Der Zwischenturm

Der Konstanzer „Turm zur Katz“ hat seit Anfang des Jahres ein neues Konzept. Aus dem ehemaligen Bildungsturm wird nun ein Zentrum für Kunst und Gestaltung. Momen­tan befindet sich das Projekt in der Findungs- und Experimentierphase – „Zwischen zwei Türmen“ also. So auch der Titel der aktuellen Ausstellung. Noch bis zum Ende der Woche kann man Arbeiten von Boris Petrovsky und Nikolaus Troxler sehen, danach wird Platz gemacht für lokale und internationale Projekte.

Fast nicht sichtbar tarnt sich der Turm zur Katz im Innenhof der Wessenberg-Galerie. Man kann sich durch das Kulturzentrum am Münster oder das Wessenberg-Café anpirschen, dann entdeckt man das historische Gebäude, das seit dem 13. Jahrhundert in der Konstanzer Altstadt steht. Seit Beginn dieses Jahres mit einem neuen Auftrag: Unter der Leitung des Kulturamtes finden hier künftig vier bis fünf Ausstellungen jährlich statt, die einen gestalterischen und zeitgenössischen Schwerpunkt aufweisen.

Ein Ort für alle

Von einer Katze ist weit und breit nichts zu sehen. Der Name des Turms stammt von der historischen Patriziergesellschaft „Zur Katz“, die erstmals in der Mitte des 14. Jahrhunderts in der Stadt Konstanz erscheint und Mitglieder aller Schichten aufnahm. So ist auch der Anspruch des Kulturamtes an dieses Gebäude. Ein Ort für alle soll hier öffentlich zugänglich sein. Und das derzeitige Museumsangebot soll ergänzt werden. Im Kulturzentrum am Münster finden sich derzeit Kunstwerke aus dem 19. Und 20. Jahrhundert, Ausstellungen des Kunstvereins sowie Lesungen und Filmprojekte im Gewölbekeller.

Nun wird dieses Angebot ergänzt durch einen Hotspot für Zeitgenössisches. Durch Kooperationen mit der HTWG, der Uni sowie dem Forum für Architektur wird dieser Schwerpunkt verstärkt. Ziel sind neue Formate, weg vom gängigen Ausstellungsbetrieb, hin zu Hybridformen und einem Verlassen des White Cube (das Ausstellungskonzept, Kunst in weißen Räumen zu präsentieren, Anm. d. Red.).

In New York und in Konstanz

Anna Martinez Rodriguez ist zuständig für Programm und Organisation im Turm. Sie ist stolz auf die aktuelle Ausstellung, die Werke von Boris Petrovsky und Nikolaus Troxler zeigt. „Von Troxler hängen auch Plakate im Moma (Museum of Modern Art, Kunstmuseum in Manhattan, New York, Anm. d. Red.) und hier im Turm zur Katz funktionieren seine Werk super“, so die Kunsthistorikerin. Auf zwei Etagen hängen Jazz-Plakate und typografische Arbeiten des Schweizer Grafikdesigners. Er hat das Jazzfestival Willisau ins Leben gerufen und dafür Plakate gestaltet, die nicht die Informationsverbreitung und Lesbarkeit im Zentrum zu haben scheinen, sondern eine eigene, teils humoristische, sehr frische und freie Sprache sprechen. So erkennt man manche Schriftzüge erst mit viel Mühe und dennoch ist die Betrachtung der farbenstarken Siebdrucke nicht mit Anstrengung verbunden, sondern mit einer Leichtigkeit, die überzeugt.

Zwei Vitrinen mit Skizzen und Mustern geben Einblick in die Arbeitsweise Troxlers und seine Entwicklung seit den 1970er Jahren. „Die dargestellten Motive Troxlers passen gut hier nach Konstanz, da sie oft einen Schweizbezug haben, den man in Berlin vielleicht schon nicht mehr verstehen würde“, so Martinez über die Plakate mit SVP-Bezügen und Helvetica-Witzen.

Ein Stockwerk unter Troxler findet man eine Arbeit von Boris Petrovsky, der für seine Lichtinstallationen bekannt ist. Hier zeigt er mit „Alfa Beta Meta“ eine Vorausschau auf eine Ausstellung im Konstanzer Siemens Areal, die ab Mitte Oktober dort zu sehen sein wird. Petrovskys Vater war Arbeiter bei Siemens und so sammelt der Künstler Fotografien und Materialien aus dessen Alltag, der gleichzeitig Petrovskys erster Schnittpunkt mit der industriellen Welt war. Zu sehen ist diese Ausstellung noch bis zum 3. Oktober im Turm zur Katz.

Wie entsteht NUN?

Bis zum 7. Oktober gibt es im Erdgeschoss einen Einblick in die Arbeit der Macherinnen des NUN, Magazins, die am 28. September das Erscheinen der zweiten Ausgabe feierten (s. Link am Artikelende). „Das Magazin passt gut zum Konzept des Turms“, so Kulturamtschefin Müssig, „das ist genau der Blick auf die Stadt und die Qualität, die wir uns vorstellen. Professionelle Kreative zeigen spielerisch und locker, wie sie Konstanz sehen und erleben.“

Weiter geht es dann mit einer Ausstellung der österreichischen Künstlerin Sarah Bildstein (5. – 21. Oktober), des Konstanzer Künstlers Dominik Böhringer (8. – 28. Oktober) sowie der Darstellung eines Künstlerkollektivs aus der Niederburg, die sich 100 Jahre vor ihrer Retrospektive als bohèmistisches Subjektiv präsentieren. Und Ye Wang, ursprünglich aus China, in Yale studiert, zeigt seine Videoarbeit „flat,flat,flat)“ im November im Erdgeschoss des Turms (2. November – 2. Dezember).

Neues Konzept braucht neue Mittel

Sarah Müssig, Leiterin des Kulturamtes, kämpft noch mit einigen Hürden. Diese sind natürlich finanzieller Natur. Bisher gibt es keinen Aufzug im Gebäude und ein Modell, das nicht den wenigen Platz der Ausstellungsräume noch weiter schmälert, sondern außen am Turm angebracht werden könnte, kostet dementsprechend mehr. Auch mit dem bisherigen Budget von 20.000 Euro ist das neue Konzept nicht realisierbar. „Das war ausreichend für das Angebot des Bildungsturmes, da die Aussteller mit fertigen Konzepten kamen und nur mehr Plakate gedruckt werden mussten. Wenn wir jetzt auch inhaltlich arbeiten, brauchen wir entsprechend mehr Mittel“, so Müssig.

Das Kulturamt hat daher für den kommenden Doppelhaushalt 80.000 Euro für die Bespielung des Turms angemeldet. Solange dieses Geld nicht bewilligt ist, arbeitet das Kulturamt mit Projekten, die zum Experimentieren einladen und Erfahrungswerte einbringen. „Wenn die Politik neue Wege in der Kunst fordert, muss es auch jemand fördern“, so die Leiterin des Kulturamtes. Das sieht die lokale Politik hoffentlich genauso!

Veronika Fischer (Foto: Beate Reichel)

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