Endlich eine Formel 1-Strecke in Konstanz
Die politische Entscheidungsfindung ist in einer Demokratie ein schwieriger, langwieriger und manchmal auch durch ganz viele Nebenflüsse mäandernder Prozess. Ein wunderbares Beispiel dafür gab der Technische und Umweltausschuss, in dem Gemeinderätinnen und -räte nicht zu unrecht AkteurInnen der Gegenseite lauthals Wahlkampfpropaganda vorwarfen, nur um dann ihrerseits Anträge zu stellen, die von der Gegenseite als plumpe Volksverdummung gegeißelt werden konnten, und auch dies hinwiederum zurecht.
Kennen Sie die Ihren Sinn für die brutale Wirklichkeit gnädig lindernde Wirkung von Magic Mushrooms, LSD oder Heroin? Nein? Dann tun sie mir herzlich leid, aber Ihnen kann geholfen werden, ohne dass Ihnen bei der Begegnung mit einem Hund auf der Straße, der sich notgeil an Ihrem Bein reibt, sofort der Arsch auf Grundeis geht, weil Sie dieses verlauste Drecksvieh für einen vierbeinigen Undercover-Agenten der Drogenfahndung halten.
Ergreifen Sie die Macht!
Mein Tipp: Gehen Sie in die Lokalpolitik und warten Sie Ihren ersten Wahlkampf ab. Wahlkampfzeiten versetzen KommunalpolitikerInnen in einen etwas ziemlich anderen Zustand, der von einer viel stärkeren Droge als lächerlichen Opiaten hervorgerufen wird, aber auf Außenstehende ähnlich verstörend wirkt: Diese Droge heißt Wahlergebnis, und wie man es beeinflussen kann. [Die einzige Ausnahme sind übrigens wir Linken, denn uns interessieren Wahlergebnisse nicht. Alles weniger als die früher üblichen 98% Prozent plus ist doch objektiv betrachtet nichts weiter als ein unumstößlicher Beweis für die brutale Klassendiktatur, die die Büttel das Kapitals in der BRD ausüben; also sind uns – als echten Klassenkämpfern – vom Klassenfeind nach unten gefälschte lächerliche 18% ebenso recht wie die uns nach dem unverfälschten Willen der werktätigen Massen eigentlich zustehenden 98 bis 100%.]
Ihnen hingegen empfehle ich, falls Sie diesen Kick brauchen und nicht ein/e durch und durch in der Wolle gefärbte/r Rote/r sind, sich der bekanntlich stärksten aller Parteien, der SPD, anzuschließen, denn da gibt es diesen Kick auch. Aber volle Lotte, und ohne dass einen jemand mit Marx oder sonstiger guter Lektüre belästigte. Die SPD widmet sich vielmehr den wirklichen Anliegen der kleinen Leute, den ökologischen Sorgen der Jugend ebenso wie dem Wunsch der Alten, eine Rollator-Ausfahrt zu überleben. Als Stimme des Volkes legt sie ihre Hände mit all ihren frisch gesalzenen acht Fingern in die Wunden, die das Volk so mit sich herumschleppt.
Zollernstraße wird nicht Fußgängerzone
Im Technischen und Umweltausschuss ging es um den Antrag der Grünen, u.a. in der Zollernstraße eine Fußgängerzone einzurichten, weil dort bisher der Autoverkehr, der Ausweichverkehr … Wir wissen ja, da ist die Hölle los. Nach einer Geschwindigkeitsmessung und weiteren intensiven Erhebungen der Stadtverwaltung zeigten sich die Grünen einsichtig und erkannten, dass es die von ihnen gerochene Gefahr wohl nie gegeben habe. Also keine Fußgängerzone mit einem bunten Durcheinander, sondern weiterhin ein buntes Durcheinander ohne Fußgängerzone, und das eine Auto pro Viertelstunde stört in Zukunft zumindest mich nicht mehr, aber lassen wir auch das.
