Wohnungsmarkt: Wahnsinn ohne Ende
Dass der Immobilienmarkt auch in Konstanz Ausmaße angenommen hat, die man teilweise der organisierten Kriminalität zuordnen kann, steht außer Frage. MieterInnen werden schikaniert, wie beispielsweise im Fall voNOvia, Quadratmeterpreise von 12 bis 15 Euro aufwärts sind mittlerweile die Regel. Unbezahlbar sogar für Gutverdienende. Aber auch wer Wohneigentum erwerben möchte, muss sehr viel Geld in die Hand nehmen, wie das Projekt „Laubenhof“ auf dem alten Vincentius-Gelände zeigt.
Südkurier-Redakteurin Sandra Pfanner berichtete kürzlich, dass Mietwohnungen im Stadtteil Paradies für Normalverdiener nicht mehr zu bezahlen sind. Sie führt ein Beispiel an: 125 Quadratmeter für eine Warmmiete von 2150 Euro. Kein Einzelfall. Wer genug Kohle habe, so Pfanner weiter, dürfe sich in der Fischenzstraße bewerben, dort entstünden neue Wohnungen, die teilweise schon Käufer gefunden hätten. Kaufpreis für eine 120 Quadratmeter-Wohnung: Rund eine Million Euro. Neu ist das nicht. Doch Kollegin Pfanner spendet ihren LeserInnen leise Trost und verweist auf das Vincentius-Areal, auf dem 126 neue Wohnungen gebaut werden. Sie schreibt: „Hoffen auf das Vincentius-Areal: Entstehen hier bezahlbare Wohnungen?“
Sicher nicht, und das war auch zu befürchten. Mehr als die Hälfte der dort geplanten Wohnungen werden zu Höchstpreisen verhökert, und dass die wenigen Mietangebote für NormalbürgerInnen bezahlbar sein werden, glaubt auch keiner.
Wohin die Reise geht, zeigt folgender Fall. Sabine K. (vollständiger Name der Redaktion bekannt), sucht schon seit längerem eine Wohnung und nahm mit einem beauftragten Makler für den Laubenhof Kontakt auf. Frau K. signalisierte Kaufinteresse und bekam recht schnell diese Angebote:
„Sehr geehrte Frau …
vielen Dank für das sehr angenehme Telefonat und Ihr Interesse an unserem Neubauvorhaben Laubenhof.
Ihrem Wunsch entsprechend erhalten Sie folgende Unterlagen zum Laubenhof:
Nachfolgend erhalten Sie eine Übersicht zu unseren im Pre-Sale angebotenen Eigentumswohnungen:
– 1 Zimmer, ca. 41 m² Wohnfläche, Kaufpreise ab 279.000 €
– 2 Zimmer, ca. 50 – 80 m² Wohnfläche, Kaufpreise ab 329.000 €
– 3 Zimmer, ca. 73 – 139 m² Wohnfläche, Kaufpreise ab 479.000 €
– 4 Zimmer, ca. 96 – 162 m² Wohnfläche, Kaufpreise ab 639.000 €
– 5 Zimmer, ca. 128 – 152 m² Wohnfläche, Kaufpreise ab 839.000 €
Zu jeder Wohnung gehören ein Keller sowie ein Stellplatz in der Tiefgarage.
Die Stellplätze sind den Wohnungen fest zugeordnet beginnen ab 36.000 € Kaufpreis.
Für einen individuellen Beratungstermin in unserem Showroom und weitere Fragen stehen wir Ihnen jederzeit gerne zur Verfügung (…)“
Rechnet man genau, werden für die kleinste Wohnung mindestens 280 000 Euro fällig. Wer einen Stellplatz für sein Blech braucht, wird zusätzlich mit 36 000 Euro gemolken. „Das Projekt“, so Sandra Pfanner, sei „ein wichtiger Baustein des Handlungsprogramms Wohnen, befindet sich aber in Investorenhand …“. Das entspricht den Tatsachen, denn der Gemeinderat hat mit großer Mehrheit beschlossen, das Areal für rund 10 Millionen Euro dem Investor LBBW (Landesbank Baden-Württemberg) zu überlassen.
Mehrmals hat die Linke Liste Konstanz (LLK) gefordert, die Stadt möge das Grundstück kaufen, eigenständig entwickeln und dafür sorgen, dass bezahlbarer Wohnraum entsteht. Doch mit dieser Forderung stand die LLK völlig allein auf weiter Flur. Nicht mal von den Fraktionen der SPD und FGL gab es Unterstützung. So erweist sich das Handlungsprogramm Wohnen (HaProWo) als veritabler Rohrkrepierer, und ein privater Investor darf sich erneut ob der zu erwartenden Gewinne am Laubenhof die Hände reiben.
