100 Jahre Frauenwahlrecht in der Singener „Färbe“

Dass am 19. Januar 1919 Frauen erstmals an reichsweiten Wahlen teilnehmen konnten, war kein Geschenk wohlwollender Männer – sie hatten sich dieses Recht erkämpft, mit unermüdlicher Überzeugungsarbeit und vor allem Hartnäckigkeit. Der SPD-Kreisverband Konstanz ehrt am 22. Januar drei Frauenrechtlerinnen, die sich den Mund nicht verbieten ließen, mit einem politisch-kulinarischen Theaterabend: Hedwig Dohm, Marie Juchacz und Clara Zetkin.

127 Jahre nach Olympe de Gouges’ „Erklärung der Rechte der Frau und Bürgerin“, 69 Jahre nach Louise Otto-Peters Aufruf an die Frauen, vereint „das Recht der Mündigkeit und Selbständigkeit im Staat“ einzufordern, und 27 Jahre nach Aufnahme des Frauenstimmrechts ins SPD-Parteiprogramm wurde endlich Wirklichkeit, wofür sie gekämpft hatten: Am 12. November 1918 kündigte die provisorische Revolutionsregierung in Berlin gleiche, geheime, direkte, allgemeine Wahlen an und damit das aktive und passive Wahlrecht für Frauen.

In den Monaten zuvor war es in deutschen Großstädten zu großen Frauendemonstrationen gekommen. Treibstoff war die Ignoranz des Kaisers, der aus Angst vor Aufständen eine Wahlrechtreform angekündigt, dabei aber die Frauen übergangen hatte. Die während des Kriegs verstummten Stimmrechtsaktivistinnen waren darüber derart empört, dass sie sich erstmals über soziale Grenzen hinweg zusammenrauften und geschlossen Druck aufsetzten, auf den Straßen, in Versammlungen, bei den Politikern. Der Kaiser ging, die Frauen blieben.

Wenn die Schauspielerin Margret Schröder am kommenden Dienstag in die Rollen der drei Frauen schlüpft und mit Auszügen aus Briefen und Reden deren Gedanken und Visionen auf die Bühne bringt, dann dürften die pointiertesten von Hedwig Dohm (1831–1919) stammen. Die Schriftstellerin und feministische Theoretikerin sezierte die männliche Borniertheit mit spitzer Feder und ätzendem Humor.

Clara Zetkin (1857–1933), Initiantin des Internationalen Frauentags, war als Frauensekretärin im SPD-Zentralvorstand und Redakteurin der Frauenzeitung „Die Gleichheit“ eine der rührigsten Vertreterinnen der proletarischen Frauenbewegung. Bei den Wahlen am 19. Januar 1919 hatte sich die pazifistische Marxistin aber längst von der revolutionsunwilligen SPD abgewandt (und saß dann dreizehn Jahre lang für die KPD im Reichstag).

Zetkins Funktion und Redaktionsaufgaben in der SPD hatte daraufhin Marie Juchacz (1879–1956) übernommen. Sie war eine von 37 Frauen, die 1919 in die Weimarer Nationalversammlung gewählt wurden, und hielt dort als erste Frau eine Rede, wobei sie für Erheiterung sorgte, weil sie – ungewohnt für damalige Männerohren – die Abgeordneten mit „Meine Herren und Damen“ begrüßte. Der Frauenanteil lag damals übrigens bei 8,7 Prozent und damit etwas höher als der des Deutschen Bundestags Anfang der 1980er-Jahre.

Es wird also frauenpolitisch am Theaterabend in der Singener „Färbe“, und ja, zu essen gibt es auch etwas: Zwischen den Auftritten wollen die GenossInnen mit kleinen Genüssen aufwarten.

Brigitte Matern/MM

Foto: Die Schauspielerin Margret Schröder als Marie Juchacz (Quelle: SPD-Kreisverband Konstanz)


100 Jahre Frauenwahlrecht: ein politisch-kulinarischer Theaterabend
Dienstag, 22. Januar, 19.30 Uhr, Theater „Die Färbe“, Singen, Schlachthausstr. 24.

Der Eintritt ist frei, um Spende und Anmeldung wird gebeten.