Was für eine Antwort aus Lodi

Mit „Entsetzen und Enttäuschung“ reagiert Sara Casanova, Bürgermeisterin der Konstan­zer Partnerstadt Lodi, auf einen Brief der Oberbürgermeister von Fontainebleau und Konstanz. Darin hatten Frédéric Valletoux und Uli Burchardt die Bürgermeisterin, Mit­glied der rechtsextremen Partei Lega, zur Rücknahme einer Regelung aufgefordert, die Kinder aus Flüchtlingsfamilien faktisch von öffentlichen Schulleistungen ausschließt. Zuvor hatte die Linke Liste Konstanz vor­ge­schlagen, die Partnerschaft auszusetzen. Jetzt kam das Antwortschreiben aus Lodi – dazu ein Kommentar:


Lodi, 30. Oktober 2018

An die Bürgermeister von Konstanz und Fontainebleau

Mit Entsetzen und Enttäuschung habe ich das Schreiben gelesen, welches die Bürgermeister von Fontainebleau und Konstanz zeitgleich an mein Sekretariat und an die italienischen und ausländischen Tageszeitungen geschickt haben. Entsetzen und Enttäuschung, verursacht durch die Haltung der französischen und deutschen Behörden, die sich nicht die Mühe gemacht haben, verlässliche und gründliche Informationen bezüglich der jüngsten Ereignisse zu erhalten, welche Lodi in den Mittelpunkt des Interesses internationaler Medienbehörden katapultiert haben, dies leider mit häufigen Mißverständnissen und inhaltlichen Verfälschungen des Ziels der Regelungen, die von unserer Regierung erlassen wurden.

Die Belegschaft der zeremoniellen Dienststelle der Gemeinde von Lodi hat einen einzigen Anruf eines Beamten aus Konstanz erhalten, welcher dazu gebeten wurde, sich an die Beschäftigten der Kommunikation der Gemeinde Lodi zu wenden und an den verantwortlichen Direktor der Verwaltung der Städtepartnerschaften, da diese ihm alle nötigen Erläuterungen hätten darlegen können. Allerdings folgte aus Konstanz weder ein weiterer Anruf, noch wurde ich vom Bürgermeister der Zwillingsstadt oder seinen Mitarbeitern persönlich kontaktiert. Auch die Verwaltung der Stadt Fontainebleau hat dieselbe Haltung eingenommen: Sie haben uns weder angerufen, noch haben sie Anfragen auf Klärungen übermittelt.

Stattdessen musste ich schwere Kritiken an unsere Verwaltung in den Zeitungen lesen, ebenso wie Aussagen, die einen wirklichen Eingriff in die Verwaltungspolitik dieser Stadtverwaltung darstellen. Demgegenbüber glaube ich nicht, dass die Gemeinde von Lodi sich jemals in die Entscheidungen der Partnerstädte eingemischt hat.

Wir werden beschuldigt “ein xenophobisches und diskriminierendes politisches Programm” umgesetzt zu haben, “welches ohne Gnade und Beachtung vorallem die Kinder betrifft”. Es wird ebenso impliziert, dass die verabschiedeten Regelungen in Lodi an “die dunkelsten Stunden unserer Geschichte” erinnern. Abschließend laden uns die Bürgermeister von Fontainebleau und Konstanz dazu ein “diese Entscheidung rückgängig zu machen und diese unwürdige Situation zu unterbinden”. Es handeln sich hierbei um schwerwiegende Behauptungen, die, wie ich denke und hoffe, von den inkorrekten und verbreiteten Informationen und Interpretationen der Medien motiviert wurden und welche, leider, und dies bekräftige ich, nicht ordnungsgemäß von den zuständigen Personen verifiziert wurden.

Keiner Familie wurde der Zugriff auf schulische Dienstleistungen verwehrt, jedoch, um die Ermäßigungen zuzuweisen, muss zunächst geprüft werden, wer diese wirklich benötigt. Die Bürger, die keine Erleichterung erhalten, können dennoch auf die Dienstleistungen (die in Italien nicht obbligatorisch, sondern akzessorisch sind, und somit mit einer freien Entscheidung der Mitgliedschaft seitens der Familien verbunden sind) zurückgreifen, indem sie die höchste Kategorie der vorgesehenen Gebühren zahlen.

Ich bin mir sicher, dass es kein diskriminierender Akt ist, eine zusätzliche Bescheinigung zu verlangen, sondern vielmehr eine einfache Einhaltung des Prinzips der Gleichheit zwischen den italienischen Bürgern und den Bürgern die nicht der europäischen Union angehören.

Aus diesem Grund wird die Verwaltung der Stadt Lodi fest bei ihrer Entscheidung bezüglich dieser Verordnung bleiben, welches es in keinster Weise zu widerrufen beabsichtigt. Darüber hinaus frage ich mich, ob es nicht eher angebracht wäre, auf Ereignisse ganz anderer Schwere aufmerksam zu machen, die sich in diesen Tagen an der italienischen Grenze auf Anordnung der französischen Behörden ereignet haben.

Für die Zukunft, falls diese Freundschaft fortgeführt wird, zähle ich auf direktere Beziehungen frei von medialen und politischen Eingriffen, die in dieser Angelegenheit die Wahrheit der Fakten komplett verändert haben.

Sara Casanova
Bürgermeisterin von Lodi


Kommentar: Ein starkes Stück

Da verbittet sich eine Bürgermeisterin die ohnehin schon diplomatisch formulierte Kritik ihrer europäischen Kollegen. Das tut sie dreist nach dem Motto: Angriff ist die beste Verteidigung. Statt auf die Vorhaltungen sachlich zu antworten, geht sie ihrerseits zur Attacke über, stellt die Städtepartnerschaft infrage und spart auch nicht mit Seitenhieben auf „internationale Medien“. Kaum ein Wort zum Vorwurf der Diskriminierung, mit der die Stadtverwaltung Lodi die Flüchtlingsfamilien in ihrer Stadt drangsaliert – stattdessen ein trotziges „Weiter so“.

Dieses Antwortschreiben bedarf einer Reaktion, solche Rechtfertigung rassistischer Politik darf nicht unwidersprochen bleiben. Und unter Partnern schon gar nicht. Der Vorschlag der LLK, die Städtepartnerschaft mit Lodi zumindest zeitweise auszusetzen, gewinnt nach dieser italienischen Replik neue Aktualität. Denn jetzt darf niemand mehr einfach nur zur Tagesordnung übergehen.

hpk (Foto der Stadt Konstanz zeigt Bürgermeisterin Casanova beim Antrittsbesuch in Konstanz)

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