Zoffingen macht mobil

Der Streit um das geplante Heim der Caritas in der Niederburg ist nach der Fällung von Kastanien auf dem bisherigen Schulhof (Foto) eskaliert. Die Initiative Zukunft Zoffingen wendet sich in einem Brief an den OB und hat dem Landtag eine Petition eingereicht. Parallel wurde eine Unterschriftenaktion begonnen, die der Petition mehr Nachdruck verleihen soll. Die Initiative wendet sich nicht nur gegen die Dimensionen des Heims, sondern schlägt auch eine „Rückkehr zu demokratischen Umgangsformen“ vor.

Im Folgenden dokumentieren wir mehrere Texte, mit denen sich engagierte KonstanzerInnen an die Öffentlichkeit wenden.


I. Demokratie wagen

Die Initiativen Bürgerpark Büdingen und Zukunft Zoffingen haben folgende gemeinsame Erklärung veröffentlicht:

„Trump, Putin, Erdogan – rücksichtslose Durchsetzung ist auf dem Vormarsch, auf Kosten demokratischer Umgangsformen.

Was in der Weltpolitik geschieht, macht vor Konstanz nicht halt:

Hier sehen wir: Ebenfalls ohne Rücksicht und ohne die fehlende Baufreigabe werden von der Caritas und Herrn Buff schon mal Bäume gefällt – ganz so, als bräuchte man auf niemand Rücksicht zu nehmen.

Hier hören wir: „Ich werde das Ding sowieso bauen, die Beschwerden sind mir zunächst einmal wurscht.“ (Hans Jörg Buff)

Hier spüren wir, es läuft etwas ganz gewaltig falsch.

Doch die Stadtverwaltung findet das unterstützenswert!

Auch die Mehrheit des Gemeinderates findet das unterstützenswert!

Wir wünschen uns Rücksicht!

Wir wünschen uns eine Rückkehr zu demokratischen Umgangsformen!

Wir wünschen uns, dass alle Menschen dieser Stadt von ihrem Wahlrecht Gebrauch machen und zeigen, was ihnen ein menschliches Miteinander und demokratische Umgangsformen wert sind.“


II. Brief an den OB

Stephan Schulz, ein Aktivist aus Zoffingen, hat dem Oberbürgermeister Uli Burchardt am 22.02.2019 einen offenen Brief geschrieben, nachdem der OB ihn in der Bürgerfragestunde des Gemeinderates auf den Schriftweg verwiesen hatte. Ihm geht es um die Fällung der Kastanien durch die Caritas.

„Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,

bei der Bürgerfragestunde hatten Sie mir nahegelegt, ich solle Ihnen schriftlich mitteilen wenn ich eine Entscheidung eines städtischen Amtes anzweifle.

Ich zweifle allerdings nicht an einer Entscheidung eines städtischen Amtes, da ich davon ausgehe, dass kein Amt eine so weitreichende Entscheidung wie die Baumfällung auf dem Hof des Zoffingen ohne Ihre Zustimmung trifft. Alles andere würde die Führungsstrukturen der Stadtverwaltung in einem nicht mehr vertretbaren Maß infrage stellen.

Die Frage geht also erneut an Sie – diesmal schriftlich:
Wie kann es sein, dass Sie eine Fällgenehmigung erteilen, bevor die strittige, derzeit noch beim Regierungspräsidium liegende Angelegenheit entschieden ist?
Klar ist doch, dass der Wunsch nach Erhalt der Kastanien einer der wichtigsten Punkte war, weshalb Einwohner Einspruch eingelegt haben!

Klar ist damit auch, dass eine Fällgenehmigung die Rechte von Anwohnern auf einen Widerspruch de facto ad absurdum führt: Ein entscheidender Widerspruchsgrund wurde so bereits vernichtet.

Selbst, wenn das formaljuristisch nicht zu beanstanden wäre, offenbart das in meinen Augen ein höchst bedenkliches Verständnis des demokratischen Rechtsstaates, in dem wir leben!

Meine Frage also noch einmal: Wie kann es sein, dass Sie als Oberbürgermeister durch einen solchen Vorgriff auf noch ausstehende Entscheidungen die Rechte der Bürger derart hintergehen?“


III. Kurzfassung der Petition

Die Zoffinger wenden sich mit einer Petition an den Landtag. Hier zunächst die Schilderung der Ausgangssituation aus ihrer Sicht:

„Grund der Petition ist der Umgang der politischen Gremien Stadt Konstanz mit einem Bauantrag der Caritas Konstanz.

