Die Alten werden die Neuen sein
Als letzte der bereits im Gemeinderat vertretenen Gruppierungen wählte vergangenen Mittwochabend das Junge Forum Konstanz (JFK) seine KandidatInnen für die Kommunalwahl Ende Mai. Die rund 20 Mitglieder und Interessierten, die es dazu in die Chérisy gezogen hatte, erlebten weder personell, noch programmatisch große Überraschungen, demonstrierten aber zumindest Geschlossenheit.
Für Diskussion sorgte vor allem der in breiter Öffentlichkeit wiederholte Spott bezüglich des Alters der JFK-RätInnen. „Wir kandidieren wieder!“, freute sich Stadtrat Thomas Buck gleich zu Beginn seines Berichts aus dem Gemeinderat. An vielen wichtigen Entscheidungen habe man in den vergangenen fünf Jahren mitgewirkt und sich erfolgreich für die Einrichtung eines Bürgerbudgets und mehr innerstädtische Freiräume eingesetzt. In vielen Fällen, etwa der Einführung des Amtsblatts, sei man Zünglein an der Waage gewesen. Wer am Mittwochabend mehr Programmatik oder gar Visionen erwartet hatte, wurde erstmal enttäuscht.
Denn im Mittelpunkt der Diskussion stand vor allem die Frage des Wie: Häufig sah sich das Junge Forum in den vergangenen Jahren spöttischen Bemerkungen ausgesetzt, die auf das nicht mehr ganz so junge Alter seiner RätInnen abzielten. Viel wichtiger sei ihr aber der Forums-Charakter, konterte etwa Christine Finke die Kritik und verwies auf die offenen Fraktionssitzungen, in denen die RätInnen ihr Stimmverhalten in Plenum und Ausschüssen mit dem Rest der WählerInnengemeinschaft diskutiert habe. Das JFK habe sich somit als parteiunabhängiges Angebot bewährt, in dem Politik für und mit jungen Menschen gemacht werde, so das Resümee.
Dass nun die konkurrierenden Listen verstärkt junge Menschen auf aussichtsreichen Plätzen positioniert haben und das Klientel zunehmend für sich entdecken, wird als Erfolg der eigenen Arbeit betrachtet. Gleichzeitig sei es aber auch dieses Mal schwergefallen, Studierende zu Kandidaturen für das JFK zu bewegen, erläuterte Versammlungsleiter Juri Buchmüller bei der Vorstellung des Listenvorschlags. Erasmus, Praxissemester und fehlende Job-Perspektiven vor Ort seien häufig Hinderungsgründe. Daher, so der Alternativplan, versuche man Personen einzubinden, die zumindest viel mit jungen Menschen zu tun haben.
Deutlichste Personifizierung dieser Idee ist die Kandidatur von Helmut Baumgartl. Wer als Chef des Studierendenwerks Seezeit seit Jahren die Bedürfnisse von über zehntausend Studierenden befriedige, müsse ja wissen, was seine KundInnen und MieterInnen so umtreibe. Ob der Plan tatsächlich aufgeht und ob die Kontakte zu den Konstanzer ASten wirklich so gut sind, wie Baumgartl nicht müde wurde zu betonen, scheint jedoch keineswegs sicher: Im vergangenen Jahr hatte Baumgartl ein wenig glückliches Händchen bewiesen, als das Studierendenwerk mit einer schlecht verkleideten Preiserhöhung für Unzufriedenheit sorgte.
Mit den Eckdaten kann sich die beschlossene Liste hinsichtlich Geschlechtergerechtigkeit (47,5% Frauenanteil) und Durchschnittsalter (36,4 Jahre) durchaus sehen lassen. Dass ein Generationenwechsel beim Ratspersonal äußerst unwahrscheinlich scheint, zeigt sich allerdings anhand der Spitzenplätze: Listenerster ist Matthias Schäfer (43). Ihm folgen Gabriele Weiner (67), Christine Finke (52) und Erwin Riede (65). Erst auf dem fünften Platz folgt mit Verena Faustein (22) eine Studentin. Von den derzeitigen MandatsträgerInnen verzichtet lediglich Thomas Buck auf eine erneute Amtszeit – er geht von Platz 40 aus ins Rennen. Schielt man auf die konkurrierenden Listen, so bleibt am Ende des Abends die Frage zurück, ob das Modell der offenen Fraktionssitzung noch ausreichen wird, damit das JFK sein Mandat zur Vertretung der wie auch immer gearteten Interessen junger Menschen erneuern kann.
