Konstanz in der ersten Liga – beim Mietenwahnsinn
Es gibt Hitlisten, auf denen die Beteiligten lieber nicht ganz vorne auftauchen wollen. In diese Kategorie fällt gewiss ein letzte Woche veröffentlichtes Ranking jener deutschen Städte, in denen MieterInnen die höchsten Preise fürs Wohnen zahlen müssen. Konstanz liegt unter den Top 30 der teuersten Pflaster auf Platz 17 – noch vor Frankfurt und Düsseldorf. Der Bodensee-Mieterbund nimmt das Ergebnis zum Anlass, neue Regeln für die Berechnung von Mietspiegeln zu fordern.
Verantwortlich für den am 20. Februar veröffentlichten „Mietspiegelindex“ zeichnet das auf Wohnen und Immobilien spezialisierte Forschungsunternehmen F+B, das dafür die offiziellen Mietspiegel von 350 deutschen Städten ausgewertet hat. Das Ergebnis bestätigt, dass die Mieten in Deutschland kontinuierlich weiter steigen, 2018 im Schnitt um 2,2 Prozent, und damit stärker als im Jahr zuvor.
Neben den üblichen Verdächtigen wie München, Stuttgart, Hamburg oder Frankfurt/Main tauchen im Ranking des Mietenwahnsinns zunehmend auch kleinere Städte und Gemeinden auf – Folge der höheren Nachfrage in den Umlandgemeinden der Großstädte. So hat im Vergleich der ortsüblichen Vergleichsmieten die Kleinstadt Karlsfeld im Landkreis Dachau erstmals München als teuerste Kommune des Landes abgelöst.
Für eine 65-Quadratmeter-Wohnung in mittlerer Lage und mit mittlerer Ausstattung zahlte man 2018 dort eine Nettokaltmiete von 10,62 Euro pro Quadratmeter und damit 53 Prozent mehr als im deutschen Durchschnitt, in München wurden dafür 10,45 Euro (Indexwert: 151 Prozent) fällig, Stuttgart folgt mit 9,97 Euro (144 Prozent) auf Platz drei der teuersten Pflaster. Zumindest beim Mietniveau kann nach dieser Auswertung auch Konstanz Großstadtniveau vorweisen: Mit rund 8,50 Euro oder 124 Prozent landete die Bodensee-Stadt noch einen Platz vor Frankfurt und Düsseldorf auf Rang 17 der Top 30.
Mietspiegel reformieren
Dabei unterschätze die angewandte Methodik von F+B noch das derzeitige Konstanzer Mietniveau, sagt Winfried Kropp, Sprecher des Mieterbundes Bodensee: Da für Konstanz „die Werte der letzten Mietspiegel-Fortschreibung aus dem Jahr 2017 berücksichtigt wurden, liegen die tatsächlichen Preise über den ermittelten Werten.“ Die Mieterorganisation mahnt deshalb eine Reform der gesetzlichen Mietspiegel an. „Hohe Mieten für neu abgeschlossene Mietverträge treiben nicht nur in Konstanz, sondern bundesweit das gesamte Mietpreisniveau nach oben“, so Kropp. Da derzeit nur die Daten der letzten vier Jahre als Berechnungsgrundlage dienten, seien „viele günstige und faire Mieten“ daher „gar nicht mehr mietspiegelrelevant“. Die Folge: Der Mietspiegel wirkt bei Neuvermietungen als zusätzlicher Preistreiber.
Der Bodensee-Mieterbund fordert die Bundesregierung deshalb auf, einen versprochenen Gesetzentwurf zur Neuregelung der ortsüblichen Vergleichsmiete nun „unverzüglich auf den Weg zu bringen“. Im September hatte Berlin beim sogenannten Wohnungsgipfel angekündigt, den maßgeblichen Berechnungszeitraum von vier Jahren verlängern zu wollen. Geschehen ist bislang allerdings nichts. Die Mieterorganisation ist deswegen inzwischen bei den Bundestagsabgeordneten Andreas Jung (CDU) und Johannes Fechner (SPD) vorstellig geworden.
Nur eine Baustelle von vielen
Klar ist: Eine Mietspiegelreform ist überfällig. Sie wäre allerdings nur eine von vielen Stellschrauben, an denen gedreht werden müsste, um die Mietenexplosion einzudämmen. Längst bietet das Wohnraummietrecht keinen ausreichenden Schutz mehr vor der grassierenden Spekulation mit dem Betongold. Ein Beispiel dafür ist etwa die verunglückte Mietpreisbremse, die sich, wie Studien belegen, mit ihren vielen Ausnahmeregelungen als untauglich erwiesen hat, ein anderes die durch die sogenannte Modernisierungsumlage gesetzlich begünstigte Überwälzung von Sanierungskosten auf die Mietparteien. In der Konstanzer Schwaketenstraße müssen gegenwärtig BewohnerInnen schmerzlich erfahren, dass ihnen ihr Vermieter Vonovia so ganz legal bis zu 40 Prozent mehr Miete abknöpfen darf.
Verschiedene Organisationen und Parteien, etwa die Linke, fordern deshalb eine umfassende Überarbeitung des Mietrechts mit dem Ziel, soziale Schutzstandards bindend zu verankern. Nötig seien zudem geeignete Maßnahmen gegen die Immobilienspekulation, bis hin zur Enteignung, sowie vor allem eine Offensive im Sozialwohnungsbau.
Der Konstanzer Mietspiegel übrigens wird dieses Jahr neu erarbeitet, erstmals unter Beteiligung der Gemeinden Allensbach und Reichenau. Ändert sich an den Berechnungsgrundlagen nichts, kann er Profitjägern erneut als willkommener Mietpreiserhöhungsspiegel dienen.
jüg (Quellen: F+B-Mietspiegelindex 2018, MM Mieterbund Bodensee)