Gegen soziale Ungerechtigkeit, für mehr Stadtgrün
Sozial engagiert sich Silke Stockebrand in Singen seit langem, doch nun wagt die gelernte Gärtnerin den Sprung in die Kommunalpolitik und kandidiert auf Platz eins der neuen Gemeinderatsliste „Singen ökologisch + sozial“ (SÖS). Von ungefähr kommt das nicht: Ehrenamtlich unterstützte die seit 2005 in der Nordstadt lebende Stockebrand 11 Jahre lang – bis zu deren Schließung – den Nachbarschaftstreff „Lilje“, zudem ist sie ehrenamtlich bei der AWO tätig. Was Silke Stockebrand umtreibt und warum sie deshalb am 26.5. in den Singener Gemeinderat will, verrät sie uns im dritten Teil unserer Vorstellungsreihe.
seemoz: Frau Stockebrand, was ist Ihre Motivation für die Kandidatur bei den Kommunalwahlen? Und warum für SÖS – eine in Singen neue, auch dem Namen völlig unbekannte Wählervereinigung?
Silke Stockebrand: Als am 10.12.2018 eine obdachlose 77jährige Frau vom Ordnungsamt auf die Straße gesetzt worden ist, war für mich das Maß voll. Ich habe Peter Mannherz kontaktiert, um zu erfragen, was es mit dieser Liste auf sich hat, ob ich mich damit identifizieren kann. Ich hatte in der Tat nie in Erwägung gezogen auf Platz eins der Liste zu sein, aber da ich SÖS unbedingt eine Chance geben möchte, habe ich diese Wahl angenommen.
[the_ad id=“63853″]
Andere Wählervereinigungen kamen für mich nicht in Frage, weil ich erstens nicht den Eindruck habe, dass diese Themen, die mir am Herzen liegen, vertreten – und mit „vertreten“ meine ich auch, nach den Wahlen dafür einzustehen. Zweitens, als wir 2017 um den Erhalt der Lilje [Anmerkung seemoz: ein Nachbarschaftstreff in der Südstadt, über dessen Schließung 2017 wir berichteten.] gekämpft haben, habe ich alle Gemeinderatsfraktionen angeschrieben, von den meisten habe ich nicht mal eine Antwort bekommen. Für mich ist das als Desinteresse rübergekommen.
seemoz: Bei welchen Wahlkampfthemen sehen Sie Ihren jeweiligen persönlichen Interessens-Schwerpunkt? Wo möchten Sie sich im Falle einer Wahl im Gemeinderat besonders engagieren?
Silke Stockebrand: Ich möchte mich besonders bei sozialen Fragen einbringen, insbesondere bei denen des sozialen Wohnungsbaus. Umweltanliegen wie Innenstadtbegrünung, Umgang mit öffentlichen Grünflächen sowie Ausbau der Radwege sehe ich als weitere Schwerpunkte. Und es ist mir ein Anliegen, dass die Menschen in der Südstadt wieder einen Raum zur Begegnung bekommen.
seemoz: Was fällt Ihnen in Singen besonders auf?
Silke Stockebrand: Ich lebe ja noch nicht so lange in Singen, jedoch ist mir in dieser vergleichsweisen kurzen Zeit schon aufgefallen, dass massiv bestehender Gebäudebestand zu Gunsten monströser Neubauten vernichtet wird. Ich habe den Abriss des Hauses am Heinrich-Weber-Platz [Anmerkung seemoz: gemeint ist das Haus des ehemaligen „Café National“] schon nicht wirklich verstanden.
seemoz: Und als Frage an die Gärtnerin: Wie „grün“ nehmen Sie Singen wahr? Was würden Sie in der Stadt ändern wollen?
Silke Stockebrand: Die Kernstadt wird aus meiner Sicht kontinuierlich entgrünt, insbesondere der Bahnhofsvorplatz. Was an Grün verbleiben darf, ist fragwürdig, wie z.B. die Bepflanzung in der Hegaustraße mit Bambus. Zuvor war in diesen Beeten eine abwechslungsreiche Staudenbepflanzung, wo dann auch mal was geblüht hat – aber offenbar soll Singen nicht blühen. Die Nordstadt erscheint zunächst erstmal relativ grün, jedoch ist der ökologische Nutzen dieser Flächen nur geringfügig höher als bei Rasen (Rasen kommt unmittelbar nach grün angestrichenem Beton). Urban Gardening wäre super, Flächen sind vorhanden. Der AWO-Tafelgarten muss ja nun jedes Jahr um seinen Fortbestand fürchten. Dieses Jahr hat man sich sogar erlaubt, erstmal nur ein halbes Jahr zu bewilligen. Die Bewilligung bis Ende 2019 ist inzwischen zwar auch durch, aber wie sollen da bitte langfristige Konzepte umgesetzt werden? Der öffentliche Raum könnte mit Grün so gestaltet werden, dass die Menschen auch gern nach Ladenschluss noch in der Stadt verweilen.
[the_ad id=“63034″]
Mehr Wert muss auch auf Vogelschutz gelegt werden: Mit dem Fällen der efeu-bewachsenen Platane vor dem Bahnhof ist mehreren Haussperlingspaaren der Brutplatz vernichtet worden. Der Haussperling steht inzwischen auf der Vorwarnliste der Roten Liste. Ist das nötig, dass wir diesem und anderen Vogelarten das Leben noch schwerer machen? In Singens öffentlichem Grün gibt es viel zu wenig geeignete Nistplätze.
Das Gespräch führte Uta Preimesser (Foto: © privat. Silke Stockebrandt)