Studieren darf kein Luxus sein
Dem Schmuddelwetter zum trotz demonstrierten am vergangenen Freitag zahlreiche Studierende von Universität und HTWG in der Konstanzer Innenstadt gegen drohende Einschnitte, nun untermauert die gewählte Studierendenvertretung der Uni den Protest mit einer Stellungnahme. Den Unmut der Hochschulangehörigen hat eine Empfehlung des Landesrechnungshofs geweckt, das Budget der baden-württembergischen Studierendenwerke zu halbieren.
Geht gar nicht, sagen die Uni-VertreterInnen, seien doch viele Studierende auf Leistungen der Studierendenwerke angewiesen – im Fall von Kürzungen hätten etwa Mensen, Wohnheime, Bafög-Beratungen und psychologische Betreuungsangebote mit Einbußen zu rechnen. Zwar sind die Finanzhilfen des Landes an die Studierendenwerke in den letzten zehn Jahren nominell tatsächlich um 10 Prozent gestiegen, da diese jedoch derweil rund 40 Prozent mehr Studierende zu betreuen haben, sind die Zuwendungen, pro Kopf gerechnet, real gesunken: zwischen 2004 und 2016 von 82 Euro auf 65 Euro pro Kopf, wie die Studierendenvertretung in der Mitteilung vorrechnet, im Fall der Budgethalbierung blieben davon pro StudentIn gerade noch 32 Euro.
Helmut Baumgartl, Geschäftsführer von Seezeit, dem Studierendenwerk Bodensee, lehnt die Rechnungshofpläne strikt ab. „Aus unserer Sicht wäre eine solch drastische Kürzung ein schwerwiegender Rückschritt für die Chancengleichheit im Bildungssystem. Denn als nicht gewinnorientierte arbeitende Dienstleister können wir Studierendenwerke unseren sozialen Auftrag ohne eine solide Finanzierung nicht ausreichend erfüllen.“
Die Studierenden stärken den öffentlichen Hochschuldienstleistern den Rücken. Denn im Fall von Budgetkürzungen bliebe es nicht bei teurer werdendem Mensaessen, es ginge um Existenzen: Wohnplätze sind – gerade in Konstanz – sehr teuer. „Überfüllte und zu renovierende Wohnheime schreien nach einer Erhöhung des Budgets, nicht nach einer Halbierung“, so die StuVe.
Die Budgetkürzung hätte außerdem Einschränkungen bei Sozialberatung und psychologischer Beratungsstelle zur Folge. Diese Anlaufstellen sind für sozial benachteiligte oder psychisch belastete Studis oft essentiell – doch der Landesrechnungshof empfiehlt, sie kostenpflichtig zu machen. Das Geld bei denen zu holen, die extra zur Beratung müssen, weil sie kein Geld haben oder psychologische Beratung benötigen, wie vom Landesrechnungshof befürwortet, kritisieren die Studi-VertreterInnen als Rückschritt für die Chancengleichheit im Bildungssystem.
Für sie bleibt es dabei: „Studieren soll kein Luxus sein, den man sich leisten können muss. Die Konstanzer Studierenden betonen, dass das Geld an die Studierendenwerke dem sozialen Zweck der Chancengleichheit für Studierende zukommt. Die Studierendenvertreter sprechen sich deshalb gegen die Kürzung des Budgets für Studierendenwerke in ganz Baden-Württemberg aus, genauso wie die Studierenden auch Studiengebühren für Zweitstudierende und Studierende aus dem Nicht-EU-Ausland weiterhin ablehnen.“
Mit ihrer Ablehnung stehen die Studierenden übrigens nicht allein da. Sowohl Uni-Rektorin Kerstin Krieglstein als auch HTWG-Präsident Carsten Manz haben Unterstützung signalisiert.
MM/jüg (Foto: StuVe Universität Konstanz)
Die durch den Rechnungshof vorgeschlagene Kürzung der Mittel für das Studentenwerk kann ich nicht nachvollziehen. Wenn dem so ist, dass die Zahl der Studentinnen und Studenten in den letzten 10 bis 15 Jahren erheblich zugenommen hat – und daran besteht nach meiner eigenen Erfahrung kein Zweifel -, dann wäre es widersinnig, diese Mittel zu kürzen. Nun ist es ja im Bereich der Hochschulen und Universitäten seit Jahrzehnten so, dass die für diesen Bereich zur Verfügung gestellten Mittel – insbesondere die Mittel für die Lehre – nicht mit dem ernormen Anstieg der Zahl an Studenten und Studentinnen Schritt gehalten haben. Soll heißen: Pro Student/Studentin wird immer weniger Geld ausgegeben, aber es sollen immer studieren. Gleichzeitig hat man das Besoldungssystem in den letzten Jahrzehnten derart verändert, dass die Bezahlung sich für sehr viele Mitarbeiter eher verschlechtert hat – viele der jüngeren Uni-Mitarbeiter wissen das gar nicht mehr. Lange Rede, kurzer Sinn: Das Studentenwerk braucht er mehr Geld!
Aber vielleicht will die Politik Studieren eher wieder unattraktiv machen, da in nicht-akademischen Berufen der Nachwuchs fehlt? Könnte ja sein….
Noch ein Kommentar zur Frage der Studiengebühren: Hier unterstütze ich die Position der Demonstranten nicht. Studiengebühren sind nicht zwingend unsozial, es ist eine Frage, wie diese gestaltet werden. Und warum eine Verkäuferin und ein Paketbote aus Stuttgart mit ihren Steuergeldern das Studium eines chinesischen Studenten bezahlen sollen – dessen Eltern evtl. auch noch zur neuen chinesichen Oberschicht gehören -, ist für mich nicht nachvollziehbar.
Ich bin ja schon seit Längerem gegen die ewige Fortschreibung ehrenamtlicher Tätigkeit für 0-Geld. Wenn der Staat das Geizen so fortsetzt, wird es wohl nicht nur für die Katholikinnen aus Lauchringen Zeit in den Streik zu treten, die Anerkennung und Gleichstellung ihrer Arbeit fordern. Immerhin zwei Wochen Ruhe im Ehrenamt. Ich meine, mindestens das Grundeinkommen könnte die 35-jährige Anwartschaft für die Mindestrente verkürzen.
Ist Konstanz außen vor beim bundesweiten Kirchenstreik? Beginnt Morgen 10.05.2019.