Die Kreuzlinger Traumpartei

Vor den Wahlen große Versprechungen im Parteiprogramm, nach den Wahlen nichts davon gehalten. Dieser oft gehörte Vorwurf wird die „Partei der Secondi“ – also der Nachkommen von Einwanderern – nicht treffen, die in Kreuzlingen Ende März erstmals zu Wahlen antritt. Und das nicht, weil sie garantiert prinzipientreu wäre, sondern weil sie gar kein Programm hat.

Das ist kein Spott politischer Gegner, sondern die Aussage des Kreuzlinger Parteigründers Zoran Mitrovic, selbst eingebürgerter Kroate, gegenüber Schweizer Zeitungen. Denen er auch erklärte, es gebe „keinen besseren Schweizer“ als ihn.

Und wer die Homepage der „Partei der Secondi“ anschaut, wird auch nicht klüger. Das Parteiprogramm soll erst entworfen und geschrieben werden, wenn die Partei mindestens 70 Mitglieder hat. Seit ihrer Gründung im Herbst 2018 sind es aber noch immer nur zwei: Mitrovic und Ehefrau. Und das, obwohl es laut Mitrovic kein Problem sei, Mitglieder zu finden.

Partei für Eingebürgerte

Nur zwei Ziele hat der Parteigründer bisher genannt: Er will seine Partei zu derjenigen machen, in der sich die in der Schweiz eingebürgerten ehemaligen AusländerInnen sammeln, und die Partei soll sich strikt in der politischen Mitte aufhalten. Nicht gesagt wird dabei, wo denn die politische Mitte ist. Alle, die mit Politik zu tun haben/hatten, wissen, dass zum Beispiel Jungsozialisten unter „Mitte“ etwas anderes verstehen, als die SVP oder gar die Partei national orientierter Schweizer (PNOS) – in Deutschland wahlweise die Linke und die NPD. Mitrovic selbst hatte 2011 bei den Kreuzlinger Gemeinderatswahlen als Parteiloser die Liste der Sozialdemokraten komplettiert, war aber nicht gewählt worden. Heute will er „Konföderation, Demokratie, Neutralität, Toleranz und Lebensstandard“ verteidigen.

Eingebürgerte bereits im Parlament vertreten

Da die politische Einstellung der neuen Partei im Nebel liegt, kann man sich mal mit der Erfolgsaussicht für eine Partei beschäftigen, die ein Sammelbecken für Eingebürgerte sein soll. Einerseits wohnen in Kreuzlingen mehr Leute ohne, als mit Schweizer Pass. Andererseits dürfen die ohne Schweizer Staatsangehörigkeit nicht wählen oder stimmen und sind auch nicht Ziel der neuen Partei. Die will ja nur Mitglieder, die bereits eingebürgert, also SchweizerInnen sind.

Für die aber gibt es bereits die bestehenden Parteien, die auch ein Programm haben. Bei denen neu Eintretende also wenigstens wissen, ob sich die Vorstellungen der Partei mit ihren eigenen einigermaßen decken. Und wenn man den Kreuzlinger Gemeinderat (Parlament) unter die Lupe nimmt, dann sieht man, dass bereits mehrere Eingebürgerte Mitglied sind – in unterschiedlichen Parteien. Auch in der Stadtregierung – dem Stadtrat – waren die Secondi schon vertreten. Es scheint nicht so, als ob Eingebürgerte politisch in Kreuzlingen keine Chance hätten.

Warum sollten Eingebürgerte also einer neuen „Partei der Secondi“ beitreten, die auch noch 1000 Franken Jahresbeitrag verlangt? Die Mitglieder werden per Parteistatuten zusätzlich verpflichtet, sich weiterzubilden, weil man ja nicht als Politiker zur Welt komme. Sie sollen auch „klar und deutlich formulieren, sowie Kommunikations- und Präsentationstechniken beherrschen“ und sich offensiv für die Partei engagieren, in der Zoran Mitrovic alleine entscheidet, wen er in die Partei aufnimmt. Die zu verteidigende Demokratie scheint in der Partei einen eher schweren Stand zu haben.

Mindestens 2,5 Prozent der Stimmen

Bei den Gemeinderatswahlen kann Mitrovic Ende März also erstmals testen, ob außer ihm noch andere das Bedürfnis nach einer programmlosen Partei umtreibt. Bisher sitzt im Kreuzlinger Stadtparlament bereits eine Gruppierung, die immer mit nur einem Kandidaten antritt: „Rägebogä/Egelshofen“ besteht allein aus Christian Forster, Dachdecker aus dem Ortsteil Egelshofen.

Er politisiert in der Fraktion der Freien Liste mit – der Kreuzlinger Variante der Grünen. Er hatte 2015 ziemlich genau jene 2,5 Prozent der Stimmen geholt, die man braucht, um einen der 40 Gemeinderatssitze zu erobern. Das waren 4237 Stimmen, die Mitrovic bei gleich tiefer Wahlbeteiligung von nicht einmal 30 Prozent erst einmal anderen Parteien abnehmen müsste.

Lieselotte Schiesser