Inhaltlich geht es darum, dass die Caritas das größte Pflegeheim der Stadt mit 100 Pflegeplätzen im Marienhaus betreibt. Dieses Pflegeheim kann aufgrund gesetzlicher Bestimmungen so nicht fortgeführt werden. Anstelle eines Umbaus vor Ort plant die Caritas eine Umsiedlung dieses Heims an die Stelle einer früheren Schule.

Dabei liegt das Marienhaus in einem moderat bebauten Altstadtteil. Die Umgebungsstraßen sind von Gehwegen gesäumt und problemlos für Rollator- und Rollstuhlfahrer nutzbar. Für Besucher und Anlieferer gibt es kaum Hindernisse.

Nun soll ein Umzug stattfinden in die Niederburg, den bei weitem dichtest bebauten Stadtteil, den Konstanz zu bieten hat: Die umliegenden Gassen sind so schmal, dass sich keine zwei Autos begegnen können. Sie sind gepflastert, steigen zur Innenstadt hin an und werden von allen Verkehrsteilnehmern gemeinsam genutzt. Das macht sie zur Hürde für Rollator- und Rollstuhlfahrer. Auf der anderen Seite des geplanten Heimes liegt eine vielbefahrene Straße.

Da das vorhandene Schulgebäude zu klein ist für die über 100 (!) Bewohner, die es zukünftig aufnehmen soll, ist ein zusätzlicher Baukörper im ursprünglichen Schulhof geplant, dem 4 alte Kastanien in diesem eng bebauten und damit baumarmen Stadtteil zum Opfer fallen sollen. Der Baukörper soll über 17 m hoch werden und bis auf wenige Meter an die gegenüberliegenden mittelalterlichen Häuser heranreichen, die mindestens 5 m niedriger sind.“

Und hier eine Zusammenfassung der Petition für Eilige:

„Die Petition will kein Pflegeheim verhindern, sie will nur, dass es den Verhältnissen vor Ort entspricht.

Die Petition richtet sich dagegen, dass ein Bebauungsplan abgelehnt wurde, der eine demokratische Beteiligung sowohl der gewählten Volksvertreter als auch eventuell der Bevölkerung selbst ermöglicht hätte.

Die Petition richtet sich auch dagegen, dass über ein Vorhaben von großem öffentlichen Interesse geheim verhandelt wurde.

Die Petition richtet sich weiter dagegen, dass das Projekt an eine Baubehörde durchgewunken wurde, die für die Größe von Dachgaupen zuständig ist und nicht für das Vermitteln bei gegensätzlichen Interessen in der Bevölkerung.

Die Petition richtet sich schließlich dagegen, dass Denkmalschutz, Naturschutz, Verkehrsprobleme und schließlich die Forschungsergebnisse zu sinnvollen Pflegeheimgrößen entweder gar nicht oder nur am Rande berücksichtigt wurden.“


IV. Die Petition

Hier der Wortlaut der Petition an den Landtag, die vom 14.01.2019 datiert:

„Die Probleme:

1. Das Projekt wurde unter größtmöglicher Geheimhaltung mit der Baubehörde der Stadt verhandelt. Nach zwei Jahren wurde das Ergebnis der Verhandlungen dann als unabänderlich mitgeteilt. Von der größten Fraktion im Gemeinderat (Freie Grüne Liste) wurde dann nach Bekanntwerden der Pläne ein Bebauungsplan beantragt. Die Mehrheit der Gemeinderatsmitglieder folgte jedoch ohne nähere Prüfung den Aussagen der Caritas, dass ein Bebauungsplan eine unverhältnismäßige Verzögerung des Projektes mit sich bringen würde.

Nach unserer Auffassung handelt es sich um ein Projekt, das im öffentlichen Interesse steht. Aus diesem Grund muss auch ein Verfahren eingesetzt werden, z.B. ein vorhabenbezogener Bebauungsplan, so dass die Öffentlichkeit im Rahmen einer Auslegung mit einbezogen werden kann.

2. Mehrfach hat der Baubürgermeister der Stadt betont, dass die Geheimhaltung auf Wunsch der Caritas erfolgt sei.

Ist der Baubürgermeister aufgrund seines Amtes nicht gehalten, im Sinne aller Bürger zu handeln und demgegenüber die Wünsche eines einzelnen Antragstellers hintanzustellen?

