Fahrradstadt Konstanz?

Anfang August wurde in Konstanz die zweite „Fahrradstraße“ eröffnet. Seitdem steht an der Zählstelle an der Fahrradbrücke die stolze Bezeichnung Fahrradstadt. Ein hochtrabender Begriff. Mittlerweile haben rund 700.000 Fahrräder diese Zählstelle passiert; die tägli­chen Passagen sind jahreszeitlich bedingt rückläufig. Den ersten Teil des Projekts in der Schottenstraße konnte Mensch noch als Roh­projekt durchgehen lassen; im Laufe der Zeit würden Korrekturen verwirklicht, die ein vernünftiges Resultat zeitigen. Soweit eine wohlwollende Annahme.

Inzwischen aber offenbart die Weiterführung der Route, dass die Verwaltung nicht lernfähig ist. Sie ist nicht willens oder fähig, konsequent zu handeln angesichts klarer Fakten. Dass Autoverkehr ungesund bis tödlich ist. Dass das Fahrrad in der Ökobilanz eine einsame Spitzenstellung einnimmt. Dass Menschen ein Recht haben, besser behandelt zu werden als Karosserien aus Chrom, Stahl und Glas.

Die blaue Theaterschminke auf der Petershauser bzw. Jahnstraße kann nicht darüber hinweg täuschen, dass, schlimmer noch als in der Schottenstraße, Autos den Verkehr dominieren. Festzuhalten ist, dass eine Fahrradstraße mit darauf erlaubtem Autoverkehr ein schlechter Witz ist, garniert mit leicht perversen Facetten. Der Fahrradweg entlang der Bahnlinie zeigt, wie man es besser machen kann. Auch der ist kein Paradies für Radler; immerhin aber versuchen keine Stahlmonster, sich an Menschen ohne Knautschzone anzukuscheln.

Was fehlt an der ansonsten beinahe anstandslosen Trasse, ist eine Ampel am Bahnübergang Schneckenburgstraße. Apropos Ampel: Der Schaltzyklus an der Ampel am Zähringerplatz wie auch der in der Riedstraße – rekordverdächtig. Mit ein wenig bösem Willen könnte man diese als Beihilfe zur fahrlässigen Körperverletzung bezeichnen.

Großzügig wurde ein Tempolimit von 30 km/h verfügt. Wie wird die Einhaltung kontrolliert? Allein der Hinweis auf die Blitzer auf der neuen Rheinbrücke hat erstaunlich zivilisierend gewirkt, zeit-/teilweise zumindest. Radarkontrollen in der Petershauser Straße bzw. Jahnstraße könnten dazu beitragen, dass die Sicherheit der Radler erhöht wird. Unverbesserliche Verkehrsrowdies würden den Entzug der Fahrerlaubnis riskieren, das wäre ein weiterer Pluspunkt.

RadfahrerInnen in Konstanz können nicht wirklich in die Lobgesänge der „Verantwortlichen“ über die „Fahrradstadt Konstanz“ einstimmen. Dazu fehlt es an durchgängig mit Vorfahrt ausgestatteten Wegen. Es gibt zu viele Hindernisse, deren Beseitigung offensichtlich durch die Profilierungssucht der zuständigen Stellen in den Hintergrund gedrängt werden.

Markierungen können das nicht kaschieren. Sie machen im Gegenteil zornig. Und nähren den Wunsch, die Verantwortlichen probeweise ihrer Karossen für ein Jahr zu entledigen. Sie erleben zu lassen, was sie – planvoll – angerichtet haben. Als Sahnehäubchen losgeschickt, ausgebremst durch Tranquilizer, im Nacken Ferrari-Fahrer voller Adrenalin. Man wird ja wohl noch träumen dürfen.

P. Stribl (Text und Bild)