Atmest Du noch – oder hustest Du schon?

Am letzten Mittwoch und Donnerstag wurde im Zuge der Abrissarbeiten auf dem Vincentius-Areal ein Kamin zerstört, was in der Nachbarschaft zu einer extremen Staubbelastung führte: Verschmutzte Autos, zugestaubte Fahrräder, Dreck in den Wohnungen. Angesichts hartnäckiger Hustenattacken und schmerzhafter Augenreizungen fragen sich AnwohnerInnen jetzt: War das wirklich nur normaler Baustaub? Oder wurden dort auch giftige Substanzen freigesetzt und die Gesundheit der BürgerInnen aufs Spiel gesetzt?

Felix Braun, Geschäftsführer des Fahrradgeschäfts Jester Sports an der Ecke Rheingut-/Schottenstraße, schildert seine Erlebnisse so:

„Bisher hat uns der Abriss des ehemaligen Krankenhauses gegenüber keine Probleme gemacht. Klar, es gab immer wieder mal Staub, aber es war nie so schlimm, dass wir uns dabei komisch gefühlt oder gesundheitliche Beeinträchtigungen gehabt hätten.

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Aber am letzten Mittwoch [24. April] begann man vormittags, einen inzwischen frei stehenden Kamin abzureißen. Am Mittwoch war es auch noch recht windig, und so wurde die Staubbelastung in der Schottenstraße schnell extrem. Die Fahrräder, die wir wie immer vor unserem Geschäft aufgestellt hatten, waren bald völlig eingestaubt, ebenso alles, was im Innenhof stand. Wir hatten die Ladentür offen, und bald begannen meine Belegschaft und ich zu husten. Zu dem akuten Hustenreiz kam bei vielen auch ein Jucken in den Augen.

Husten und Augenbrennen

Dann begannen auch Kunden, über dieselben Symptome zu klagen. Einige wollten unseren Laden gar nicht wieder verlassen, und es traute sich auch niemand mehr, draußen eine Probefahrt mit einem Fahrrad zu unternehmen, weil es so staubte.

Allein bei der Polizei habe ich mehrfach angerufen. Dort wurde mir versichert, man prüfe, ob eine Abrissgenehmigung vorliegt. Die lag vor, also war das für die Polizei erledigt, und eine Streife wollten sie am Mittwoch auch nicht vorbeischicken. Die Polizei könne da eh nichts machen.

Beim Abriss entstandener Staub, auf wenigen Quadratmetern vor Felix Brauns Geschäft zusammengefegt.

Parallel dazu habe ich versucht, mit der Stadt Kontakt aufzunehmen. Das war nicht ganz einfach, weil ich ja nicht wusste, wer zuständig ist. Es hieß dann beschwichtigend, überall wo etwas abgerissen wird, gebe es halt Staub, das gehe gar nicht anders. Vorbeikommen wolle man auch nicht und ich sei eh der Einzige, der sich beschwert habe. Außerdem sei gar nicht die Stadt, sondern die Gewerbeaufsicht zuständig.

Ich hatte so langsam den Eindruck, bis etwas passiert, ist der Kamin eh längst weg.

Am nächsten Tag, dem Donnerstag, ging es gerade so weiter, und es fühlte sich bei uns allen langsam an wie eine Staublunge. Wir hatten an dem Tag rund 30 Kunden im Laden, denen es nicht besser ging: Sie hatten Atemprobleme und ein Brennen in den Augen. Ein Architekt sagte mir, er könne sich nicht vorstellen, wie die Stadt einen Abriss auf diese Art genehmigen könne, ganz unabhängig davon, ob dabei giftige Substanzen freigesetzt werden oder nicht.

Dreck dokumentiert

Es wurde am Donnerstag so schlimm, dass ich wieder die Polizei angerufen habe, die diesmal eine Streife vorbeischickte. Die Polizisten waren bestürzt, wie dreckig die geparkten Autos von all dem Abrissstaub waren, woran man sieht, wie hoch die Belastung der Luft war. Sie haben meine Personalien aufgenommen und uns geraten, das alles zusammen mit den Nachbarn zu dokumentieren, um Regressansprüche geltend machen zu können. Am Donnerstag haben wir unseren Haupteingang an der Schottenstraße gar nicht mehr zu öffnen gewagt und auch keine Fahrräder mehr rausgestellt.

Ich habe am Donnerstag auch den Zuständigen bei der Gewerbeaufsicht erreicht. Er kam bei uns vorbei und sagte, dass er sich ein Bild gemacht habe und dass das alles ordnungsgemäß vonstatten gehe. Da eine entsprechende Genehmigung vorliege, könne er nichts tun, zumal jede Bauunterbrechung Geld kosten würde. Es stellte sich heraus, dass er sich die Baustelle in der Mittagspause angeschaut hat, als dort nicht gearbeitet wurde und es folglich auch nicht so staubte.

