Kreuzlinger zieht in den Nationalrat ein
Die Taktik ging auf: Bei der Stichwahl am Sonntag um den zweiten Thurgauer Sitz im Ständerat, der kleinen Kammer des eidgenössischen Parlaments, ging Brigitte Häberli, Kandidatin der CVP, mit großem Abstand vor Max Vögeli ins Ziel, der für die FDP den Sitz erobern wollte. Damit geht nun auch der Traum des Kreuzlinger Journalisten Christian Lohr in Erfüllung, der doch noch in den Nationalrat einziehen kann.
Da seine Parteikollegin Häberli zwar bei der Nationaratswahl vor drei Wochen ihren Sitz in der großen Kammer verteidigte, nun aber erste Frau aus dem Thurgau im Ständerat wird, kann Lohr als Zweitplatzierter auf der CVP-Liste diesen Sitz übernehmen. Das Nachsehen hat die Thurgauer FDP. Sie hat vor drei Wochen ihren bisher angestammten Sitz im Nationalrat verloren, nun misslang auch der Sprung in den Ständerat. Die Thurgauer FDP, viele Jahre mit Ernst Mühlemann führend, ist also künftig in Bern nicht mehr vertreten. Bemerkenswert in übrigen auch diesmal wieder die Wahlbeteiligung: Sie lag bei gerade mal 30,5 Prozent.
Einiges stand auf dem Spiel
Zum Abschluss wurde es dann doch noch einigermaßen heftig in diesem insgesamt im Thurgau eher unspektakulären Wahlkampf rund um die eidgenössischen Parlamentswahlen. Aber es ging ja auch um einiges bei dieser Stichwahl für den noch freien Sitz im Ständerat. Die Thurgauer FDP musste unbedingt den Verlust ihres Sitzes bei der Nationalratswahl vor drei Wochen kompensieren, um wenigstens durch einen Sitz im Ständerat überhaupt noch in Bern vertreten zu sein.
Für die Thurgauer CVP hingegen war wichtig, ihren angestammten Sitz im Ständerat nach dem Rückzug der früheren Regierungsrates Philipp Stähelin zu halten. Und so wurden mit allen Mitteln Wähler mobilisiert, wurde auch heftig Stimmung gemacht für und gegen die beiden Kandidaten, wobei für manchen FDP-Anhänger selbst Diskriminierung und Diffamierung kein Tabu mehr war, etwa wenn behauptet wurde, Christian Lohr könne wegen seiner Behinderung das Amt eines Nationalrates nicht ausüben.
„Wir sind Nachbarn“
Christian Lohr hat es also geschafft, nachdem er bei den Wahlen 2003 und 2007 jeweils knapp hinter seiner Parteikollegin aus dem Hinterthurgau lag. Für den Kreuzlinger, der an der Uni Konstanz studiert hat, ist dies sicherlich auch eine Bestätigung seiner langjährigen intensiven politischen Arbeit, unter anderem im Kreuzlinger Gemeinderat und im Kantonsparlament, aber auch seines Engagements auf dem Gebiet der Behindertenarbeit, die dem schwer Contergangeschädigten ein besonderes Anliegen ist.
Mit dem 49 jährigen, der dem sozialen Flügel der CVP zugerechnet wird, zieht im übrigen endlich wieder ein Thurgauer in das eidgenössische Parlament ein, der sich „für Kreuzlingen und die Region“ stark machen will, und mit „Region“ nicht nur den Thurgau meint, sondern seinen Blick durchaus auch über die Grenze richtet, die deutsche Nachbarschaft mit einbezieht. „Für mich besteht nicht die Frage, ob wir Nachbarn sein wollen. Wir sind es!“, sagt der künftige Kreuzlinger Nationalrat. „Die Euregio Bodensee bilden wir gemeinsam“, der gegenseitige Austausch über die Grenze hinweg sei die Voraussetzung, um Fragen wie Fluglärm, Wirtschaftsbeziehungen oder Verkehrsplanung gemeinsam anzugehen und Lösungen zuzuführen.
Autorin: R. Klett