H. Reile (Foto: gbp-Architekten)
Mehr zum Thema:
17.11.17 | Nächster Schritt auf dem Vincentius-Gelände
Die Wohnungen werden jetzt noch „attraktiver“ feilgeboten, diese Preise werden aktuell (29.01.2019) kommuniziert:
„Nachfolgend erhalten Sie eine kleine Übersicht zu unseren im Pre-Sale angebotenen, freifinanzierten Eigentumswohnungen:
- 2 Zimmer, ca. 50 – 80 m² Wohnfläche, Kaufpreise ab 349.000 €
- 3 Zimmer, ca. 73 – 139 m² Wohnfläche, Kaufpreise ab 569.000 €
- 4 Zimmer, ca. 96 – 162 m² Wohnfläche, Kaufpreise ab 749.000 €
- 5 Zimmer, ca. 128 –152 m² Wohnfläche, Kaufpreise ab 899.000 €
Zu jeder Wohnung gehören ein Keller sowie ein Stellplatz in der Tiefgarage.
Die Stellplätze sind den Wohnungen fest zugeordnet und beginnen ab 36.000 € Kaufpreis.“
Und die Stadt glaubt auch noch wirklich, die Investoren um das Siemens Areal werden sich besser verhalten…
Konstanz für Konstanzer (wie es in der Laubenhof-Vermarktung genannt wird)? Wir werden mittelfristig mit unseren beiden Kindern (2 und 4 Jahre) Konstanz verlassen müssen.
Wollte man die oben genannte kleine Wohnung (6.805 €/m²) kaufen, um sie zu vermieten und (ohne Kaufnebenkosten, ohne irgendeine eigene Rendite, ohne Instandhaltungs- und Leerstandsrückstellungen, Feuerversicherung und ohne Zins- und Zinseszins) einfach nur sein dafür eingesetztes Geld in 25 Jahren wiederbekommen, würde dies eine Monatsmiete von 930 Euro bzw. eine Quadratmetermiete von 22,68 Euro (zweiundzwanzig Euro achtundsechzig) nettokalt bedeuten.
Führt man sich dann vor Augen, dass das reine Planen und Bauen selten deutlich mehr als 3.000 €/m² kostet (entspricht auf den Quadratmeter und 25 Jahre umgelegt 10 €), darf man die Frage stellen, wer eigentlich Empfänger der übrigen 3.805 €/m² ist, und ob irgendeine echter Gegenwert diese Zahlung rechtfertigt.
Wie der Wohnungsmarkt in den „Schwarmstädten“ funktioniert, zeigt „Die Anstalt“ vom 23.10.2018 sehr anschaulich:
https://www.zdf.de/comedy/die-anstalt/die-anstalt-vom-23-oktober-2018-100.html
Der Beitrag ergänzt den von Anke Schwede verlinkten 3Sat-Beitrag, der die Aspekte der Geldwäsche und politischen Intransparenz einbringt, sehr gut.
Dass es auch anders geht, zeigen die Projekte des Mietshäusersyndikats im ähnlich teuren Freiburg. Dort sind jüngst in Eigenregie der späteren Bewohner drei Häuser im KfW55-Energiestandard entstanden, deren Mieten dauerhaft bei 6,55-7,00 Euro liegen.
https://www.syndikat.org/de/projekte/lama/
https://3haeuserprojekt.org/
Zum Thema empfehle ich die Sendung „Kulturzeit“ vom 14. November: „Offene Städte trotz Wohnwahnsinns“, abrufbar in der der 3sat-Mediathek.
http://www.3sat.de/mediathek/?mode=play&obj=77169
Trotz Hochkonjunktur im Bausektor fehlt in den Groß- und Mittelstädten bezahlbarer Wohnraum, das Kapital verdrängt die eingesessenen BewohnerInnen. In Konstanz derzeit am Beispiel der Mieterdrangsalierung und Vertreibung durch den Miethai Vonovia zu betrachten, der durch überzogene Sanierungsmaßnahmen maßlos höhere Mieten kassieren will (s. o.).
Der amerikanische (Stadt-)Soziologe Richard Sennett fordert einen Kampf der BürgerInnen und Bürger um ihre Städte. Unter anderem hat er einen Katalog für die UNO verfasst, der Maßnahmen enthält, wie Spekulation und Gentrifizierung eingeschränkt werden können. Und er entwirft eine Utopie der offenen Stadt für alle. Das Gegenkonzept „Gated Communities“, abgeschottete Wohnkomplexe mit verschiedenen Arten von Zugangsbeschränkungen, gehören Sennetts Meinung nach verboten.