Weniger ist meist mehr

Weiterhin will die Stadt an einigen Großveranstaltungen festhalten, die seit Jahren ziemlich direkt an den Bedürfnissen eines großen Teils unserer Bevölkerung vorbeigehen. Nun liegt ein neues Veranstaltungskonzept vor, das doch einige Fragen aufwirft, denn an eine Reduzierung oder Abspeckung des bisherigen Angebots ist nicht gedacht. Anlass dafür gäbe es aber genug.

Beispiel Seenachtsfest: Durch den überregionalen Zulauf mit all seinen negativen Auswirkungen ist diese Massenveranstaltung zu einer echten Belastung in fast jeder Beziehung geworden. Wie wäre es, diese Festivität deutlich herunterzufahren und ihr einen lokalen Charakter zu verleihen? Passt das Wetter, macht vor allem der Stuttgarter Veranstalter fette Beute, der Stadt selbst spült der Anlass nicht mal 10.000 Euro in die Kasse. Prinzipiell sollten wir darauf verzichten, weiterhin eine hysterische Eventkultur zu fördern, denn sie ist in der Regel alles andere als nachhaltig.

Damit ist auch der bajuwarische Seuchenimport Oktoberfest gemeint. Allein die oft gehörte Bemerkung, dabei handle es sich um eines der größten Volksfeste auf unserer Scholle und deswegen sei es nicht hinterfragbar, greift da nicht. Zumindest sollte dem Veranstalter ein zeitlicher Rahmen gesetzt werden, denn bislang konnte er selbst bestimmen, wie lange auf Klein Venedig die schlecht eingeschenkten Maßkrüge gestemmt werden. Außerdem muss gefragt werden, was eigentlich die Stadt konkret davon hat. Am Dirndl- und Lederhosenverkauf ist sie ja wohl nicht beteiligt. Auch hier sollte unser zukünftiges Augenmerk verstärkt auf Qualität und weniger auf Quantität gerichtet sein.

Auch das Weinfest wird wohl in etwa so weitergeführt. Allerdings darf sich nicht wiederholen, dass Bürgerinnen und Bürger Eintritt bezahlen müssen, wenn ihnen lediglich der Sinn danach steht, über den Stephansplatz zu laufen. Das hat beim letzten Weinfest berechtigterweise für viel Unmut und Ärger in der Bürgerschaft gesorgt. Kritisch zu hinterfragen wäre auch der Weihnachtsmarkt, dessen ständige räumliche und auch zeitliche Ausdehnung mittlerweile die Grenzen der Belastbarkeit erreicht hat.

Eher mit Sympathie zu betrachten ist die neuerdings angedachte Möglichkeit, neben den offensichtlich unvermeidbaren Großveranstaltungen sogenannte Wildcards zu vergeben. Da besteht durchaus die Chance, neue und sinnvolle Angebote zu machen. Wie wäre es beispielsweise, wenn wir an einem Wochenende in der Innenstadt unseren ehrenamtlichen Initiativen – ohne die wir ziemlich alt aussähen – anbieten würden, sich darzustellen? Ähnliches könnte zum Thema Verkehr angedacht werden, unter dem Motto: Wie sieht die Mobilität der Zukunft auch in unserer Stadt aus?

Vorstellbar wäre auch ein Treffen für Gaukler, Theaterleute, Straßenmusiker aus nah und fern oder Filmvorführungen unter freiem Himmel, in etwa an der Stelle, wo früher das Scala-Kino war … Ich bin mir sicher, mit etwas Hirnschmalz und Fantasie könnten wir über diese Wildcards Veranstaltungen planen, die sich angenehm abheben von bier- und weinseliger Schunkelei.

Und, nicht zu vergessen: Wie wäre es denn, vorab die BürgerInnen zu fragen, welche Veranstaltungen sie überhaupt möchten?

H. Reile