Wettbewerb statt Monopole, Freiheit statt Kapitalismus
Wenn Politiker ein Buch schreiben, ist der Anteil an taktisch-berechnendem Geschwätz nicht selten prägend. Gemessen daran ist das Buch von Sahra Wagenknecht – führende Politikerin der Partei Die Linke – kein Politiker-Buch: In verständlicher Sprache erläutert und belegt sie mit hoher Kompetenz, welches Unheil der heutige Kapitalismus täglich anrichtet. Die Leistungsgesellschaft sei nur noch ein Mythos. Eine Fleißarbeit als Abrechnung, findet Wolfgang Storz.
Kaum mehr als ein Prozent der Bevölkerung kontrolliere die großen Vermögen. Herkunft und nicht Leistung sei ausschlaggebend für den Lebensweg. Mit einer Fülle an Fakten, Daten und Analysen nimmt Wagenknecht diesen Finanzkapitalismus auseinander. Eine Fleißarbeit als Abrechnung.
Wenn wir also annehmen, das ist gar kein PolitikerInnen-Buch, weil es dafür zu überlegt und zu inhaltsreich ist und damit den Maßstab höher legen, dann wird die Bewertung allerdings auch ein bisschen kritischer: Die Autorin hat ihr Thema so groß gewählt, dass es ihr buchstäblich über den Kopf wächst. Wenn sie – vor allem im letzten Drittel ihres Werkes – mit der Rentenpolitik abrechnet, die Strategien gegen die Schuldenkrise debattiert, die Politik der Privatisierung widerlegt, auf die Schnelle die wirtschaftspolitische Rolle der Staatsapparate in Frankreich, China, England, Italien, Österreich und Deutschland `durch nimmt`, in zahllosen Kapitelchen von den Hidden Champions über Eigentümerrechte, Entflechtung, Veräußerungsrechte, „Belegschaftseigentum als Realisierung des Haftungsprinzips“ bis „Ota Siks Mitarbeitergesellschaft“ hüpft, dann wird es ein bisschen arg unübersichtlich, oberflächlich und nähert sich einer Politiker-Rede – zehn Seiten, zehn Themen.
Dafür beschäftigt sie sich mit den Themen Demokratie und Freiheit in ihrem dicklichen Buch so gut wie gar nicht, obwohl aus diesem Spannungsfeld – wohl eine Entscheidung der Marketing-Abteilung des Verlages – der Titel des Werkes „Freiheit statt Kapitalismus“ entliehen worden ist.
Dieses – trotz seiner Schwächen – empfehlenswerte Buch hat auch eine parteipolitisch-strategische Dimension. Dazu einige Worte. Wagenknecht versucht in zweierlei Hinsicht, `Feindesland` zu besetzen. Zum einen baut sie sich systematisch – es ist ja nicht ihr erstes Buch zu Fragen der politischen Ökonomie – als einzige namhafte Wirtschaftspolitikerin der Partei Die Linke auf, abgesehen von Oskar Lafontaine. Inzwischen satisfaktionsfähig bis ins Unternehmer-Lager hinein, zähneknirschend wohlwollende Buchrezensionen in den angesehenen Wirtschaftsblättern, „Handelsblatt“ und „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ inklusive. Damit ist sie zwangsläufig für ihre Partei unentbehrlich, konzentriert sich diese doch in schon fahrlässiger Weise allein auf den Markenkern soziale Gerechtigkeit und materielle Umverteilung und meidet die Sphäre der Produktion.
Und sie besetzt zum anderen `Feindesland`, indem sie mit diesem Buch die Perspektive des so genannten wahren Marktwirtschaftlers einnimmt. Wagenknecht in Kürze: Die Erfinder der sozialen Marktwirtschaft (der Nationalökonom Walter Eucken, der Ordoliberale Alexander Rüstow, der Kölner Soziologe Alfred Müller-Armack, der Politiker Ludwig Erhard) wollten echten Wettbewerb statt Monopole, wollten einen geordneten Arbeitsmarkt mit Mindestlohn, wollten einen starken Staat, der den Mittelstand stützt.
Heute herrsche das Gegenteil einer sozialen Marktwirtschaft: Die Geschäftsmodelle der meisten Banken und Großunternehmen seien „produktivitäts-, innovations- und damit wohlstandsfeindlich“. Nur leicht verkürzt lautet ihre Botschaft: Wer die richtige soziale Marktwirtschaft will, muss mit mir für meinen kreativen Sozialismus kämpfen. Wagenknecht lädt ein: „Zum Dialog zwischen echten, nämlich auch geistig liberalen Marktwirtschaftlern auf der einen und ebensolchen Sozialisten und Marxisten auf der anderen Seite“.
Wagenknecht arbeitet also an etwas, was im untergegangenen Westdeutschland der siebziger und achtziger Jahren von der damals noch von der DDR gut durchfinanzierten DKP als „antimonopolistisches Bündnis“ propagiert worden ist. Deshalb muss das Vorhaben ja nicht schlecht sein.
Autor: Wolfgang Storz/WOZ
Sahra Wagenknecht: „Freiheit statt Kapitalismus“, Eichborn AG, Frankfurt am Main, 2011, 365 Seiten, 19,95 Euro
Da braucht man gar keine weite Kompetenz, um dies festzustellen.
Auch in KN fahren Chefs lieber mehrere teure Autos und sind als üppige Kunstförderer in der Stadt sehr beliebt. Sie feilschen aber anderseits gerne intern um wenige Cent, bei einem angefragten Mehrlohn von „Mitarbeitern“, die letztendlich erst hierfür die Voraussetzungen schaffen. Dieses Auto-Versteckspiel erfolgt erst viele Jahre heimlich mit schlechtem Gewissen den Mitarbeitern gegenüber, dann protzend, wenn das schlechte Gewissen nicht mehr auszuhalten ist.