge hat? Und wenn sie eine marktkonforme Demokratie im Auge hat, dann möcht‘ ich mal wissen, ob ihr vielleicht schon mal der Gedanke eines demokratiekonformen Marktes ins Hirn gekommen ist? Würde ich sehr gerne mal wissen!

Und ich möchte endlich wissen, ich möchte wissen, warum es im deutschen Fernsehen jeden Abend, meinetwegen kurz vor Acht vor den Nachrichten, nicht eine kleine eigene Sendung gibt, zum Beispiel für die neun Millionen Menschen mit Burnout-Syndrom oder für die neun Millionen Menschen in Deutschland mit Alkoholproblemen oder von mir aus für die 20 Millionen Raucher, dass man ihnen jeden Abend kurz vor Acht vor den Nachrichten ein paar Minuten hilft, von der Sucht los zu kommen? 20 Millionen Raucher! Möcht‘ ich doch mal wissen, warum ich mir wegen der nur dreieinhalb Millionen Aktienbesitzer jeden Tag im Radio jede Stunde und im Fernsehen unentwegt irgend einen Scheissdreck vom Dax erzählen lassen muss? Dreieinhalb Millionen Aktienbesitzer!

Und bitte, ich möchte auch wissen, warum die Börse meine Existenz, meine Lebensfreude, meine Leidenschaft und meine Liebe einfach so vernichten kann, selbst wenn ich selbst keine einzige Aktie besitze? Und ich möchte endlich wissen, was genau, aber ganz genau, eigentlich der Unterschied sein soll zwischen einem jugendlichen Plünderer in London und den Gewinnzielen der Deutschen Bank?“

Autor: Frank-Markus Barwasser, alias Erwin Pelzig

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Samstag, 15.10., 15 Uhr 10, Marktstätte, Konstanz