Büdingen-Park: 10.000 Euro pro Woche

Eine Chance für den Tourismus oder rück­sichts­lose Bebauung einer Grünfläche? Konstanz debattiert und streitet seit Jahren über den Bau eines Luxus­hotels am Boden­see­ufer. Eine Geschichte, die viel über den Zustand unserer Gesellschaft verrät. Nun ist das Thema über den Konstanzer Suppenteller hinaus­geklettert und wird auch in Stuttgart wahr­ge­nom­men. Hier der zusammen­fassen­de Text von Michael Lünstroth, geschrieben für das Wochenmagazin Kontext.

Dies ist eine Geschichte über Misstrauen. Über Politiker, die sich nicht verständlich erklären und Bürger, die Politik manchmal auch nicht verstehen wollen. Im Kern geht sie so: Ein Schweizer Investor möchte auf einer der letzten freien Grünflächen im rasant wachsenden Konstanzer Stadtteil Petershausen ein Luxushotel bauen. Ziel: Das so genannte Büdingen-Areal. 40.000 Quadratmeter groß, nur wenige Meter vom Bodenseeufer entfernt, liegt es an der Konstanzer Flaniermeile Seestraße. Früher stand hier ein Sanatorium, heute liegt hinter den seit Jahrzehnten gut verriegelten Toren ein kleiner Stadtwald. Und bald könnte hier ein Fünf-Sterne-Haus eröffnen, das irgendwas zwischen Reha-Klinik und Hotel sein will. 113 Zimmer sind geplant, Gesundheitsprävention und Ernährungsberatung sollen im Fokus stehen, Ärzteservice inklusive. Der Preis: 3500 bis 10.000 Euro pro Woche.

Rein rechtlich dürfte der Investor schon jetzt bauen. Das Gelände gehört ihm, beziehungsweise der von ihm gegründeten Sea Palace AG, die Stadt hat eine Baugenehmigung erteilt. Sollten die anhängigen Rechtsstreitigkeiten für den Bauherrn erfolgreich ausgehen, könnte er sofort loslegen. Die eigentliche Frage aber ist: Ist, was rechtlich erlaubt ist, auch richtig? Das ist dann der Punkt, an dem diese Geschichte in mindestens drei Versionen zerfällt: Die des Investors, die der Anwohner und einer Bürgerinitiative und die der Stadt Konstanz.

Hansjürg Buff ist für einen Unternehmer seiner Kontogröße gar nicht so schwer zu erreichen wie man denken würde. Er antwortet selbst auf Mails und ruft sogar zurück, wenn man ihn darum bittet. Buff ist 59 Jahre alt, Vater von acht Kindern und will sich mit seinem Hotel in Konstanz seinen letzten großen Traum erfüllen. Lange habe er nach einem passenden Grundstück gesucht. „Als sich die Gelegenheit in Konstanz mit dieser einmaligen Lage auftat, hüpfte mein Hotelier-Herz“, schwärmt er im Gespräch mit Kontext. Er meint es ernst, er will dieses Hotel auf jeden Fall bauen. Baubeginn soll im Frühling 2019 sein, Eröffnung im Sommer 2021. Weder der Gestaltungsbeirat der Stadt noch das Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Freiburg könnten ihn stoppen, ist er überzeugt. Und wenn doch? „Selbst wenn das Gericht gegen das Projekt urteilt, würde gebaut. Dann eben nach der bereits seit 1991 vorliegenden Baugenehmigung.“

Es klingt ein bisschen wie eine Drohung, aber Buff dürfte das tatsächlich machen. Vor 27 Jahren hatte die Stadt einem fast doppelt so groß geplanten Vorgänger-Projekt auf dem Areal eine Baugenehmigung erteilt, die immer noch gültig ist. Das ist mit ein Grund, weshalb der Hotelier, der rund ums schweizerische St. Moritz bereits sechs Hotels betreibt, derzeit noch recht entspannt auf das Geschehen in Konstanz blickt. Die Debatten um seine Pläne hat er natürlich mitbekommen. Die Gegner seien vor allem „ein paar Schreihälse, denen es nur ums Prinzip, aber nie um die Sache“ gehe. „Würden die über ihren Horizont hinausschauen, könnten sie merken, dass mein Gesundheits-Hotel das gesamte Quartier aufwerten wird“, so der 59-Jährige. Andererseits: Buff hat auch nicht immer alles dafür getan, Vertrauen aufzubauen. Mit seiner Strategie aus Maximalforderungen zu stellen, dann Stück für Stück davon abzurücken, um am Ende doch mehr zu bekommen als eigentlich erlaubt, hat er viele irritiert. Ans Ziel gekommen ist er damit dennoch.

