Schluss mit lustig
Dass der Konstanzer Oberbürgermeister Uli Burchardt Probleme mit Kritik hat, ist allgemein bekannt. Vor allem unsere Berichte über sein Lieblingsprojekt „Bodenseeforum“ sind ihm ein Dorn im Auge. Da kann es schon mal passieren, dass er auch eine Satire nicht als eine solche erkennt und am Rad dreht. Das hat unsere Kollegin Anna Hunger von „Kontext“ aufmerksam werden lassen. Sie schrieb nachfolgenden Text, der anschließend auch in der „taz“ erschien und bundesweit für Gelächter sorgte.
Das Online-Magazin „Seemoz“ veräppelt das defizitäre Vorzeigeprojekt Bodenseeforum in Konstanz. Nun droht der Oberbürgermeister dem Autor der Satire mit rechtlichen Schritten.
In der Rubrik „schräg und schrill“ veröffentlichen die „Seemoz“-Redakteure gerne mal erstaunliche Geschichten, meistens auch noch exklusiv. Etwa über die „Parlamentarische Vorlage zur dauerhaften Verlegung von Fasching“. Eine parteiübergreifende Initiative, so hieß es da, wolle demnächst zum Thema aktiv werden. Hmhm. Ein anderes Mal ging es um die Modernisierung der Landtagswahl: „Neben der Entfernung der Plakatierung dürfte die Pflichtklausur (Kasernierung) aller Kandidaten wohl nicht so sehr ins Auge fallen, aber dennoch eine erhebliche Änderung des klassischen Procedere darstellen.“ Auch vermeintliche AfD-Slogans auf blauem Grund gab’s da zu lesen, beispielsweise „11 Euro Prämie für alle Eltern, die ihr Kind Adolf nennen.“ Oder die Forderung: „Leichterer IQ-Test für AfD-Wähler“.
Besonders hübsch ist auch der Bericht über den „Grauen Steinbeißer“, eine extrem seltene Spezies. Der residiert angeblich samt Familie im Gemäuer des Konstanzer Bahnhofs und darf laut Seemoz mindestens die nächsten 20 Jahre, wenn nicht gar bis zum Ende seines rund 70-jährigen Lebens nicht gestört werden. Auf keinen Fall jedenfalls durch Bauarbeiten, die den Bahnhof mit einem Aufzug ausstatten und dadurch behindertengerecht machen würden. Die jahrelange Planung bis hierhin: für die Katz.
In der Rubrik „schräg und schrill“ publizieren Hans-Peter Koch und Holger Reile, man vermutete es, satirische Texte zum politischen Geschehen in Konstanz und rund um den See. Und das nicht erst seit letzter Woche, sondern seit vielen Jahren. Beim Konstanzer Oberbürgermeister Uli Burchardt hat nun offenbar eine Satire der vergangenen Woche eine Sicherung zum Durchbrennen gebracht: Das Bodenseeforum, ein neues Veranstaltungshaus der Gemeinde, so schrieb Redakteur Holger Reile, solle an einen Möbelgiganten verkauft werden. Burchardt droht jetzt mit rechtlichen Schritten gegen den Autor.
Das BoFo, eine Steilvorlage für Satire
Mit ihrem Magazin sind die beiden Redakteure Koch und Reile die publizistisch-linke Gegenöffentlichkeit am See, die lokale Medienlandschaft dominieren die Schwäbische Zeitung und der Südkurier. Kritik am Konstanzer Oberbürgermeister Burchardt scheint schwierig: Es ist noch nicht lange her, da musste Michael Lünstroth, Ex-Redakteur beim Südkurier, zeitweise den Hut nehmen, weil er kritisch über das Stadtoberhaupt berichten wollte (Kontext berichtete).
Die Seemoz ist da unbequemer, gerade was die Stadtpolitik angeht, und knallt dem OB gerne mal bissige Texte vor den Latz. Vor allem Holger Reile, mit dezidiertem Insider-Wissen ausgestattet, sitzt er doch für die Linke Liste (LLK) im sonst eher konservativen Konstanzer Gemeinderat. In letzter Zeit gab es im dem Online-Magazin reihenweise Beiträge zum Bodenseeforum. Eine politische Mehrheit wollte die Mehrzweckhalle für 17 Millionen Euro, deren Nutzen von Anfang an fraglich war. Ein halbes Jahr später ist das Haus hochdefizitär. Mit Folgen (Kontext berichtete): Das Vorzeigeprojekt vor allem des Bürgermeisters entwickelt sich zum finanziellen Fiasko. Alleine in den vergangenen Monaten musste die Stadt rund 4 Millionen Euro zuschießen. Eine Steilvorlage also für bissige Satire-Texte eines Journalisten und Stadtrats, der mit seiner Fraktion dagegen gestimmt hat.
Am 14. März etwa publizierte die Seemoz einen Artikel unter dem Titel „Erdogan spricht im Bodensee-Forum“: „Samstag, 1. April, kommt Recep Tayyip Erdogan nach Konstanz, um unter den Deutsch-Türken für die von ihm angestrebte Verfassungsänderung zu werben.“ Die Mevlana-Moschee täte auch türkische Flaggen organisierten und würde – „gegen eine geringe Ausleihgebühr“ – Gebetsteppiche zur Verfügung stellen.
