Braucht Konstanz noch eine solche Attraktion?
Wer gestern den Konstanzer SK-Lokalteil aufschlug, wurde von Jörg-Peter Rau einmal mehr belehrt, was gut für Konstanz sei: Das Asisi-Panorama würde den „Tourismus-Standort Konstanz“ aufwerten und überdies das Konstanzer Konzil ins allgemeine Gedächtnis brennen. Die durchaus kontroverse Debatte im Gemeinderat – vor allem die Argumente der Kritiker – kamen dabei zu kurz. Das holen wir nach.
Vorab aber nochmals zur Erinnerung: 2016 überraschten die Investoren-Familien Scheidtweiler und Ruppaner den Gemeinderat und die Öffentlichkeit mit der Idee des Asisi-Baus. Das ist ein zylinderförmiger Turm von gut 40 Meter Höhe und einem Durchmesser von etwa 45 Metern. Darin soll ein riesiges 360-Grad-Bild des Künstlers Yadegar Asisi die Geschichte der Stadt zu Zeiten des Konstanzer Konzils zeigen. Gegen Eintrittsgeld natürlich – das ist die Geschäftsidee der Investoren, die ähnliche Panorama-Türme schon in Berlin, Pforzheim und anderswo mit, wie man hört, beträchtlichem wirtschaftlichen Erfolg realisiert haben.
Zunächst war als Standort ein Platz neben dem Bodenseeforum vorgesehen, nun soll neben der Schänzlebrücke gebaut werden. Doch das Grundstück gehört dem Bund – für 445.000 Euro will die Stadt Konstanz das Gelände kaufen und es später an die Investoren verpachten. Um die Zustimmung zu diesem Grundstückskauf ging es am Dienstag im Gemeinderat: 28 Räte aus dem bürgerlichen Lager stimmten zu, vier enthielten sich und sieben aus FGL, SPD und LLK votierten mit nein. Um die Position der Kritiker verständlich werden zu lassen, dokumentieren wir die Rede von LLK-Stadtrat Holger Reile:
Kolleginnen und Kollegen,
wenn man hier einigen so zuhört, dann könnte man den Eindruck gewinnen, Konstanz stünde vor einer gewaltigen kulturellen und wirtschaftlichen Bereicherung, die den Ruhm der Stadt in die weite Welt tragen werde. Dem aber ist meiner Meinung nach nicht so und wir werden auch nicht zustimmen.
Seit einiger Zeit rührt auch die hiesige Tageszeitung gewaltig die Trommel für das Projekt und gebärdet sich als ehrenamtlicher Projektförderer. Allein schon dieser Kampagnenjournalismus müsste uns äußerst vorsichtig stimmen und noch mehr, wenn man bedenkt, welche Projekte in der Vergangenheit vom örtlichen Meinungsmacher als angebliche Chancen für die Stadt bezeichnet wurden. Da sei nur an das als „Jahrhundertchance“ titulierte „Konzert- und Kongresshaus“ auf Klein Venedig erinnert – das durch die Vernunft der BürgerInnen gerade noch verhindert werden konnte – oder auch an das Bodenseeforum, dessen dickes Ende bald um die Ecke kommen wird. Für beide Projekte stand die angeblich so kritische Heimatzeitung lange Zeit Pate.
Nun also ein Panoramaturm, der – so stand kürzlich zu lesen – sogar zum Wahrzeichen der Stadt werden könnte. Da stimmen wir doch eher der Aussage von Museumsleiter Tobias Engelsing zu, der schon im Vorfeld befürchtete, hier bahne sich erneut ein Projekt an, an dessen Sinn man durchaus zweifeln dürfe. Wir zweifeln mit, denn das Vorhaben ist einzig und allein darauf bedacht, noch mehr Touristen in die Stadt zu locken und mit ihnen in Zukunft fette Kasse zu machen. Und erneut stellt sich die Frage: Was verträgt unsere Stadt noch und was ist im Sinne ihrer Bürgerinnen und Bürger? Noch mehr Tourismus, noch mehr Hotels? Konstanz als Spielwiese für Spekulanten und Profitmaximierung, während gleichzeitig hunderte befürchten müssen, dass ihnen – der laut Oberbürgermeister Burchardt „unanständige“ Immobilienhai Vonovia – das Leben vermiest und sie in ihrer Existenz bedroht. Ist das die Richtung, die Konstanz einschlagen soll?
Unserer Meinung nach wären die Investoren des geplanten Panoramaturms gut beraten, ihre Millionen in ein Projekt zu investieren, zu dem sie aufgrund der Eigentumsverhältnisse direkten Zugriff haben. Ich meine das Areal der alten Ruppanerbrauerei in der Hussenstraße, also direkt im Herzen der Stadt. Seit Jahren schon kümmert dieser Schandfleck vor sich hin. Wie wäre es denn, frage ich die Familien Scheidtweiler und Ruppaner hier vor laufender Kamera, wenn sie an dieser Stelle ihr Füllhorn ausschütten und dort in Angriff nehmen, was unsere Stadtgesellschaft mit am allernötigsten braucht: Nämlich den Bau von bezahlbaren Wohnungen. Damit könnten Sie ein Zeichen setzen. Ich bin gespannt auf ihre Antwort.
hpk
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