Die ersten Bäume auf dem Gelände hat er bereits fällen lassen. Auch die umstrittenen Ideen eines Außenschwimmbeckens und eines großen Café-Pavillons verteidigt er, beides komme auf jeden Fall. Außerdem sei es doch toll, dass der Park durch sein Projekt nun wieder zugänglich werde für die Öffentlichkeit. Durchlaufen ist also okay, was Buff nicht so okay fände: „Picknicken im Park oder sonstige Verweilmöglichkeiten jenseits des Café-Pavillons sind nicht vorgesehen.“  Insgesamt sieht der Investor durch sein Hotel keine nachbarschaftlichen Rechte verletzt: „Zu groß sind die Grenzabstände und dies wohlgemerkt in einer Stadt.“

An dieser Stelle würden Anneliese Fearns und Patrick Pfeiffer vermutlich sehr vehement widersprechen. Sie vertreten den Verein Bürgerpark Büdingen. Ihr Hauptziel: Möglichst viel vom Park als Park erhalten. Sie betonen die Bedeutung des Areals als grüne Lunge für ihren boomenden Stadtteil. „Wir sind überzeugt, dass man die Stadt für alle Menschen ansprechend gestalten muss. Nicht nur Konsum und Luxus sollten bedient werden, sondern es sollte auch etwas für normale Bürger geben“, sagt Patrick Pfeiffer. Ein attraktiver Park in Bodenseenähe wäre für ihn so etwas. Die Möglichkeit dazu gab es. Vor Jahren hätte die Stadt das Gelände für 10 Millionen Euro kaufen können. Die Stadt lehnte ab: Zu teuer. Eine vertane Chance, finden die Parkschützer. Dass für das Hotel jetzt schon über 50 Bäume gefällt wurden, schmerzt sie sehr. Auch, weil sie wissen, dass das erst ein Anfang war: „Der Hotelier wird möglichst freie Sicht auf den See wollen. Das werden nicht viele Bäume überleben“, befürchtet Pfeiffer.

Seit den 1970er Jahren gibt es Ideen für eine Bebauung des Geländes, Patrick Pfeiffer selbst hat als achtjähriger Bub an Protesten dagegen teilgenommen. Es gab hier schon unzählige Pläne: 11-geschossige Wohntürme sollten hier ebenso entstehen wie ein Hotelhochhaus in Segelform. Investoren kamen und gingen. Die Bürgerinitiative blieb. Ob man es sich da vielleicht auch ein bisschen zu bequem eingerichtet habe und jetzt mit allen Mitteln nur eigene Pfründe verteidigen wolle? Pfeiffer und Fearns winken ab. Das Etikett der Fortschrittsverweigerer und Besitzstandswahrer, das ihnen nun bisweilen angeheftet wird, weisen sie von sich: „Es ging uns nie um unseren persönlichen Vorteil, wir machen das für eine lebenswertere Stadt“, sagt Anneliese Fearns.

Die aktuellen Pläne des Investors Buff sehen sie kritisch: „Es gibt keine Not, dem Investor mehr zu erlauben als im Bebauungsplan vorgesehen ist. Trotzdem geschieht das. Wir fragen uns, warum eigentlich“, sagt Pfeiffer. Tatsächlich liegen die Pläne rund 12 Prozent über dem, was laut Bebauungsplan an Bauvolumen zulässig wäre (53.000 Kubikmeter), das Gebäude soll auch drei Meter höher werden als ursprünglich erlaubt. Hier werde einem Investor etwas zugestanden, was die Stadt einem Privatmann niemals durchgehen ließe: „Jede Dachgaube wird so akribisch geprüft auf Einhaltung und hier agiert man so nachlässig. Das können wir nicht nachvollziehen“, sagt Patrick Pfeiffer. Von der Politik führt sich der Verein allein gelassen. Der Gemeinderat habe sich dem Investor ergeben und der Stadt fehle es insgesamt an einer Vision für die Entwicklung der Stadt, sagt Anneliese Fearns. Man kann das so sehen. Aber andererseits: Gilt als Vision nur, was zu den eigenen Vorlieben passt?

