Licht am Schweizer Polithorizont

Die Schweiz ist ein bei der Rechtspopulisten beliebtes Vorbild – nicht nur wegen der Volksabstimmungen, sondern auch, weil sie in Westeuropa die größte etablierte rechts-populistische Partei hat, die Schweizerische Volkspartei (SVP). Das Vorbild leidet derzeit zum ersten Mal seit Jahren unter Erosion.

Nach den Verlusten im Kanton Zürich vor einer Woche („seemoz“ berichtete), folgten am vergangenen Wochenende herbe Verluste in Basel-Land und Luzern. Und – einigermaßen überraschend – auch in Thurgauer Städten. Während am Samstag die gesamtschweizerische SVP in Amriswil TG tagte und Übervater Christoph Blocher sowie sein politischer Ziehsohn Roger Köppel über alles herzogen, was grün und links sein könnte, verweigerten ihnen die WählerInnen in drei Thurgauer Städten die Gefolgschaft: Die lokale SVP fuhr in Weinfelden und Frauenfeld massive Verluste ein. In Kreuzlingen konnte sie ihre Sitzzahl im Stadtparlament (Gemeinderat) halten.

Der Thurgau als SVP-Hochburg

Das ist für die SVP insofern bedeutsam, als der Thurgau zu den SVP-Stammländern mit überdurchschnittlich hohen Wähleranteilen – bis zu über 40 Prozent – zählt. Wenn es hier zu bröckeln beginnt, ist mit größeren Verwerfungen zu rechnen. In Frauenfeld und Weinfelden verlor die SVP jeweils einen Sitz, ebenso die FDP und die CVP. Diese wechseln nicht wie bisher üblich, zu anderen bürgerlichen Parteien, sondern vor allem zu den Grünen und den Grün-Liberalen (einer Art FDP mit grünem Anstrich) und in Frauenfeld zur autoverkehrskritischen Lokalpartei „Chrampfe und Hirne (CH)“ (übersetzt: arbeiten und nachdenken).

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In Kreuzlingen haben die Grünen jetzt gleich viele Sitze wie die SVP. Die größte Fraktion stellt noch immer die SP. Auch hier büßten FDP und Christdemokraten (CVP) Stimmen ein, die bei den Grünen landeten. In allen drei Städten wuchs das links-grüne Lager. Die SVP-Spitze mag noch so sehr behaupten, es gebe keine durch Menschen verursachte Beschleunigung der Klimaveränderung – die WählerInnen glauben ihr nicht mehr.

SVP: Starke Verluste in Luzern und Basel-Land

Ähnlich sah es auf Kantonsebene in Basel-Land und in Luzern aus. In beiden Kantonen verlor die SVP je ein Viertel ihrer bisherigen Parlamentssitze. Zu den Verlierern gehören hier auch CVP und (weniger stark) FDP. In beiden Kantonen gewannen, neben den Grünen, auch die Sozialdemokraten dazu. Es sieht so aus, als hätten die Rechtspopulisten der SVP ihren Polit-Zenit überschritten. Was Hoffnungen für die im Herbst anstehenden Nationalratswahlen macht. Hoffnungen darauf, dass die seit vier Jahren geltende Parlamentsmehrheit aus SVP, FDP und der halben CVP (die CVP ist immer gespalten) schwinden könnte – was auch wieder eine sozialere Politik zulassen würde.

Blocher poltert in Zürich

Die Wahlniederlage im Kanton Zürich hatte den SVP-Übervater Christoph Blocher derart verärgert, dass er anschließend ultimativ den Rücktritt der Zürcher Parteispitze forderte. Wie brave Buben das tun, folgten Präsident, Vizepräsident, Sekretär (Geschäftsführer) und Vize dem Befehl des „Vaters“. Anders als bisher aber taten sie erst gar nicht so, als ob das ihre eigene Idee gewesen wäre. Jetzt steht die Zürcher Kantonalpartei – ein halbes Jahr vor den Nationalratswahlen – mit einem neuen, 31-jährigen, kaum bekannten neuen Präsidenten von Blochers Gnaden da. Und die Partei erntet auch noch Spott. Im Internet-Forum des „Tagesanzeigers“ hieß es immer wieder, bei der SVP zeige sich eben „wer zahlt, befiehlt“.

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In Zürich hat die SVP zudem für die Wahlen im Herbst Roger Köppel – in Deutschland als „Rechtsausleger“ in Talkshows beliebt – als Kandidaten für einen Sitz im Ständerat (Länderkammer des Parlamentes) nominiert. Jagt das den Linken und Bürgerlichen Angstschauer den Rücken hinab? Keineswegs. Sie sind sich einig, etwas Besseres hätte ihnen nicht passieren können: Kein Kandidat könne besser für die anderen KandidatInnen – und damit gegen die SVP – mobilisieren, als Roger Köppel.

Lieselotte Schiesser

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