dsc (Text & Foto)
@Peter Krause:
Danke für diesen Kommentar. Sie sprechen mir aus dem Herzen – dem ist nichts hinzuzufügen
Man kann in der Tat die Frage stellen, ob eine Gruppierung, die sich „Junges Forum Konstanz“ nennt, vor allem aus jungen Menschen bestehen sollte. Vorausgesetzt, dass mit der Bezeichnung „jung“ das Alter der Mitglieder gemeint ist und NICHT das Alter der Gruppierung ansich. Vielleicht sollte das JFK ein Höchstalter einführen, damit dem Anspruch genüge getan ist – bei den JUSOS kann auch nur bis zu einem bestimmten Alter Mitglieder sein, wenn man denn „groß“ ist, kann man nur noch in der „alten“ SPD mitarbeiten. Aber Spaß beiseite: Mir ist es vollkommen egal, wie alt jemand ist, oder welchem Geschlecht ein Mensch sich zugehörig fühlt. Entscheidend ist, welche politische Position er oder sie vertritt. Die inzwischen wieder bejubelte Praxis einer Identitätspolitik, demgemäß nur jemand die Interessen einer Gruppe vertreten kann, der oder die dieser Gruppe auch angehört, ist dermaßen reaktionär und antiaufklärerisch, dass es mich immer mehr deprimiert, dass auch kluge Menschen diesem seltsamen Irrglauben anhängen. Nach dieser Logik – wenn man sie konsequent bis zum Ende denkt – ist jedwede Verständigung zwischen unterschiedlichen „Identitäten“ und somit auch eine vernunftbasierte Politik nahezu zum Scheitern verurteilt, da unterstellt wird, dass nur das Mitglied der eigenen Gruppe die eigenen Probleme und Positionen vertreten kann. Man stelle sich dies vor: Jede gesellschaftliche Gruppe müsste gemäß ihres Anteils an der Gesellschaft in den Entscheidungsgremien vertreten sein. Schon bei der Gruppenzuordnung entstehen Fragen, die einen in große Probleme führen: Ist jemand zuerst eine Frau oder jung oder Veganerin oder Radfahrerin oder arm oder reich oder Akademikerin oder Arbeiterin oder behindert oder gesund oder oder oder …. Vielleicht ist ein Mensch aber nicht nur „einseitig“, sondern vielfältig? Und vielleicht haben Menschen auch die Fähigkeit, sich in andere Menschen hineinzuversetzen … könnte ja sein.
Liebe Frau Degner,
ich bin sehr wohl in der Lage einen kurzen Artikel wie diesen zu lesen und die meisten seiner Informationen zu verarbeiten, trotzdem vielen Dank für den Hinweis.
Mein Sarkasmus bezieht sich eher auf diese wunderschöne Stelle:
„Listenerster ist Matthias Schäfer (43). Ihm folgen Gabriele Weiner (67), Christine Finke (52) und Erwin Riede (65). Erst auf dem fünften Platz folgt mit Verena Faustein (22) eine Studentin“
Es mag auch den Ü60igern frei sein, sich „jung“ zu fühlen, aber ein Blick auf die Listen von Grünen und Linken (SPD müsste ich nochmal nachschauen, da bin ich nicht sicher…) zeigt hier mehr „junges Gemüse“ auf den vorderen Plätzen als beim „J“FK. Sofern keine signifikanten Veränderungen der Liste und kein gewaltiger Stimmenzuwachs zu erwarten sind, wird das JFK wahrscheinlich also von den Altern 43/67/52/65 angeführt, die von sich dann annehmen, für die Jugend – ergo, ihre Enkel? – zu sprechen.
Es braucht mehr junge Leute (damit meine ich U30!) auf allen Listen aller Parteien.
@Stefanie Degner
Wenn Sie unseren Text aufmerksam gelesen hätten, wäre Ihnen sicher aufgefallen, dass sowohl der Geschlechteranteil als auch der Altersdurchschnitt erwähnt wurden.
Lieber Lukas,
was der seemoz an dieser Stelle leider unterschlägt, ist die Tatsache, dass 47% der Liste von Frauen besetzt werden. 6 Frauen treten unter den ersten 10 an und das Durchschnittsalter der KandidatInnen liegt im Übrigen bei 36 Jahren. Also insgesamt weder sonderlich alt noch männlich dominiert 😉
Unabhängig von der inhaltlichen Arbeit des JFK sind die Topplätze ein schönes Beispiel für #mitgemeint.
Die Gruppe älterer/alter Menschen, die sich Junges Forum nennt passt in die Reihe „Rein männlicher Aufsichtsrat gratuliert zum Weltfrauentag“ 😉