Ich glaube nichts von dem…
… was uns die politisch Verantwortlichen über die Bekämpfung des Rechtsterrorismus erzählen. Sie reden von Pannen der Sicherheitskräfte, von dem Fehler, V-Leute in rechten Kreisen zu platzieren, vom NPD-Verbot. Das sind Ablenkungsmanöver, weiß Albrecht Müller, kritischer Kenner des Regierungsapparats. Im Vorfeld einer für Donnerstag in Konstanz geplanten Demonstration gegen Rechts kommen seine Nachfragen gerade noch rechtzeitig.
Die entscheidende Frage ist doch, warum es nicht auffiel und bis heute nichts geschieht, wenn seit 1990 etwa 182 Menschen Opfer rechter Gewalt geworden sind. Hat die Bundeskanzlerin, haben ihre beiden Vorgänger nie wissen wollen, was hier abläuft? Hat der jeweilige Chef des Bundeskanzleramtes und Koordinator der Geheimdienste in den regelmäßigen Berichts- und Koordinierungssitzungen nie nachgebohrt?
Ich saß als Abteilungsleiter im Bundeskanzleramt von 1973 bis 1982 jeden Werktagmorgen in der Lagebesprechung. Es ist nicht vorstellbar, dass der Chef des Bundeskanzleramtes, der Regierungssprecher oder ein anderer der 10-15 Teilnehmer nicht spätestens nach der Ermordung des fünften Türken mit der gleichen Pistole hätte wissen wollen, was da vorgeht. Das musste auffallen.
Es ist nicht aufgefallen, weil man offenbar nicht wahrnehmen wollte, dass die neun Türken und der eine Grieche und weitere 172 unbekannte Afrikaner, Asiaten, andere Ausländer und auffallend viele junge Deutsche aus politischen Gründen von Rechten umgebracht worden sind. (Eine gute Übersicht über die Opfer bot die „Welt am Sonntag“ vom 20.11.2011: „Tatort Deutschland“).
Was wäre, wenn das in der Türkei passiert wäre?
Man muss sich einmal vorstellen, in der Türkei wären zehn deutsche selbstständige Unternehmer in einem überschaubaren Zeitraum mit der selben Pistole umgebracht worden. Die deutsche Botschaft hätte das registriert. Selbstverständlich wäre der deutsche Botschafter beim dortigen Außen- und Innenministerium vorstellig geworden. Man muss sich das so konkret vorstellen, um zu begreifen, welcher Skandal alleine schon darin liegt, dass behauptet wird, hier im Land sei das Morden in dieser noch weit größeren Dimension nicht registriert worden. Ich glaube das nicht.
Haben die Ministerpräsidenten insgesamt, haben die am meisten betroffenen ostdeutschen Ministerpräsidenten oder ihr nordrhein-westfälischer Kollege nie darüber beraten, was sich da in ihren Ländern tut? Das kann nicht sein.
Hat das Bundeskriminalamt keine Liste geführt, aus der das Ausmaß der rechten Kriminalität zu erkennen war? Das kann sein, weil man sich dafür nicht interessierte. Der Fraktionschef der Linken in Thüringen, Bodo Ramelow, hat am 17. November dem Deutschlandfunk ein Interview gegeben, in dem er schildert, dass er sich vor 15 Jahren schon von den vermutlichen Mördern bedroht fühlte und es dafür konkreten Anlass gab. Hat sich für diese Bedrohung des Politikers Ramelow niemand interessiert?
Wer wiegelt warum ab?
Es gibt ja offensichtlich eine „behördliche Befassung“ mit der Frage, ob ein Mord oder Totschlag als rechte Gewalt einzuordnen ist oder nicht. In dem zitierten Artikel in der „Welt am Sonntag“ sind die anerkannten 47 Opfer mit einem großen (A) gekennzeichnet. Wenn Sie die Liste überfliegen, werden Sie entdecken, dass offensichtliche Opfer rechter Totschläger nicht als Opfer rechter Gewalt anerkannt worden sind. Dieses Abwiegeln musste doch aufgefallen sein. Es war das Ergebnis behördlicher Tätigkeit. Dies alles sind Indizien dafür, dass man mehr wissen konnte und mehr gewusst hat, als man zugibt.
Erklärungsversuche, zum Teil überschneidend: Die Opfer sind in den Augen der Verantwortlichen minderwertig – es sind Ausländer, Linke, junge Menschen, die sich wehren gegen rechte Gewalt. Selbst schuld. Wenn sich Ramelow über rechte Bedrohung beschwert, selbst schuld. Er muss ja kein Linker sein. Die Rechtskonservativen in den Regierungsstellen, Diensten und Parteien wollten das Morden der Rechten unter der Decke halten, weil die Offenlegung den Kampf gegen die Linke insgesamt stört.
Von Globke bis Filbinger – wer schützt uns vor Gewaltverherrlichung?
Wir haben es mit einer Verschwörung zu tun. Die Rechtskonservativen – vor allem in der Union, aber nicht nur dort – sind auf verschiedene Weise mit den Rechtsradikalen und alten und neuen Nazis verbunden. Die Übergänge sind fließend. Es ist der gleiche Geist. Die personelle Verflechtung war und ist eng. Wir kennen die bekannten Fälle – Adenauers Staatssekretär im Kanzleramt Globke, Kommentator der NS-Rassegesetze, das NSDAP-Mitglied und spätere Bundeskanzler Kiesinger, ein eher harmloser Fall für die personelle Kontinuität, Filbinger, der „furchtbare“ Marinerichter und dann Ministerpräsident in Baden-Württemberg. Es gibt Tausende andere ähnliche Fälle.
Auf der lokalen Ebene war die personelle Kontinuität Alltag. Mein Mathematiklehrer im siebten und achten Schuljahr eines Heidelberger Gymnasiums war zuvor bis 1945 Schulleiter an der gleichen Schule und ausgestattet mit allen Insignien der Nazis. Er wurde im CDU-regierten Baden-Württemberg ein bisschen degradiert und dann auf uns losgelassen. Stundenlang hat er uns von Panzerschlachten erzählt. Niemand hat uns vor dieser Kriegs- und Gewaltverherrlichung geschützt.
Nichts ist auszuschließen.
Autor: Albrecht Müller/nds
Nein, nichts kann man ausschließen.
Kaum hat man sich im Bundestag zu einer Entschuldigung gegenüber den Opfern hinreisen lassen, schon begibt man sich in der Springerpresse, SZ und ähnlichem bedruckten Papier auf die Suche und hat natürlich sofort wieder die üblichen Verdächtigen in Verdacht. Wer das ist? Natürlich die Linken als Nachfolgeorganisation der SED. Nach Meinung der Schreibhilfe Freya Klier müsste sich ja nun langsam herumgesprochen haben, das die heute 30jährigen in der DDR eine politisch-subversive Ausbildung genossen und sich darum der NPD wieder fanden.
Nein Frau Klier! Die NSU-Faschisten waren am Ende der DDR 8-12 Jahre. Sie besaßen vermutlich nicht einmal ein Blauhemd. Wenn sie etwas waren, dann später in der Kohl-Ära arbeitslos und hatten viel Zeit über die Nutzlosigkeit ihres Daseins nachzudenken und daraus Schlüsse zu ziehen.
hinterwädler ist geborener Dresdner,
der vor 12 Jahren aus seiner geliebten Heimatstadt an die badische Südkante zog, um nach 8-jähriger zeitweiligen Zeitarbeit wenigstens bis zur Rente noch eine seiner Qualifikation angemessene und dauerhafte Beschäftigung zu finden.