277 000 Euro für eine esoterische Sondergemeinschaft
Es war abzusehen: Kritik an ihrem kruden Weltbild können Anthroposophen nicht leiden. Und wenn es dazu noch um Geld geht, von dem sie glauben, dass es ihnen selbstverständlich zusteht, dann setzt sich die Abteilung Attacke in Bewegung. So geschehen, als ich in der letzten Gemeinderatssitzung die Bezuschussung des hiesigen Waldorfkindergartens in Frage stellte, der eine große Mehrheit des Rates jedoch zustimmte. Doch damit ist das Thema noch lange nicht vom Tisch
Anthroposophische Einrichtungen sind während der letzten Jahrzehnte auch rund um den Bodensee wie Pilze aus dem Boden geschossen. Sie sind vor Ort gut vernetzt, wirtschaften meist erfolgreich und expandieren. Wohlwollend beäugt von der Öffentlichkeit, nimmt man die Aktivitäten dieser Gemeinschaft hin, ohne ihre Ideologie zu hinterfragen. Kritik an Rudolf Steiner, dem Begründer der Anthroposophie, wird meist als böswillig oder vorurteilsbeladen abqualifiziert. Völlig unkritisch ging und geht auch die Presse mit dieser Gruppierung um. Das Prädikat „Irgendwie machen die was Alternatives“ schützt die Steiner-Anhänger offensichtlich davor, dass man sich ernsthaft mit ihnen auseinandersetzt und sie auf den Prüfstand stellt.
Da die Ortspresse nur verkürzte Zitate aus meinem Redebeitrag im Gemeinderat veröffentlichte und es mittlerweile viele Nachfragen gibt, hier der ganze Redebeitrag:
Herr Oberbürgermeister, Kolleginnen und Kollegen,
Es geht um die Erweiterung des Platzangebotes für Kinder unter drei Jahren, für das der angeblich Freie Waldorfkindergarten Geld haben will – und zwar knapp 300 000 Euro.
Ich habe mich schon gewundert, dass dieser Antrag im Ausschuss einstimmig durchgewinkt wurde. Ich kann Ihnen, Kolleginnen und Kollegen, nicht den Vorwurf ersparen, dass Sie offensichtlich nicht wissen, wer und was sich hinter der Waldorfbewegung versteckt.
Natürlich ist zu begrüßen, wenn das Betreuungsangebot für Kinder ausgebaut wird. Aber nicht um jeden Preis.
Erziehung und Bildung sollten Sache des Staates sein. Es ist geradezu fahrlässig, mit Steuergeldern eine obskure Weltanschauungsgemeinschaft zu subventionieren. Und als eine solche bezeichne ich die Waldorfbewegung, deren Gründer ein gewisser Rudolf Steiner war.
Rudolf Steiner war aber auch ein ausgesprochener Rassist – seine menschenverachtenden Thesen und Äußerungen über alles seiner Meinung nach nichtarische sind nachzulesen – Schwarze und Indianer beispielsweise waren für ihn minderwertige Rassen. Ich erspare Ihnen nähere Ausführungen und verweise auf dementsprechende Literatur, die es zuhauf gibt.
Mittlerweile betreibt der Waldorf-Bund über 160 Schulen in diesem Land – die überwiegend, und damit sind wir wieder beim Thema, von den Steuerzahlern finanziert werden. Ich halte es für nahezu unerträglich, dass diese Gemeinschaft überhaupt Kindergärten und Schulen betreiben darf, die auch noch öffentliche Anerkennung genießen und man dafür den Steuerzahler zur Kasse bittet.
Hätten Sie sich, Kolleginnen und Kollegen, die Vorlage kritisch vorgenommen, dann wäre Ihnen eventuell aufgefallen, dass das uns vorgelegte pädagogische Konzept des Waldorfkindergartens Konstanz von Banalitäten nur so strotzt und eigentlich überhaupt nichts aussagt. Aber genau das hat Methode bei den Steiner-Anhängern, um von ihrer eigentlichen Ideologie abzulenken.
Sie profitieren nämlich seit langen Jahren von der Unkenntnis nicht nur ihrer Zielgruppe, sondern auch von der Unkenntnis vieler politischer Mandatsträger. Die meisten meinen, in Waldorfeinrichtungen laufe eben alles ein wenig lockerer und alternativer – dort lege man mehr Wert auf Gesang, auf freiheitliche Pädagogik, Tanz und Theater. Wer sich allerdings die Mühe macht, hinter die Kulissen zu schauen, der wird recht schnell merken, was die Waldorf-Bewegung wirklich ist – nämlich die einflussreichste und auch größte esoterische Gruppierung hierzulande.
