Illustratoren aus aller Welt zeichnen das Theater

Wie kommen Künstler aus Brasilien, dem Iran, dem Libanon, und den USA an den Bodensee? Auf Umwegen. In diesem Fall über die Arabischen Emirate. Auf einer internationalen Kinderbuchmesse trafen sich die Künstler, die nun im Wasserturm ausstellen und somit eine Hommage an den pensionierten Konstanzer Schauspieler Hans Helmut Straub geben. Noch bis zum 10. November zeigen sich hier wunderschöne, feine Illustrationen zum Thema „Theater“.

Der Schauspieler Hans Helmut Straub stand 21 Jahre lang auf der Bühne des Konstanzer Stadttheaters und ist noch immer von Zeit zu Zeit mit Lesungen präsent. Auch künstlerisch ist er tätig. Durch seine Ausbildung zum Schriftsetzer faszinieren ihn Druckgrafiken besonders. „Ich hatte die Angewohnheit, zu großen und wichtigen Inszenierungen Linolschnitte zu fertigen. Hier zu sehen sind ‚Lear und sein Narr gehen in die Heide‘. In der Konstanzer Aufführung spielte den Narren mein verehrter Kollege Otto Schnelling, ein Mann von mehr als zwei Metern Körpergröße. Lear ist auf dem Bild die kleinere Figur mit Zylinder. Bei starkem Sturm und Regen treffen sie in einer verfallenen Holzhütte den wahnsinnig gewordenen Edgar, den mein Kollege Hans-Rudi Binswanger spielte“, so Straub über eines seiner Werke.

Alexandra Sternin ist mit Straubs Sohn Jakob liiert. Sie ist ebenfalls Künstlerin und fasziniert vom Leben und Schaffen ihres Schwiegervaters. Als sie auf einer Kinderbuchmesse in den Arabischen Emiraten weitere Künstler traf, die ebenfalls illustratorisch arbeiten, war schnell klar, dass eine gemeinsame Ausstellung wunderbar wäre. Zum Thema „Theater“ hatten alle der beteiligten Künstler einen Bezug und somit war auch der Ort klar: Konstanz. Die Ausstellung ist als Hommage an den Schauspieler zu sehen, der drei seiner eigenen Arbeiten hinzugefügt hat.

Im Wasserturm hängen sie nun neben den Aquarellen von Alexandra Sternin, die ein wenig an Picassos Artistenfamilie erinnern, aber reduzierter in ihrer Formsprache sind. Die Figuren haben einen femininen Ausdruck und zeigen spielerisch die Verbindung zwischen Tragik und Komik. Sternin ist in Russland geboren, in den USA aufgewachsen, zuletzt in Spanien wohnhaft gewesen und nun Designerin für eine NGO in Bonn. Die Figur des Narren wurde ihr von einer Wahrsagerin ans Herz gelegt, die aus den Blättern eines Tees die Verbindung der Künstlerin zu diesem Motiv herauslas. Die Faszination bestand aber schon seit Langem und so darf der Harlekin – oder die Harlekinsfrau – sich hier im Wasserturm von all seinen Seiten zeigen.

Düsterer blicken die Figuren von Hassân Zahreddine drein. Die ausgestellten Werke des libanesischen Grafikers und Illustrators zeigen Gesichter und einen Stuhl. „Sie könnten Tschechows Onkel Wanja, die Rattenfrau aus Ibsens Klein Eyolf sein und der Junge Eyolf selbst sein. Der Stuhl könnte sich in einer Szene befinden oder aber eine ausgemusterte Sitzgelegenheit hinter der Bühne“, so der Künstler. Er selbst hat seine Liebe zum Theater in den Büchern gefunden, nicht auf der Bühne: „Ich bin im Libanon zur Welt gekommen und wegen des Ausbruchs des Bürgerkriegs im Jahr 1975 gab es keine Theateraufführungen. In meiner Jugend fand ich Zuflucht vor den schrecklichen Dinge, die um mich herum passierten, beim Zeichnen und Lesen. Ich habe mich in das Theater verliebt, das ich in Büchern fand, aber nicht in das ‚echte‘, aufgeführte Theater. Meine ersten Theaterbesuche waren enttäuschend, da ich die intime Erfahrung des Lesens mit der Tatsache verglich, dass ich mich im Theatersaal inmitten einer Menschenmenge befand, während das Lesen mir die Freiheit gab, meiner Vorstellung freien Lauf zu lassen und das Stück Seite an Seite mit den Figuren zu erleben.“

Farbenfroh und detailreich hingegen präsentieren sich die Illustrationen der iranischen Künstlerin Fereshteh Najafi. Sie erinnern ein wenig an Chagall oder Klee und eröffnen kleine Welten in Rottönen, mit Reitern und Flugwesen, zwischen kleinen Häuschen und Wegen, die an geheime Orte führen. Man möchte hineinklettern und diese erkunden. Hier im Wasserturm ist Shakespears Sturm ihr Thema. „Meine Illustrationen zeigen den Auftakt des Theaterstückes. Zu sehen ist der Sturm, der über Meer und Schiff tobt, und Ariel, der den Sturm entfacht, während Prospero und seine Tochter das Schauspiel von der Insel aus beobachten“, so die Illustratorin, die bereits 25 international erschienene Titel für Kinder und Jugendliche illustriert hat.

Aus Brasilien stammt Daniel Cabral, der detailreiche, geometrische Illustrationen zum Theaterstück „La Vida es sueño – Das Leben ein Traum“ beigesteuert. Zu sehen ist ein kleiner König auf seinem Weg durch Landschaften, die aussehen, wie mathematische Patchworkkunstwerke. Er selbst sagt über seine Arbeiten: „Ich habe meine Illustrationen so gestaltet, als ob es sich um Poster oder Titelseiten für eine Kinderbuchausgabe handelte. Zu sehen ist König Basilius, der versucht, sich mithilfe seines Wissens von seinem Schicksal zu befreien, obgleich sein Wissen eines der Dinge ist, die sein Schicksal besiegeln werden.“

Zu sehen ist die liebevoll zusammengestellte Ausstellung mit Künstlern aus aller Welt bis zum 10. November jeweils mittwochs (12 – 15 Uhr) und sonntags (14 – 17 Uhr) im Wasserturm Stromeyersdorf.

Veronika Fischer (Text und Foto), Künstlerinterviews: Jakob Straub