Bei der Stadt ist man inzwischen vorsichtiger geworden, was man über das Projekt öffentlich sagt. Ein zugesagtes Interview mit Baubürgermeister Karl Langensteiner-Schönborn für diese Geschichte wurde erst wochenlang verschleppt und dann schließlich kurz vor Weihnachten abgesagt: „Da die Gerichtsentscheidung aussteht, führen wir zur Zeit keine Interviews.“ Am Verwaltungsgericht (VG) Freiburg ist ein von Anwohnern angestrengtes Verfahren anhängig, das die Rechtmäßigkeit der Baugenehmigung prüfen soll. Eine Entscheidung in der Sache werde frühestens in der zweiten Januarhälfte fallen, so Klaus Döll, Vorsitzender Richter am VG Freiburg, auf Nachfrage. Erst nach einem Urteil dort will dann auch das Regierungspräsidium Freiburg die Einsprüche prüfen, die hier eingegangen sind, erklärt ein Sprecher der Behörde.

Die Haltung des Konstanzer Baubürgermeisters zum Hotelprojekt ist aber ohnehin kein Geheimnis, er ist ein Fan des Vorhabens. Auch Oberbürgermeister Uli Burchardt hatte sich in der Vergangenheit positiv zu den Plänen geäußert. Ansonsten lautete die Argumentationslinie immer: Die Erteilung der Baugenehmigung sei eine baurechtliche Angelegenheit, die Politik habe da nichts zu melden. Im Grundsatz ist das richtig: Eine einmal erteilte Baugenehmigung kann der Gemeinderat nicht einfach ändern. Aber andererseits: Eine Politik, die ständig, die eigene Machtlosigkeit betont, stärkt das Vertrauen der Bürger in die Politik jetzt auch nicht unbedingt. Zumal es Leute gibt, die sagen, da wäre mehr Mitbestimmung drin gewesen.

Marcel Kau zum Beispiel: „Die Aufstellung eines neuen Bebauungsplanes hätte eine stärkere Beteiligung des Rates bedeutet. Das wollte man offenbar nicht“, sagt Kau, der Professor am Lehrstuhl für Öffentliches Recht, Europarecht und Völkerrecht der Universität Konstanz ist. Der Jurist berät die Anwohner, die Einsprüche gegen das Hotelprojekt eingereicht haben. Aus seiner Sicht legt die Stadt den Bebauungsplan rechtswidrig aus, das gesamte Projekt sei zu hoch, es überschreite ober- und unterirdische Baugrenzen. Das hätte die Aufstellung eines neuen Bebauungsplans gerechtfertigt. Er sagt: „Die Stadt will dieses Prestigeprojekt so sehr, dass sie nicht mehr die neutrale Genehmigungsbehörde ist, die sie eigentlich sein müsste.“ Indizien dafür findet er in der im September erteilten Baugenehmigung. Diese sei widersprüchlich formuliert, die Politik habe hier Einfluss genommen, vermutet er, um sich alle Türen offen zu halten.

In der Vergangenheit hatte die Stadt auch schon argumentiert, dass die teilweisen Überschreitungen der Baupläne schon okay seien, weil der Bauherr an anderer Stelle die Vorgaben auch unterschreite. Es erweckte den Eindruck, als ließe sich das miteinander verrechnen. Jurist Kau hält das für abwegig: „Das lässt mich am Verstand und den rechtlichen Kenntnissen der Verantwortlichen zweifeln. Ich habe jedenfalls bislang keinen Beleg dafür gefunden, dass so etwas vor Gericht Bestand haben könnte“, so Kau. Wohl auch deshalb sieht er das Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Freiburg als ergebnisoffen an: „Das kann noch ein sehr unerfreuliches Erwachen für die Stadt geben“, meint Kau.

Michael Lünstroth (Foto: Uli Riebe)

Der Text erschien zuerst bei www.kontextwochenzeitung.de