Gut gemeint, schlecht gemacht?

Kommendes Wochenende können Schweizer Stimmberechtigte wieder mitreden: Sie sollen zu drei nationalen Vorlagen Stellung nehmen. Umstritten sind dabei die zwei, die sich mit Landwirtschaft befassen: die Initiative „für Ernährungssouveränität“ und die „Fair-Food-Initiative“.

Kaum Wellen dagegen wirft die Aufnahme von Fahrradwegen als förderungswürdige Verkehrswege in die Verfassung. Dort stehen bereits – neben den Nationalstraßen – auch die Wanderwege. Die Aufnahme in die Verfassung hat lediglich den Zweck, es dem Bund zu ermöglichen, Bau und Planung eines Velowegnetzes finanziell unterstützen zu können. Bisher ist das allein Sache der Kantone und Gemeinden.

Ausländische Arbeitsbedingungen kontrollieren?

„Nein“ sagen dagegen Regierung und Parlament zu den beiden Landwirtschaftsinitiativen. Dabei hören sich deren Anliegen zuerst einmal sehr sympathisch an. Da ist zuerst einmal die Initiative „für gesunde sowie umweltfreundlich und fair hergestellte Lebensmittel (Fair-Food-Initiative)“, die von den Grünen lanciert wurde. Diese will nicht nur, dass der Bund sich darum kümmert, dass in der Schweiz Lebensmittel nur noch umweltschonend sowie tierfreundlich hergestellt werden, sondern auch, dass die Arbeitsbedingungen dabei fair sind. Zudem soll der Bund auch dafür sorgen, dass importierte Lebensmittel entsprechend der Schweizer Produktionsbedingungen hergestellt wurden.

Und hier kapituliert der Bund: Regierung, Parlamentsmehrheit und die Mehrheit der Parteien weisen darauf hin, dass dieser Anspruch kaum umzusetzen sei. Zwar ließe sich der Import von Eiern aus Käfighaltung natürlich problemlos stoppen, aber wie überprüft man, ob die Arbeitsbedingungen einer Teepflückerin in Indien bei genau diesem importierten Tee fair waren? Oder ob die spanischen Tomaten von einer Firma produziert wurden, die ihre nordafrikanischen Arbeiter zu miesen Löhnen schuften lässt? Natürlich könnte die Schweiz eine Kennzeichnung verlangen – aber dann müsste zusätzlich überprüft werden, ob diese bei dem importierten Produkt auch korrekt ist.

Heimatschutz für Bauern

Aus anderer Richtung als die „Fair-Food-Initiative“ kommt die Initiative „für Ernährungssouveränität“, die von „Uniterre“ und „L’autre syndicat“ lanciert worden ist. Beide verfolgen das Ziel, das Land und seine Bewohner vollständig aus der eigenen Landwirtschaft ernähren zu können (Ernährungssouveränität). Sie beklagen, dass es immer weniger Bauernbetriebe gibt und kritisieren die Preisschwankungen bei Agrarprodukten sowie die ausländische Konkurrenz. Gefordert wird eine nachhaltige und gentechnikfreie Landwirtschaft in der Schweiz.

Diese soll die gesamte Bevölkerung versorgen können. Der Bund soll dafür sorgen, dass die Zahl der landwirtschaftlich Beschäftigten steigt und deren Arbeitsbedingungen gut sind. Zudem soll er hohe Zölle auf alle Importe zu erheben, die nicht schweizerischem Standard entsprechen, oder diese ganz verbieten.

Heute deckt die Schweizer Landwirtschaft fast 60 Prozent des inländischen Bedarfs und ist mit jährlich rund 3,7 Milliarden Franken subventioniert (2,8 Mrd. Direktzahlungen an Bauern, der Rest Subventionen zum Beispiel für bestimmte Produktionen oder Aktivitäten).

Die Gegner dieser Initiative fürchten vor allem durch die nötigen höheren Subventionen Preissteigerungen bei Lebensmitteln. In den Grenzkantonen, wie unter anderem im benachbarten Thurgau, wird auch darauf hingewiesen, dass heute schon viele Schweizer ihre Lebensmittel lieber günstiger im benachbarten Ausland einkaufen als die höheren Schweizer Preise zu zahlen. Zudem stellte sich auch bei dieser Initiative das Problem, dass landwirtschaftliche Importe auf die Einhaltung schweizerischer Produktionsvorschriften überprüft werden müssten.

Vor dem Start der Abstimmungskampagnen vor rund vier Wochen lagen beide Initiativen in der Gunst der Stimmberechtigten noch sehr hoch im Kurs. Inzwischen sind sie so stark gesunken, dass eine Annahme eher fraglich ist.

Lieselotte Schiesser