3. Das Projekt der Caritas wurde damit in das Ermessen der Baubehörde nach §34 gestellt. Diese Behörde hat das Projekt weitestgehend im Sinne der Caritas genehmigt. Es fällt auf, dass genau diese Behörde gegenüber Anwohnern auf kleinste Kleinigkeiten, wie Größe und Ausführung von Sprossenfenstern, größten Wert legt. Viele Bürger der Niederburg sehen hierin eine gravierende Ungleichbehandlung.

Man hat eine politische Entscheidung umgangen, indem man die Genehmigungsfähigkeit nach §34 erteilte und die Entscheidung im Wesentlichen der Baurechtsbehörde überließ.

4. Die Niederburg in Konstanz ist ein mittelalterlicher, äußerst eng bebauter Stadtteil. In den engen Gassen findet sich naturgemäß kein Platz für Bäume. Solche finden sich lediglich am Südrand beim Landgericht und am nördlichen Rand der Niederburg auf dem Gelände, auf dem jetzt das Pflegeheim gebaut werden soll. Hierbei handelt es sich vor allem um eine Blutbuche, die unter Denkmalschutz steht, sowie um vier Kastanien, über die Generationen von Schülerinnen in der bislang an diesem Ort betriebenen Schule Aufsätze geschrieben haben. Es wurde leider versäumt, diese Kastanien unter Denkmalschutz zu stellen.

Muss die Stadt nicht Bäume schützen, deren Umfang in 1 m Höhe durchweg über 2,50 m liegt?

5. Die gesamte Verkehrserschließung für das Pflegeheim führt über die verkehrsberuhigten Gassen der Niederburg (Spielstraßen). Nach unserer Auffassung ist eine solche zusätzliche Verkehrsbelastung für den Gebietscharakter nicht verträglich. Eine alternative Erschließung direkt über den Rheinsteig würde die Situation entspannen.

Ist eine solche Verkehrsführung, die Spielstraßen mit einbezieht, überhaupt zulässig? De facto bedeutet dies für den Stadtteil eine unzumutbare Erhöhung des Verkehrsaufkommens.

6. Der zusätzliche Baukörper, von dem die Caritas meint, ihn wegen der enormen Größe des Pflegeheims zu brauchen, führt nicht nur zur Abholzung der erwähnten Kastanien, er verstellt auch den von Denkmalschützern als wertvoll erachteten Treppenhausbereich des alten Schulgebäudes.

Ist es nicht gänzlich falsch verstandener Denkmalschutz, wenn erhaltenswerte Gebäudeteile völlig zubetoniert werden?

7. Der erwähnte Baukörper wird, anders als von der Caritas zunächst behauptet, 17 m hoch. Damit entspricht er zwar der Höhe des zu Beginn des 20. Jahrhunderts erbauten Schulgebäudes, überragt jedoch die mittelalterlichen Häuser gegenüber, an die er bis auf wenige Meter heranreicht, um ca. 5 m.

Geht es neben dem reinen Denkmalschutz nicht auch um einen Ensembleschutz, d.h. um die Abstimmung neuer Gebäude mit der Umgebung?

8. Die Heimgröße in Deutschland liegt bei durchschnittlich 63 Betten (Tendenz fallend). Untersuchungen sprechen sich für nicht mehr als 50 Betten aus. Die großen Heime in Konstanz haben 84 Betten (Margarete-Blarer-Heim) bzw. 71 (Talgarten). Ein neues Heim der Spitalstiftung ist mit 75 Betten geplant (Weiherhof).

Der offenbar notwendige Ersatz für dieses große Heim führt nun aber nicht zu einer heutigen Maßstäben gerecht werdenden Planung (etwa Aufteilung in zwei Pflegeheime) Vielmehr wird ausgerechnet an der engsten Stelle, die sich in dieser Stadt finden ließ, ein anachronistisch großes Heim mit über 100 Betten geplant.

Unsere Frage an dieser Stelle betrifft möglicherweise eher die Heimaufsicht als die städtischen Behörden: Hat die Heimaufsicht sich überhaupt irgendein Bild von der Situation vor Ort gemacht?“


V. Unterschriftensammlung

Um der bereits eingereichten Petition mehr Nachdruck zu verleihen, sammelt die Initiative Unterstützerunterschriften für diese Petition. Ausgefüllte Unterschriftenlisten können bei der Initiative abgegeben werden.

MM/O. Pugliese (Foto: hpk)