Soliaktion für Hungerstreik kurdischer Gefangener
Wie die Redaktion erst jetzt erfahren hat, zierte dieses Transparent am 1. Mai die Fahrradbrücke am Herosé-Park. Unbekannte machten damit auf den Hungerstreik von mittlerweile mehr als 7000 kurdischen politischen Gefangenen und linken Oppositionellen in der Türkei aufmerksam. Hintergründe eines lebensgefährlichen Kampfs, der Unterstützung verdient – auch von uns.
Eines der zentralen Ziele der Hungerstreikenden ist das Ende der Isolationshaft von Abdullah Öcalan, den vom türkischen Staat seit mehr als 20 Jahren weggesperrten Vordenker der kurdischen Freiheitsbewegung. Kurdische und türkische Linke erhoffen sich davon eine Initialzündung für die Wiederaufnahme von Friedensverhandlungen zwischen türkischem Staat und der kurdischen Opposition.
Seit die Erdogan-Regierung im Jahr 2015 die von Öcalan in die Wege geleiteten Gespräche zwischen der kurdischen PKK und der türkischen Führung abgebrochen hat, führen Militär und Spezialkräfte erneut Krieg gegen die KurdInnen in der Türkei und den Autonomieprojekten in Rojava (Nordsyrien).
Dass sich der Widerstand gegen das autoritäre AKP-/MHP-Regime zunehmend von den Knästen aus äußern muss, spiegelt die bittere Realität in der Erdogan-Türkei wider. Zu zehntausenden hat der Autokrat seit dem – mit vielen Fragezeichen zu versehenden – Putschversuch im Sommer 2016 tatsächliche oder vermeintliche RegierungskritikerInnen einsperren lassen. Mangels Handlungsalternativen greifen nun viele zu diesem letzten Mittel, um Breschen in die staatliche Repressionsfront zu schlagen.
Die gesundheitliche Situation vieler Hungerstreikender ist nach Monaten des Fastens kritisch, dennoch verweigert die Regierung hartnäckig Verhandlungen und geht zudem mit harter Hand gegen Sympathiebekundungen für die Hungerstreikenden vor. So wurden mehrfach Mahnwachen von Müttern politischer Gefangener angegriffen, zuletzt lösten Polizeikräfte am 4.5. in Istanbul eine solche Versammlung mit brutaler Gewalt auf und nahmen vier Mütter und zwei AnwältInnen fest. Am 30.4. hatten derweil 15 Gefangene erklärt, sie wollten aus Protest gegen Erdogans Blockadehaltung in ein „Todesfasten“ eintreten und nur noch Wasser, Salz und Zucker zu sich nehmen. Todesopfer scheinen unter diesen Umständen nur eine Frage der Zeit.
Weltweit erfahren die Hungerstreikenden unterdessen große Unterstützung, auch in Deutschland finden zahlreiche Solidaritätsaktionen statt. Hiesigen Medien sind die dramatischen Geschehnisse indes kaum eine Zeile wert, und auch die Bundesregierung hüllt sich in Schweigen. Einmal mehr scheinen ungetrübte Beziehungen zum Wirtschaftspartner und Waffenbruder am Bosporus wichtiger zu sein als die Menschenrechte.
J. Geiger