Er meinte außerdem, es werde ja zur Staubminderung Wasser gesprenkelt. Tatsächlich war am Brecher des Baggers ein Schlauch montiert und außerdem stand auch jemand mit einer Art Gartenschlauch da. Aber der Wasserdruck sei nun mal so gering, hieß es, dass das Wasser nicht hoch genug komme. Ich frage mich, ob es keine Pumpen gibt, mit denen man genug Wasser in die entsprechende Höhe bringen kann, um den Staub zu verhindern.

Wer suchet, der findet

Ich will niemandem an den Karren fahren, mir geht es nur um die Gesundheit meiner Kunden und Mitarbeiter und meine eigene natürlich auch. Ich habe darum die Gewerbeaufsicht gefragt, ob für diesen Kamin ein Schadstoffgutachten vorliegt, denn wir wissen ja alle, dass Bauten aus den sechziger Jahren verdächtig sind, Stichwort Asbest und andere Schadstoffe. Mir wurde gesagt, dass für diesen Kamin kein gesondertes Schadstoffgutachten existiert, aber das bräuchte man auch nicht, weil eins für das Gesamtgebäude vorliegt, und das reiche aus. Eine Aussage der Gewerbeaufsicht allerdings stimmte mich skeptisch: ‚Wenn wir das untersuchen würden, würden wir da schon Sachen finden.‘

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In der Zwischenzeit haben wir uns kundig gemacht und mit zwei Prüflaboren Kontakt aufgenommen. Die wurden beide hellhörig, weil allein das Baujahr für verdächtige Substanzen spricht. Aber ein Labor sagte mir, es dürfe ohne Genehmigung des Bauherrn oder Anordnung der Stadt gar nicht aufs Gelände, um Proben zu nehmen. Ein anderes Labor hat uns dann aufgefordert, eine Staubprobe einzuschicken, die innerhalb einiger Tage bearbeitet werden kann. Das werde ich jetzt auf meine Kosten tun, und wenn dabei nichts herauskommt, bin ich zufrieden. Wir haben dazu Staub von unseren Fahrrädern und den Autos rundherum gesammelt, weil der ja in der Luft war und wir den eingeatmet haben.

Ich will als Bürger und Anwohner einfach nur erfahren, was wir da tagelang in unserer Atemluft hatten. Ich zweifele auch an, dass es rechtens sein kann, einen Kamin aus den sechziger Jahren ohne gesondertes Schadstoffgutachten abzureißen. Mir haben Architekten gesagt, dass bei einem Gebäude aus diesen Baujahren selbst bei kleinsten Veränderungen zuerst geprüft werden muss, welche Bausubstanzen dort verwendet wurden.

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Datenschutz für den Bauherrn

Ich habe den Herrn von der Gewerbeaufsicht dann noch mal angerufen, weil ich gern das Schadstoffgutachten einsehen möchte, das eben nicht für den Kamin, aber für das Gebäude insgesamt vorliegt. Meines Wissens gibt es das Recht auf Auskunft, wenn man unmittelbar betroffen ist. Ich habe daraufhin eine kurze E-Mail bekommen, dass ich sehr wohl ein Recht hätte zu erfahren, was bei dem Gutachten herauskam, dass man die Herausgabe von Daten aber aus datenschutzrechtlichen Gründen zuerst noch mit dem Bauherrn abklären müsse.

Inzwischen haben auch andere Anwohner, darunter eine Ärztin und ein Architekt, dieselben Bedenken wie wir, wir wollen das einfach geklärt wissen, denn es geht ja um die Gesundheit vieler Menschen. Wenn sich herausstellen sollte, dass wir jetzt zwei Tage lang irgendeine Sch… eingeatmet haben sollten, weil irgendjemand dieses Ding möglichst schnell abreißen wollte, wäre das natürlich ein starkes Stück. Wir wollen in die Briefkästen der Anwohner einen Infozettel werfen, weil es uns sinnvoll erscheint, das Problem gemeinsam anzugehen.

Ist der Staub belastet, kann ich auch meine Fahrräder, die draußen standen, nicht einfach nur abblasen und ganz normal verkaufen. Außerdem wären dann ja auch die geparkten Autos und die Vorgärten und Häuser rundherum betroffen. Ich habe den Haupteingang meines Geschäfts vorn zur Schottenstraße hin geschlossen und nur noch eine Seitentür an der Rheingutstraße geöffnet.

Jetzt können wir nur abwarten, was bei der Laboruntersuchung herauskommt. Bis dahin hoffen wir auf weniger Staub.“

Das Gespräch führte O. Pugliese (Fotos: Privatbesitz, O. Pugliese)

Weitere Informationen gibt es unter dieser E-Mail-Adresse: Abrissarbeiten


Hier ein Video von den Abrissarbeiten.