Bei eingehender Beschäftigung mit diesem Zirkel stößt man schnell auf Begriffe wie „Licht- oder Wurzelrassen“, auf reinkarnatorische Absurditäten aller Art oder auf Begriffe wie „Ätherleiber oder Astralleiber“. Kurz gefasst: Die grundsätzlichen Ansichten dieser Gruppierung stammen tief aus der Okkultismusecke und entbehren jeder halbwegs nachvollziehbaren Grundlage. Dass damit auch Kinder und Jugendliche infiltriert werden, halte ich für eine fatale Entwicklung.
Ich hätte mir gewünscht, dass Sie diesen Hintergrund bereits im Ausschuss erkennen und davon Abstand genommen hätten, dem Antrag zuzustimmen. Dem war aber leider nicht so.
Denn sicher ist auch: Wir reden hier nicht über Peanuts, sondern darüber, dass wir eine esoterische Sondergruppierung mit rund 280 000 Euro ausstatten. Gelder, die wir für unsere städtischen Betreuungsangebote dringend bräuchten. Und genauso sicher ist: Wird der Zuschuss vom Gesamtgemeinderat heute bewilligt, dann werden wir nicht lange auf den nächsten Antrag aus dieser Ecke warten müssen. Denn man denkt ja bereits an die Einrichtung einer Waldorfschule hier in Konstanz.
Wir von der LLK lehnen den Antrag ab und hoffen, dass sich uns auch andere aus diesem Gremium anschließen.
Die Reaktionen im Rat waren teilweise von erschreckender Schlichtheit, Unkenntnis und Ignoranz. Oberbürgermeister Horst Frank brach eine Lanze für die Waldorfianer, ähnlich wie beim Fall der christlichen Fundamentalisten der NAK („Neuapostolische Kirche“), die er im Sommer ohne Not mit einer Grußbotschaft aufgewertet hatte. Er habe bei den Anthroposophen „nur freundliche Menschen“ kennen gelernt. Seine FGL-Kollegin Charlotte Biskup sprang ihm bei und bezeichnete meine Ausführungen als „Vorverurteilung“. Ich bleibe dabei: Vor allem Erziehung und Bildung gehören in die Hände staatlicher Organe und es ist partout nicht einzusehen, dass man einer weltanschaulichen Sondergemeinschaft Steuergelder in nicht unerheblicher Höhe zuschustert.
seemoz wird in den kommenden Tagen und Wochen mehrere Beiträge diverser Fachautoren zum Thema Anthroposophie und Waldorfpädagogik veröffentlichen. Wir sehen einer längst fälligen Debatte mit Interesse entgegen.
H.Reile
Na, jetzt klärt sich alles (oder nicht?):
http://www.konstanz.de/rathaus/medienportal/mitteilungen/03325/index.html
Zum Auftakt der Fachautorenreihe wird ein Tucholsky bemüht, dessen Scharfsinn sich in diesem Fall weitgehend auf die sarkastische Betrachtung der äußeren Erscheinung Steiners beschränkte. Zum Inhalt wird ja herzlich wenig gesagt. Dass Steiner „sich selbst nicht glaubt, was er da sagt“. Egal, wo sonst keine Angriffsfläche bleibt, muss man halt auf Profanes wie das Aussehen zurückgreifen („Bauernschädel, gefalteter Komödiantenmund, Augen, die sich beim Sprechen nervös schließen“). So billig ist auch Tucholsky selten weggekommen.
Jetzt bin ich ja noch gespannter, welche Fachautoren da (posthum oder nicht) zum Wohl des Holgerschen Weltbildes hervor gezerrt werden.
„Der Vorwurf … einer ganzheitlichen und esoterischen Denkweise allerdings schon… Das diese pädagogischen Leitlinien einen Einfluss auf diese Kinder haben – und auch haben sollen, wird “Beeses Miggle” doch nicht abstreiten wollen.“
Warum Vorwurf? Was ist denn so verwerflich daran, dass Vorschulkinder nach den Prinzipien 1) Nachahmung und Vorbild 2) Rhythmus und Wiederholung sowie 3) Sinnespflege aufs Schulleben vorbereitet werden? OK, wenn sie anschliessend nicht in eine Waldorfschule wechseln, sondern in eine Gesamtschule, kann es schon passieren, dass sie in der ganzheitlichen Unterweisung in den Disziplinen Drogenhandel und Schutzgelderpressung noch etwas schwächeln. Aber dank wegschauender Lehrer, die sich entweder mit ihrem nächsten Urlaub oder ihrer baldigen Pensionierung beschäftigen, wird auch das kein länger andauerndes Problem sein. SCNR
Ich halte die Diskussion auch für etwas überzogen. Alleine der Ansatz dazu ist aber schon eine Überlegung wert, sich mit der Philosophie eines Rudolf Steiner und den darauf beruhenden, heutigen pädagogischen Ansätzen zu befassen. Gerade der Gemeinderat sollte dies – vor abnicken eines so hohen Förderbetrages – tun. Jedem steht es frei, eine solche Institution wie den Waldorfkindergarten für sich bzw. seine Kinder zu wählen und diese dadurch zu unterstützen. Der Vorwurf des Rassismus ist m.E. nicht zeitgemäss, der einer ganzheitlichen und esoterischen Denkweise allerdings schon. Gerade diese Denkweise bewegt Eltern doch, sich explizit dafür zu entscheiden. Das diese pädagogischen Leitlinien einen Einfluss auf diese Kinder haben – und auch haben sollen, wird „Beeses Miggle“ doch nicht abstreiten wollen. Wer eine solche Denkweise für sich und seine Familie wählt ist sicher gut aufgehoben in der Waldorfpädagogik. Ob daraus aber ein Recht auf die finanzielle Unterstützung in dieser Größenordnung durch die Gesellschaft abzuleiten ist, wage ich zu bezweifeln. Ich würde meinen, ein solcher Betrag wäre bei einer städtischen resp. kommunalen Institutionen mindestens genau so gut aufgehoben.