Wenig später hatte die Zeitung die Idee, das defizitäre Bodenseeforum – liebevoll „BoFo“ genannt – mittels eines Souvenir-Shops zu sanieren: BoFo-Ohrstöpsel sollte es da geben, brauchbar, „wenn wieder einmal zehn Minuten lang der Feuermelder nicht abzustellen ist“. Ebenfalls ein garantierter Kassenschlager: „gerahmte und handsignierte (!) Günther-Oettinger-Porträt-Fotodrucke mit verschiedenen witzigen Sprüchen über Ausländer“ oder das Gesellschaftsspiel „Wie baue ich ein Veranstaltungshaus?“ für nur 39,99 Euro.
Zumindest ein SPD-Stadtrat musste lachen
In „schräg und schrill“ vom 22. Juni fragte Holger Reile schließlich: „Kauft ein Möbelgigant das Bodenseeforum?“ Die IHK, derzeit im obersten Stockwerk ansässig, würde ausquartiert und „zukünftig hauptsächlich am Wochenende dabei mithelfen, an der Grenze die grünen Ausfuhrkassenzettel abzustempeln“. Ins Hauptgebäude zöge ein Schweizer Möbelgigant mit dem verdächtigen Namen „XXLGottfriedStutz“ aus dem Kanton Uri ein. Was ein Glücksfall! Die Konstanzer SPD jubiliere, schrieb die Seemoz, spräche gar von einer echten Jahrhundertchance, „denn auch Konstanzer haben ein Grundrecht auf Einbauküchen, Badezimmerteppiche und Wohnzimmerschränke“. Selbst der SPD-Stadtrat Jan Welsch, dem Reile das Pseudozitat in den Mund gelegt hatte, „musste lachen“, als er den Text las, wie er auf Nachfrage sagte.
Oberbürgermeister Uli Burchardt lachte nicht. Im Gegenteil. Einen Tag später zitierte er in einer Gemeinderatssitzung aus einem „Taschenbuch für Gemeinde- und Stadträte in Baden-Württemberg – Grundwissen für kommunale Mandatsträger“: Als „Grundpflicht“ von Gemeinderäten gelte „die allgemeine Treuepflicht“, so steht’s auf Seite 34, „sie haben demnach alles zu unterlassen, was die Interessen und Belange der Gemeinde schädigen oder beeinträchtigen könnte.“
Dann polterte der OB an Reile gewandt los: „Sie haben mit diesem Artikel über das Bodenseeforum dem Haus und damit der Stadt geschadet.“ Und das auch noch „vorsätzlich“. Der Text sei nicht als Satire erkennbar und der Schaden enorm. „Solche Meldungen gehen über Google-Alerts in die ganze Welt, die Kunden rufen dann an, die fragen: ‚Ist das richtig, dass ihr das Haus zumacht? Wir haben doch gebucht, wir wollten doch da grade kaufen.'“ Das Ganze würde finanzielle Folgen haben für das BoFo – wie auch schon die Erdogan-Satire direkt Kosten (200 Euro) erzeugte, weil die Stadt meinte, einen Sicherheitsdienst anheuern zu müssen, um das Haus zu schützen (keine Satire). Nun hat der Oberbürgermeister die Verwaltung gebeten, zu überprüfen, „ob die Stadt Konstanz und speziell der Gemeinderat akzeptieren muss, dass aus seiner Mitte eine solche Aktion gefahren wird.“ Im Klartext ist das eine Androhung rechtlicher Schritte.
Vielleicht liegen beim Rathauschef die Nerven blank
Zensur, meint Seemoz-Redakteur Reile. Der Südkurier berichtete über den Vorfall, der Deutsche Journalistenverband Konstanz hofft, dass „der OB das grundgesetzlich verbriefte Recht der Meinungsfreiheit anerkennt“ und gab eine Pressemeldung heraus: „Ein Stadtrat hat selbstverständlich das Recht, sich satirisch mit einem Projekt auseinander zu setzen und darüber zu schreiben. Ihn daran hindern zu wollen, wäre als verbotene Zensur zu werten.“ Und die Gewerkschaft Verdi lässt wissen: „Der Konstanzer Oberbürgermeister Uli Burchardt hat offenbar Mühe mit kritischer Berichterstattung; diese aber gehört zum Wesen der Demokratie.“ Das Stadtoberhaupt kümmert all das wenig: Auch kurz vor Redaktionsschluss hat der OB seine Meinung nicht geändert und hält an seiner Drohung fest.
Womöglich liegen beim Rathauschef die Nerven blank, weil sich das Bodenseeforum als millionenschwere Investition einfach nicht rechnen will. Vielleicht geht es auch gar nicht um diesen Artikel. Burchardt steht derzeit nicht nur mit dem Bodenseeforum unter Druck. Zunder gibt’s derzeit in Konstanz auch von den Buchhandlungen, weil denen die Stadtverwaltung einen pro Jahr bis zu 170 000 Euro schweren Auftrag entzieht: Bücher, Fachzeitschriften und Loseblattsammlungen sollen künftig außerhalb der Stadt eingekauft werden. Und noch etwas schwelt da: Barbara Burchardt, Ex-Frau des Oberbürgermeisters, hat einen Beratervertrag beim Bodenseeforum bekommen, um das Geschäft mit dem Haus voranzutreiben. Rechtlich ist das nicht zu beanstanden. Die Seemoz schreibt dazu – diesmal ganz ohne Spuren von Satire in der Rubrik „Lokal und Regional“: „Nachhaltig und nicht zum ersten Mal grüßt das G’schmäckle Marke Konstanz.“
Anna Hunger in „Kontext“ am 28.6.2017