„Halbherzige Lösungen gegen Wohnungsnot“

„Wer mehr bezahlbare Wohnungen in Radolfzell will, muss eine grundlegend andere Baupolitik machen,“ sagt Günther Weiss, Vorstandsmitglied des Mieterbunds Bodensee. Projekte wie die von der Stadt Radolfzell vorgestellte Vermieter-Prämie von 2000 Euro helfen zwar einzelnen Betroffenen, seien aber allenfalls als Ergänzung geeignet. „Den Bedarf an Wohnraum für Menschen mit niedrigeren und mittleren Einkommen kann die Stadt so nicht decken.“

Dennoch begrüßt der Mieterbund in seiner aktuellen Pressemitteilung, dass die Stadt Radolfzell dieses einzelne Element aus dem Wohnraumprogramm des Landes umsetze und die Landeszuschüsse für Radolfzeller BürgerInnen abrufe. „Jede Wohnung für Bedürftige, die zusätzlich auf den Markt kommt, hilft“, erklärt Weiss. Allerdings sei diese Vermietungs-Prämie eher ein verlorener Zuschuss, für den die Stadt nur ein auf wenige Jahre befristetes Belegungsrecht erhalte. Wenn diese Rechte auslaufen, starte man wieder mit null Wohnungen am Ausgangspunkt. Auch das Programm „Sicheres Vermieten“ sei zwar sinnvoll, werde aber nur geringe Effekte erzielen.

Eine Wohnungsbaugesellschaft muss her

Daher seien eigene Investitionen der Stadt Radolfzell in den sozialen Wohnungsbau die bessere Alternative, um Wohnungsnot bei Menschen mit niedrigen und mittleren Einkommen zu bekämpfen. Doch die Stadt lasse umfangreiche Fördermöglichkeiten des Landes ungenutzt. Auch andere Bauträger, die in den sozialen Wohnungsbau investieren wollen, gebe es in Radolfzell kaum. Daher sei die Entscheidung einer konservativen Gemeinderatsmehrheit gegen eine eigene Wohnungsbaugesellschaft der Stadt eine verpasste Chance gewesen. Dabei könnte die Kommune auf eigenen Grundstücken mit Hilfe von Zuschüssen und zinslosen Darlehen des Landes risikolos bezahlbare Wohnungen selbst errichten. Die Hausverwaltung ließe sich problemlos an externe Dienstleister vergeben. Die Wohnungen selbst blieben jedoch im öffentlichen Eigentum. Mit dieser Strategie könne die Stadt langfristig das Preisgeschehen auf dem Mietwohnungsmarkt beeinflussen, so Weiss weiter.

Derzeit sei es bezeichnend, dass sich die Stadt Radolfzell für den geplanten Bau von acht Sozialwohnungen loben lasse, für den sie aber erst einmal einen Investor suchen müsse. Dies zeige, dass „baulandpolitische Grundsätze“ für sich alleine noch keine bezahlbaren Wohnungen schaffen. „Oberbürgermeister Martin Staab und der Radolfzeller Gemeinderat sollten sich daran erinnern, dass die Hälfte der Radolfzeller BürgerInnen zur Miete wohnen,“ mahnt der Mieterbund Bodensee.

Zweckentfremdungsverbot fehlt

Weiss verweist auf ein weiteres Instrument, um vorhandene Wohnungen an den Wohnungsmarkt zu bringen: So habe die Nachbarstadt Konstanz positive Erfahrungen mit einer Satzung gemacht, die die Zweckentfremdung von Wohnraum verbiete. Vor allem Vermittlungsportale wie „AirBnB“ sorgten dafür, dass Touristen in attraktiven Stadtzentren, und dazu gehört auch Radolfzell, immer mehr Mieter verdrängen. Eine Zweckentfremdungssatzung könnte dagegen helfen, ist Weiss überzeugt.

Der Mieterbund Bodensee vertritt etwa 8000 Mieterhaushalte im Landkreis Konstanz und im westlichen Bodenseekreis. Die Organisation unterhält vier Beratungsstellen, darunter auch in Radolfzell. Beratung im Mietrecht wird angeboten und auch Unterstützung gegen Mieterhöhungen und falsche Nebenkostenabrechnungen.

MM/hr


Weitere Infos: www.mieterbund-bodensee.de


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