Klimanotstand: War da nicht mal was?
Seit knapp zwei Wochen besteht der Konstanzer Gemeinderat aus überzeugten Klimanotständlern und eine euphorisierte Stadtgesellschaft, oder zumindest Teile davon, kriegt sich vor Begeisterung gar nicht mehr ein. CDU-Oberbürgermeister Burchardt lässt sich bundesweit und weit darüber hinaus als „Öko“-Uli feiern und hat damit geschickt seinen persönlichen OB-Wahlkampf eingeleitet. Doch wie sieht es mit der Umsetzung der hehren Ziele bei uns aus? Eher schleppend, wie ein aktuelles Beispiel zeigt.
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Es empfiehlt sich, mit sprachlichen Einschätzungen moderat umzugehen. Wer einen Notstand verspürt, sollte eigentlich umgehend handeln und, steht ihm tatsächlich das sprichwörtliche Wasser bis zum Hals, den Mund nicht allzu weit aufreißen.
Nimmt man aber die Vorlage für die kommende Sitzung des Haupt- und Finanzausschusses genauer unter die Lupe, stößt man auf Tagesordnungspunkte, die nur schwer mit dem Ziel einer klimaneutralen Entwicklung vereinbar sind. Was lesen wir frischgeborenen Klimanotständler und Feierbiester da? „Der Haupt- und Finanzausschuss genehmigt (…) für den Austausch des Kunstrasens (Anm. d. Red: Gemeint ist der des Hockeyplatzes am Wasserwerk) (…) überplanmäßige Auszahlungen in Höhe von weiteren 35.000 Euro (insgesamt 70.000 Euro)“. Und weiter: „Nachdem bereits 2018 überplanmäßige Auszahlungen von 35.000 Euro bewilligt wurden, sind nun in 2019 weitere überplanmäßige Auszahlungen erforderlich.“
Was aber hat das mit der Umwelt zu tun? Kunstrasen ist seit Jahren eine höchst umstrittene Maßnahme, um den sportiven Bewegungsdrang unter freiem Himmel fast über das gesamte Jahr hinweg zu garantieren. Der Anteil von Kunstrasen-Partikeln am Mikroplastik in der Umwelt ist, so die Meinung seriöser Wissenschaftler, deutlich größer als bislang vermutet. In der Regel füllt man die Kunstrasenplätze mit Kunststoff-Granulat auf, so dass durch Verwehungen und Abrieb Plastikteile freigesetzt werden, die schlussendlich in unserer Nahrungskette landen.
Die neue Erkenntnis des renommierten Fraunhofer-Instituts zum Thema ist mehr als deutlich. Laut dessen Berechnung wurden Sportplätze erstmals als drittgrößte Quelle für Mikroplastik in Deutschland ausgemacht. Der größte Anteil daran wird hauptsächlich den Kunstrasenplätzen zugeschrieben. Den Wissenschaftlern zufolge, so eine aktuelle Mitteilung des Bayrischen Rundfunks, gelangen somit in Deutschland rund 11 000 Tonnen Mikroplastik in die Umwelt, also siebenmal so viel wie durch Kosmetikprodukte.
Und Konstanz ist mit im garstigen Spiel, denn Kunstrasenplätze, und davon gibt es viele im neuen Oberzentrum des Klimanotstands, werden oft mit Material aufgefüllt, das unter anderem aus alten Autoreifen hergestellt wird. Dabei gibt es Alternativen wie den Kork-Rasen, der auf natürlichem Wege abgebaut werden kann.
Wagen wir doch einen Blick über die Grenze, ins benachbarte Tägerwilen. Die kleine Gemeinde, noch nicht auf der Landkarte der aufgeklärten Klimanotstandsgemeinden, setzt bei der Sanierung ihrer Fußballplätze, auch hier war anfangs Kunstrasen im Gespräch, auf den ökologischeren und auch weitaus günstigeren Winternaturrasen.