Der Autor vermengt hier leider einiges, weil es sich so halt leider auch leichter erklären lässt, es aber nicht richtiger macht. Wir haben in Deutschland die Möglichkeit, Schulen in freier Trägerschaft zu gründen. Daher gibt es nicht wenige Schulen mit kirchlichen oder reformorientierten Trägern, unter anderem halt die Waldorfschulen. Wenn einem das nicht gefällt, sollte man gegen diese freien Trägerschaften im Allgemeinen angehen. Wenn man gegen Waldorfschule ist, sollte man dagegen angehen, dass diese Schulen und Kindergärten offiziell anerkannt werden.
Beides ist aber hier in Konstanz bereits gegeben und Herr Reile sagt dagegen kein einziges Wort. Stattdessen kritisiert er, dass dieser offiziell vom Staat als freier Bildungsträger anerkannter Verein doch lieber keine Gelder bekommen sollte. Dies ist aber gar nicht möglich, denn wenn die Einrichtungen anerkannt sind haben sie – ebenso wie staatliche Einrichtungen – einen Anspruch auf gewisse Gelder.
Der Autor richtet seinen Zorn also auf die falsche Stelle.
Ich stimme zwar auch nicht mit den Waldorfschulen überein und finde das pädagogische Konzept eher unsinnig, aber wie es hier beschrieben schädlich zu sein ist schon weit hergeholt. Steiner war zwar ein Rassist, aber deshalb muss die Lehre heute nicht mehr rassistisch sein. Dies verkürzt den Rassismusbegriff der Zeit auch einfach zu stark – Ein Mensch lebt nun einmal nicht im luftleeren Raum, sondern war von anderen Menschen und dem allgemeinen Zeitgeist seiner Epoche unterworfen. Wenn das heutige Konzept der Waldorfschulen rassistisch wäre, wäre das kein Fall für den Gemeinderat Konstanz, sondern für den Verfassungsschutz.
Lieber Holger,
deine kritische Begleitung lokaler Ereignisse erfreut mich schon seit langer Zeit. Was deinen gestiegenen Blutdruck in Sachen Waldorfpädagogik anbetrifft, so sehe ich dich allerdings erstmalig genauso verbohrt wie die verpeilten Stadt-Geister, die du selbst so gern ins Visier nimmst. Da hast du m.E. ein bisschen zu tief in die Wikipedia-Glaskugel beim Nachlesen über Rudolf Steiners Leben und Wirken geschaut. Dein persönliches Nazometer hat dann zuverlässig bei den Begriffen „völkisch“ und „Rasse“ angeschlagen. Deiner Überzeugung, dass Erziehung und Bildung ausschließlich in staatliche Hände gehört, kann ich vor allem eigene schmerzliche Erfahrungen entgegen halten: Verbitterung, Verantwortungslosigkeit und Desinteresse sind die Begriffe, die mir vor allem bei Deutschlands Lehrern staatlicher Schulen einfallen. Hingegen habe ich Waldorf-Absolventen als Menschen kennen gelernt, die nicht nur sozial engagiert sind, sondern vor allem als Querdenker ganz neue Lösungsansätze für Probleme liefern. Von esoterischer oder gar rassistischer Beeinflussung nicht die Spur. Es täte deiner Haltung bestimmt gut, wenn du anderen nicht grundsätzlich mangelnde Informiertheit unterstellen würdest. In freudiger Erwartung der Beiträge diverser Fachautoren…
Ja, damit habe auch ich mich noch nie auseinander gesetzt. Habe ich doch selbst ,mal diese Schule, besucht. Musste sie aber wieder verlassen, da meine Mutter damals (Kiegswitwe) das Schulgeld nicht mehr aufbringen konnte. Was machen denn diese Schulleiter mit den heutigen Geldern, das müsste doch reichen?
Denn nach den Aussagen in meinem Bekanntenkreis(CH), sind das horrende Beiträge.