Diskretion – bitte Abstand halten

Der 19. Juli ist ein spannender Tag für die Konstanzer Kulturszene: Denn an diesem Donnerstag wird entschieden, wer nach Christoph Nix die Intendanz des Stadttheaters weiterführt. Über 80 Bewerbungs­kandi­datIn­nen gab es für diese Stelle, zwei sind in der letzten Runde. Das gesamte Bewerbungs­ver­fahren sollte geheim geführt werden, um die Privatsphäre der Bewerbenden zu schützen – dank eines rücksichtslosen Journalismus der lokalen Presse war dies aber nicht gewährleistet.

Bereits vor Ablauf der Bewerbungsfrist präsentierten sich vier Personen der Presse: Ingo Putz, Daniel Morgenroth, Daniel Grünauer und Heike Frank haben sich auf die Intendanz beworben. Auch seemoz berichtete über dieses Quartett, das auf eigenen Wunsch zum Pressetermin geladen hatte. Abgesehen davon war unklar, wer sich noch bewerben würde – bis der Südkurier (und kurz darauf auch Thurgau Kultur weitere Namen veröffentlichte.

Mit dem Vermerk, dass eine offizielle Bestätigung von Seiten der Stadt fehle, wurde im Südkurier wild spekuliert. Es fielen willkürlich gewählte Namen aus der deutschen und Schweizer Theaterszene – mit dem Hinweis: „Sie alle sind wohl nicht oder nicht mehr dabei“- aber auch die zwei (unbestätigten) Kandidaten fürs Finale wurden gleich mit präsentiert. Vermutlich. „Eine offizielle Bestätigung dafür steht aus, weil anders als beim letzten Findungsverfahren vor fast 13 Jahren strengste Geheimhaltung angeordnet ist“, so Johannes Bruggaier, Leiter der Kulturredaktion beim Südkurier, wörtlich.

Im weiteren Verlauf des Artikels erklärte Bruggaier auch, warum es sich um ein geheimes Bewerbungsverfahren handele: „In der Stadt bleibt jedoch die Sorge, weitere Kandidaten könnten sich von Indiskretionen brüskiert fühlen.“ Weiter: „Für entsprechende Verärgerung hatte gesorgt, dass der Südkurier bereits im Vorfeld einen höchst umstrittenen Namen öffentlich machte.“

Was will der Südkurier-Redakteur also mit diesem Statement sagen?

Ist die Privatsphäre einer Person egal? Lieber eine unbestätigte Meldung raus geblasen als ein stilles Abwarten bis zur Präsentation des künftigen Intendanten oder der künftigen Intendantin? Musste gezeigt werden, dass man über „Underground-Infos“ verfügt? Oder wird der Nachfolger bzw. die Nachfolgerin gleich mal standesgemäß von der Presse begrüßt? Vielleicht hatte Bruggaier aber auch einfach mal Lust auf ein bisschen Kultur-Gossip?

Solcherlei Fragen stellen sich. Aber – Internet sei Dank – es finden sich auch Antworten darauf. Im Imagefilm vom Südkurier:

„In Echtzeit zu sehen, wie Nachrichten zum Leben erwachen – das ist faszinierend. Auch wenn wir manchmal nicht alles richtig machen. Aber das ist ja nicht schlimm … Wir scheitern, und dann versuchen wir’s wieder!“

Oder, auch ein schönes Motto für eine Regionalzeitung:

„Seriöser Journalismus, der so vieles in unserer Gesellschaft zusammenhält, der fällt doch nicht einfach so vom Himmel.“

Oder:

„Niemand muss sich vor dem Neuen fürchten, die Zukunft kommt. So oder so. Dann kann man auch den Kopf heben und die Zukunft mutig begrüßen!“

Vorschlag: Die Zukunft kann man auch begrüßen, wenn sie da ist. Und Kulturschaffende kann man mit Respekt behandeln.

Veronika Fischer (das hr-Foto zeigt die Bewerber-Unterlagen im Ratssaal)

Anm. d. Red.: Da die Namen des verbliebenen Duos nun allgemein bekannt sind, sollte man diese Endauswahl – nichtöffentlich kommenden Donnerstag bei der Gemeinderatssitzung vorgesehen – in den öffentlichen Teil verschieben. Nur mal so als Anregung.