H. Reile
Wie etwas hölzern auf Seite 8 der verlinkten Fraunhofer Studie formuliert wird „In Bezug auf die Reichweite, die Vielzahl an schwer zu fassenden diffusen Quellen und die Tatsache, dass die langfristigen Wirkungen im hohen Maße irreversibel sein dürften, wenn die Menschheit nicht rechtzeitig entgegensteuert, ist die Problemarchitektur von Kunststoffen in der Umwelt denen der Treibhausgase ebenfalls sehr ähnlich.“
Beide Problemfelder wirken mal schleichend mal merklich auf Mit- und Umwelt, sind Folgen des (unseres) vorherrschenden Lebensstils, der dominierenden Wirtschaftsweise und können die Lebenschancen der jüngeren und kommender Generationen auf dem Planeten stark beeinträchtigen.
Einige Punkte in denen sich Klimawandel und Kunststoffproblematik direkt oder vermittelt aufeinander beziehen, auch das Konkurrieren um öffentliche Aufmerksamkeit, werden in diesem Artikel mit Fokus auf „Plastik“ diskutiert: https://www.freitag.de/autoren/the-guardian/das-plastik-paradox
Also…
was hat Mikroplastik mit Klimaschutz zu tun?
Eigentlich wenig.
Der Artikel geht ein bisschen am Thema vorbei.
In einer Hinsicht gebe ich dem Autor aber recht. Die Verwaltung = der OB hat geschickt das Thema an sich gezogen und plötzlich ist der OB der Held. Eigentlich ist es ja der Gemeinderat, der nun wird zeigen müssen, dass er es ernst meint mit dem Klimaschutz. Was ich doch sehr hoffe! Den unser Überleben hängt davon ab!
Doch Hin- oder Her was das Ausschlachten des PR Erfolges betrifft, da sind ja immer sehr viele schnell dabei.
Tatsächlich haben wir aber einen Klimanotstand…eigentlich müßte längst jede Stadt auf dem Planeten den Notstand ausgerufen haben. Denn wir tun alle nicht genug. Die Zeit drängt angesichts der gewaltigen Aufgabe!
Wenn wir den Klimawandel, der uns falls wir ihn nicht aufhalten tausende von Jahren verfolgen wird und der unsere Existenz als Spezie gefährdet, aufhalten wollen, dann hilft nur selbst für menschliche Verhältnisse schnelles gesellschaftliches Umdenken.
Nehmen wir Deutschland.
In den nächsten 30 Jahren (bis 2050) müssen 80 Mio Menschen auf 0,0000 t Verbrauch an Erdöl, Kohle und Erdgas von derzeit 10.100 Petajoule (2018), das ist der fossile Anteil am Primärenergieverbrauch Deutschlands.
Das entspricht umgerechnet 241.000.000 t Erdöl.
Da sich offensichtlich nur wir engagierte Grüne uns vorstellen können, wie das gehen soll, kann man wohl zu recht, von einem Notstand sprechen. Einem klima(politischen) Notstand!
I want you to panic!“
Mir ist noch nicht ganz klar, wie der Zusammenhang zwischen Mikroplastik und dem Klimawandel ist.
Zwar würde ich pflanzlichen Rasen auch der Plastik-Variante vorziehen, aber den Zusammenhang aus dem Artikel verstehe ich nicht.
