SchülerInnenstreiks: „Wir sind laut, weil ihr uns die Zukunft klaut“

Tausende Schülerinnen und Schüler haben am vergangenen Freitag in über einem Dutzend Schweizer Städten gegen die derzeitige Klimapolitik demonstriert. In Zürich waren auch SchülerInnen der Kreuzlinger Kantonsschule (Gymnasium) dabei. Obwohl er Vorbehalte gegen die Streiks hat, hat der Rektor die SchülerInnen vom Unterricht befreit, so die „Thurgauer Zeitung“.

Das erste Mal hat am Freitag der Klimastreik der Schweizer SchülerInnen auch auf die französischsprachige Westschweiz übergegriffen. Und wenn man den zahlreichen Veröffentlichungen glaubt, haben die Lausanner SchülerInnen mit über 8000 Teilnehmenden auch gleich die größte Einzeldemo auf die Beine gestellt.

In Zürich, St. Gallen, Aarau, Luzern, Basel, Bern und weiteren Städten sollen es nach Angaben der Mitveranstalter von den Jusos noch einmal über 10.000 gewesen sein. Damit war der dritte Schulstreik an einem Freitag der bisher größte in der Schweiz. Es sieht nicht so aus, als würden sich die SchülerInnen von Strafandrohungen oder Bedenken Erwachsener von der Teilnahme abhalten lassen.

Öffentliche Aufmerksamkeit gibt’s nicht für Gehorsam

Nicht alle Schulen bzw. deren Leitungen waren nämlich – wie der Kreuzlinger Rektor – bereit, ihre SchülerInnen für die Demo-Teilnahme offiziell vom Unterricht zu beurlauben. In St. Gallen beispielsweise gab es Stimmen, die fanden, die SchülerInnen bekämen einen Zeugniseintrag, wonach sie unentschuldigt den Unterricht nicht besucht hätten. Normalerweise nennt man so etwas „schwänzen“, aber anscheinend will man das jetzt doch nicht mehr so negativ bezeichnen. Andererseits: Wann hätte so eine Bemerkung im Zeugnis schon mal SchülerInnen wirklich abgeschreckt?

Denn diese haben längst das kapiert, was ihr Streikvorbild Greta Thunberg dazu vor einiger Zeit sagte: Wenn sie in der unterrichtsfreien Zeit gegen die derzeitige Klimapolitik demonstrierte, würde das keinen Menschen interessieren. Deshalb müsse es eben ein Unterrichts-Streik sein.

„… ab id Chischte“

In Zürich fragte ein Schüler einen „TagesAnzeiger“-Journalisten: „Wieso sollen wir in der Schule sein, wenn vor uns die Welt kaputt geht?“ Statt dessen gingen sie mit Transparenten und Plakaten auf die Strasse: „Don’t destroy earth – it’s were I get my Raclette“, mahnte eine Kreuzlinger Schülerin ironisch. In Aarau forderten Teilnehmer laut „Blick“: „Öl-Lobbyisten – ab id Chischte“ (= ab in den Knast). In allen bestreikten Orten war der Slogan beliebt: „Wir sind hier, wir sind laut, weil ihr uns die Zukunft klaut“.

Es ist nicht anzunehmen, dass die wegen der unbefriedigenden Klimapolitik streikenden SchülerInnen ab kommendem Freitag dem Wunsch mancher Internet-Kommentierenden nachkommen werden und ihre Streiks auf den unterrichtsfreien Samstag verschieben. Denn sie wollen Aufmerksamkeit, damit der Klimaschutz in der Politik mehr Aufmerksamkeit bekommt.

Wobei die SchülerInnen oft besser informiert sein dürften als ihre erwachsenen KritikerInnen – beispielsweise, wenn sie sich per Plakat gegen den Handel mit Emissionsrechten stellen, mit dem die Schweizer Industrie die CO2-Ziele erreichen will. Die SchülerInnen waren der Meinung, diese Ziele müssten mit inländischen Maßnahmen erreicht werden – und nicht damit, dass man daheim weitermacht wie bisher, aber anderen Staaten Zertifikate abkauft, weil dort der CO2-Ausstoss kostengünstiger zu senken ist.

Bevor der nächste Schulstreik am nächsten Freitag über die Bühne geht, kommt die „Mutter“ dieser Protestaktionen von Mittwoch bis Freitag in die Schweiz: Die 16-jährige Greta Thunberg besucht während des Worl Economic Forums (WEF) in Davos die dortigen UmweltaktivistInnen und –forscher des Arctic Basecamp, das den Klimawandel an den Veränderung in der Arktis aufzeigt. Thunberg reist dazu nach eigenen Angaben mit dem Zug an. Denn sie hat bereits 2016 beschlossen, aus Gründen des Klimaschutzes nicht mehr zu fliegen. Dafür nimmt sie für Hin-Rückfahrt 65 Stunden Bahnfahrt in Kauf.

Lieselotte Schiesser

Nachbemerkung der Redaktion: Auch hierzulande tut sich langsam etwas, in vielen deutschen Städten schließen sich SchülerInnen dem Protest an (hier gibt es eine Übersicht). Vielleicht auch bald in Konstanz, Radolfzell und Singen?