Fasnachts-Gassenhauer im braunen Zwielicht

Die Entscheidung des 13er-Rates war einhellig: Die Konstanzer Narrengesellschaft Niederburg sagt die für Ende November geplanten Konzerte zu Ehren des Fasnachts-Komponisten Willi Hermann ab. Mehr noch: Auf einer „offenen Podiumsdiskussion“ soll geklärt werden, wie man mit Hermanns Gassenhauern in der Fasnacht umgehen will. „Wir kehren nichts unter den Teppich“, versichert Mario Böhler, Präsident der Narrengesellschaft, gegenüber seemoz.

Kommen also die Schlager „Ja, wenn der ganze Bodensee ein einzig Weinfass wär“ und „Mädle, wenn vu Konschtanz bisch, warum kasch no it küsse?“ und andere auf den Index? Werden die Gassenhauer aus der Fasnacht verbannt? Marion Böhler weiß es noch nicht, kann sich aber nicht vorstellen, „dass diese Lieder zukünftig unsere Fasnacht eröffnen“, will jedoch die „Diskussion mit der Öffentlichkeit“, die für September geplant ist, noch abwarten. Sicher ist allein, dass die für Ende November vorgesehenen Konzerte im Konzil ersatzlos gestrichen sind. „Alle Sponsoren“, so Böhler, „tragen diese Entscheidung mit.“

Im Vorfeld dieser Konzerte war Böhler aufgefallen, dass die Vita des Stockacher Komponisten Willi Hermann in den 30er und 40er Jahren des vorigen Jahrhunderts erstaunliche Lücken aufwies. Gemeinsam mit dem Südkurier, Hauptsponsor der November-Konzerte, beauftragte er den Konstanzer Stadtarchivar Jürgen Klöckler, mehr über die Nazi-Vergangenheit des Willi Hermann in Erfahrung zu bringen.

Was Professor Klöckler, der mit solchen Recherchen vertraut ist – ihm ist die Aufdeckung der Helmle- und Knapp-Machenschaften aus der Nazi-Zeit zu verdanken – zu Tage förderte und was der Südkurier in seltener Offenheit während der letzten Tage veröffentlichte, ist tatsächlich widerlich. Danach arbeitete Hermann seit 1936 als fest angestellter Mitarbeiter des Gauschulungsamtes und bereiste die Region als NS-Propaganda-Redner. Sein verbrieftes Credo: „Hitler ist Deutschland und Deutschland ist Hitler.“ Und alles das hat nach 1945 niemand der Fasnachter mehr gewusst?

Schlimmer noch: Als Wehrmachtssoldat war er ab 1940 in Griechenland eingesetzt und dort aller Wahrscheinlichkeit nach an Kriegsverbrechen auf der griechischen Insel Kefalonia beteiligt, die an wehrlosen italienischen Soldaten begangen wurden – tausende Kriegsgefangene wurden wahllos gemeuchelt; als Unteroffizier der Wehrmacht war Hermann, wie Zeugenaussagen belegen, wohl an solchen Morden beteiligt, von denen er nur „vom Hörensagen“ gewusst haben wollte, wie er 1966 zu Protokoll gab.

Nach den Bürgermeistern Helmle und Knapp, dem Bischof Gröber und dem Dichter Wilhelm von Scholz also ein weiterer Prominenter aus Konstanz, den seine Nazi-Vergangenheit einholt. Mario Böhler immerhin ist es zu verdanken, dass dieses Mal wohl keine quälenden Vertuschungsversuche inszeniert werden, sondern offensichtlich ehrlich, wenn auch nicht gerade rechtzeitig, die Fakten auf den Tisch kommen. Die Diskussionen um die Ehrenbürgerwürden örtlicher Nazigrößen (s.o.) dürfte damit zusätzlich angeheizt werden.

hpk