Wer nicht zur Mainau will, stelle sich einfach an einem sonnigen Samstag mal für eine halbe Stunde an den Kreisel am Döbele…
Wer am Mittwoch, 1. Mai 2019, mal einen Spaziergang zur Mainau gemacht hat, der hat mit eigenen Augen sehen und mit eigenen Ohren hören können, wie es um den „Klimanotstand“ in Konstanz bestellt ist und was für eine skurrile Augenwischerei dieses neue Etikett ist!…. Eine Menschenschlange vor den Kassen, dutzende Dieselbusse, hunderte, wenn nicht gar tausende Kraftfahrzeuge auf dem überfüllten Parkplatz, Karrossen mit Verbrennungsmotoren im Stau stehend runter zu den Mainauparkplätzen und auf Einweisung wartend….. Vielleicht hätte man die Besucher mal nach dem „Klimanotstand“ in Konstanz fragen sollen?! Ob sie je davon gehört haben? Das ist im wahrsten Sinne des Wortes motorisierter Massentourismus zu einem künstlich errichteten und geschickt vermarkteten „Biotop“, auf Kosten der gesamten UMWELT! Frei nach dem alten Motto: Ist der Ruf erst ruiniert, lebt`s sich völlig ungeniert! Die Kosten und „Kollateralschäden“ für dieses tagtäglich gepushte Event dürfen selbstverständlich alle Stadtbewohner tragen…., die werden sozialisiert, die Gewinne natürlich privatisiert… Ich erzählte spontan meiner Frau vom ausgerufenen „Klimanotstand“ in Konstanz, worauf sie sofort sagte: „lächerlich“…, und auch meinem Bruder konnte ich den „Klimanotstand“ in Konstanz nicht verheimlichen, woraufhin er direkt meinte (O-Ton): „Das ist ein großer Witz.“ Aber die provisorische Ausrufung eines „Klimanotstands“ kostet ja nichts (ausser ein bisschen politische Glaubwürdigkeit…, die die meisten PolitikerInnen eh schon eingebüsst haben),- die anhaltende tagtägliche Zerstörung der Umwelt durch die „zeitgemässe“ und vom Kapital geforderte Lebens- und Wirtschaftsweise aber hat ihren Preis und ihre unaufschiebbaren Auswirkungen auf Mensch und Natur…! Der Club of Rome hatte schon 1973 (!) alles Wesentliche zu Papier gemacht, über 45 Jahre danach fällt der Stadt Konstanz nichts besseres mehr ein als einen „Klimanotstand“ auszurufen! Ein jämmerliches Armutszeugnis und eine totale Kapitulation vor den Realitäten des menschlichen Handelns. P.S.: Muss die Stadt Konstanz als erste deutsche Stadt mit „Klimanotstand“ vielleicht jetzt auch noch Lizenz-/Urheberrechtsgebühren für die sensationelle und bahnbrechende Ausrufung des „Klimanotstands“ an den australischen „Erfinder“ des „Klimanotstands“ zahlen?… http://www.klimanotstand.com Hat sich jemand mal die Mühe gemacht dieses Sammelsurium durchzulesen? Ich glaube nicht, dass der Herr OB das unterschrieben hat bzw. so mitträgt…, abgesehen davon, dass darin z.T. haarsträubende Dinge stehen: Che Guevara hat alles mögliche gemacht, aber bestimmt nicht für „das Klima“ gekämpft und schon gar nicht friedlich!
@HelmutReinhardt: vielen Dank für das PDF mit den Angaben, wieviel Mikroplastik pro Mensch und Jahr („cap a“) ungefähr freigesetzt wird. Solange wir keine genaueren Daten haben müssen wir uns wohl auf solche Schätzungen stützen.
Mich stört an der Fraunhofer-Veröffentlichung etwas die scheinbare Genauigkeit auf ein Zehntelgramm – ermittelt durch „Email-Umfrage unter 250 Wissenschaftlern“!? Auch fokussiert der von BASF finanzierte Bericht im Textteil zu sehr darauf, dass nicht die Kosmetika- und Kunststoffindustrie Hauptschuld habe, wie alle glaubten, sondern Reifenabrieb, die „Gummibranche einzubinden“ sei. Am Ende beklagen die Autoren das nach ihrer Ansicht zu schlechte Image des Kunststoffs. Für mich weist das auf einen Interessenkonflikt hin.
Hier die/eine Kurzfassung der Konsortialstudie des Frauenhofer Instituts vom Juni 2018
„Kunststoffe in der Umwelt: Mikro- und Makroplastik. Ursachen, Mengen, Umweltschicksale, Wirkungen, Lösungsansätze, Empfehlungen“
Zahlen zu Kunstrasen siehe Seite 11.