Wenn Sie mich fragen (tun Sie das bloß nicht!): Das Verkehrsproblem in der Zollernstraße sind diese Schaukelpferdchen da in der Nähe vom Schuhladen Rauhut, denn immer, wenn ich angeschickert aus der Seekuh heimwanke, fokussiere ich die mit all meinen vier Augen, seit ich mal nüchtern voll dagegen geknallt bin, weil ich einem anderen Fußgänger Platz machen wollte. Die Dinger sind einfach zu nieder, als dass mensch sie im Getümmel der Stadtführungen, schönen Frauen an den Kaffeemaschinen gegenüber und sonstigen Ablenkungen noch wahrnähme. Würden wenigstens Kinder drauf schaukeln, aber nein, die Dinger machen nur blaue Schienbeine, eingeschlagene Zähne und gebrochene Kiefer. Und bockig sind sie auch.
Wahlkämpfer unter sich
Wo war ich? Ach ja. Nicht gerade gegen alle Vernunft wurden die Grünen für Ihren Antrag von der SPD wegen reiner Wahlkampfpropaganda, die Ressourcen in der Verwaltung verschwendet habe, gegeißelt. Und mit ihrer Kritik tat die stärkste der Parteien recht, da sie ein wirkliches Anliegen hat, das so gar nicht nach Wahlkampfgetöse riecht. Nein, wirklich nicht. Denn niemand Geringeres als das Volk hatte die Hilfe der SPD gesucht. Der Terror der AutofahrerInnen zerstört nämlich nicht, wie von den Grünen behauptet, das Soziotop Zollernstraße, nein, die wirklichen Gefahren lauern eine Querstraße weiter nördlich, in der Hofhalde! Ich zitiere die SPD: „Als weiteres großes Problem wurde uns bei einem Ortstermin genannt, dass nicht nur weit mehr Autos durch die Straße fahren, als es bei reinem Anliegerverkehr der Fall wäre, sondern dass diese in der Regel viel schneller fahren als in einer verkehrsberuhigten Zone erlaubt ist. […] In der Hofhalde sei dies jedoch auch eine große Gefahrenquelle für die Kinder aus dem Konradi-Kindergarten sowie für die Senioren des Hauses Christina. Deshalb halten wir es für dringend geboten, hier stärker Kontrollen durchzuführen, bis die Straßenverkehrsordnung wieder eingehalten wird. Dies sollte auch nachts erfolgen, da berichtet wurde, dass dann besonders schnell gefahren wird, weil man keine Kontrollen erwarte.“
Zone des Volkes
Ha, nieder mit der kleinbürgerlichen Fußgängerzone der Grünen in der Zollernstraße, her mit der rund um die Uhr überwachten Straße des Volkes hundert Meter weiter nördlich. Recht so! Kein Kindergartenkind soll nach 23 Uhr unter die viel zu schnellen Räder kommen, kein Überschallknall die harthörigen BewohnerInnen eines Feierabendheimes wecken, die an einer täglich befahrenen Formel-1-Strecke wohnen müssen.
SPD, wir danken Dir, Du stehst in altem Saft und Kraft! So sieht ein Verkehrskonzept aus, das seinen Namen verdient und die Innenstadt autofrei macht. Den Dank an Euch, liebe Grüne, wage ich kaum auszusprechen, zu tief habt Ihr mich beeindruckt.
So, und jetzt gehe ich los, mal wirklich was für die Verkehrssicherheit in der Konstanzer Innenstadt zu tun: Die Schaukelpferdchen in der Zollernstraße werden den morgigen Tag als Pferdewürstchen begrüßen müssen, Tierschutz hin oder her. Mein Schienbein geht vor …
Text: O. Pugliese, Bild: Wikipedia, This file is licensed under the Creative Commons Attribution-Share Alike 4.0 International license.
Ach ja, die Schaukelpferdchen, die wurden vom zusammen gekommenen Volk doch tatsächlich auch genannt, nicht als Problem tagsüber, wenn liebe Kinder damit ihren Spaß haben, sondern als Ärgernis zu mitternächtlicher Stunde, weil sie eine magische Anziehungskraft auf ansonsten hartgesottene Männer ausüben, die etwa um diese Zeit die umliegenden Kneipen verlassen und dann kaum im Schaukelpferdsattel sitzend zu unbändigen Cowboys mutieren und sämtliche Anwohner lautstark an ihrer kindlichen Freude teilhaben lassen würden. Dazu werden wir aber noch einen gesonderten Antrag stellen, in dem wir auch das Schienbein von O. Pugliese, der sich bei unserem Ortstermin partout nicht unters Volk mischen wollte, einer ausgiebigen Würdigung unterziehen werden, versprochen 😉 Cheers!