Peuckmann und die Freiheit des Wortes
Am Mittwoch las Heinrich Peuckmann in der Spiegelhalle aus seinen Werken. Er ist nicht nur ein unverkennbar seiner Heimatregion verbundener Schriftsteller, sondern auch ein kritischer Geist, der immer wieder seinen Finger in Wunden legt. Der höchst produktive Schriftsteller, der Romane, Krimis, Erzählungen. Gedichte, Hörspiele und Essays verfasst hat, ist aktueller Generalsekretär des PEN-Zentrums Deutschland und versteht sich seit jeher als ein Verteidiger der Freiheit (nicht nur) des Wortes.
Heinrich Peuckmann wurde 1949 in Kamen im östlichen Ruhrgebiet geboren und ist in einer Bergmannsfamilie aufgewachsen. Damals war ganz klar, Realschule reicht völlig. Schließlich können nur Kinder aufs Gymnasium, deren Eltern englisch sprechen oder sich Nachhilfe leisten können. Und so legte Peuckmann nach dem Realschulabschluss am Aufbaugymnasium in Unna 1968 sein Abitur ab. Einer seiner Klassenkameraden hier war Schauspieler Dieter Pfaff. Nach dem Studium der Germanistik, Geschichte und evangelischen Theologie in Bochum arbeitete Peuckmann von 1974 bis 2011 als Lehrer am Städtischen Gymnasium in der Stadt Bergkamen. Dazu hatte er Gastdozenturen an der Tongji-Universität in Shanghai an der Fremdsprachenuniversität Jiaotong-Universität in Xi’an in „Deutsche Literatur“ inne.
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Fußball und Literatur
Einer, der geblieben ist. Viele seiner Romane und Krimis spielen in der Region, wenn auch nicht direkt in seiner Heimatstadt Kamen, sondern in Dortmund. Er ist jedoch, das sagt er selbst „kein regionaler Schriftsteller“. Schreiben ist für ihn „scharfe Wahrnehmung, fundiertes Wissen, genaue Recherche und präzise Arbeit“. Auch aus diesem Grund spielen seine Geschichten dort, wo er sich auskennt: „Ich benutze meine Umgebung, um realistische Geschichten zu schreiben. Ich möchte den Alltag möglichst exakt darstellen.“ Es sind Themen und Geschichten, die überall stattfinden können. Die Region ist nur eine Bühne, wenn auch keine zufällige. Mit seinen Romanen legt Peuckmann den Finger auf Wunden, fokussiert allgemeine Probleme und Ungerechtigkeiten, die sich überall, aber eben auch in seiner Heimatregion finden. Dabei verklärt Peuckmann weder seine Heimatstadt noch die Region. Er ist ein kritischer Geist. Aber irgendwie ist es ja immer so, was man liebt, das muss man auch kritisch sehen. Nur dann hält man es aus, das Stückchen Heimat. „Der Begriff Heimat hat Konjunktur. Durch das riesige System Europa brauchen die Menschen etwas, wo sie sich einhaken können“, sagt Heinrich Peuckmann. Und das möchte man ändern, verbessern, mitgestalten, damit man sich einhaken kann. Man will und soll auch stolz sein können auf seine Heimatstadt, sie nicht kleinmachen. So lobt denn Peuckmann auch den neuen Literaturpfad des Kulturkreises in Kamen, auf dem auf Stelen Zitate zum Thema Freiheit präsentiert werden. Er wohnt etwa 10 Minuten vom Stadtkern entfernt und schaut von seinem Schreibtisch aus ins Grüne. Und er hält sie aus, die Idylle. Schließlich ist er oft unterwegs zu Lesungen, zu Treffen des PEN, zu Spielen der Borussia. Es ist nicht weit nach Dortmund, Bochum oder nach Gelsenkirchen, wo er eigentlich nicht hinsollte als Borussiafan, wo allerdings das Musiktheater im Revier lockt.
Die Freiheit des Wortes
Heinrich Peuckmann ist am 10. Mai 2019 auf der Jahrestagung des PEN-Zentrums Deutschland zum neuen Generalsekretär gewählt worden. Die Verteidigung der „Freiheit des Wortes“ ist das Hauptanliegen des PEN. So wie die gegenwärtigen Tendenzen in der Welt verlaufen, fürchtet Peuckmann, wird wohl immer mehr Arbeit auf den PEN zukommen. Ein zentrales Thema des PEN bleibt der Einsatz für verfolgte Schriftsteller. „Es hilft, ihre Schicksale öffentlich zu machen“, sagte Peuckmann.
Am Mittwoch war Heinrich Peuckmann zu Gast in der Spiegelhalle des Theater Konstanz und stellte zwei seiner neuesten Werke vor:
„Gefährliches Spiel – Fußball um Leben und Tod“ ist im Verlag „Kulturmaschinen“ erschienen. Peuckmann nahm die anstehende Fußballweltmeisterschaft in Russland zum Anlass, den Band zu veröffentlichen. „Ich will auch auf die Schattenseiten des Fußballs verweisen, aber ebenso zeigen, dass es auch Menschlichkeit gab“, erklärt er. „Vieles tendiert heute in die rechte Ecke. Ich will zeigen, wie gefährlich Rassismus ist.“ Vordergründig geht es um Fußball, im tieferen Sinne aber um Abgründe im Menschlichen. In allen drei Geschichten geht es um Fußball im Totalitarismus: Die erste Geschichte erzählt von den Brüdern Starostin, die am Roten Platz ein Fußballspiel spielen, das sie in den Gulag bringt. In der zweiten Novelle treffen die Ex-HSV-Spieler Otto „Tull“ Harder und Asbjørn Halvorsen aufeinander. Der große Fußballstar der zwanziger Jahre, Kapitän der Nationalmannschaft, zweimal Deutscher Meister, nach dem ein Film gedreht wurde, tritt in die SS ein und wird tatsächlich KZ-Kommandant. Und im KZ sitzt sein Mannschaftskollege, der gefoltert und misshandelt wird. „Das unterdrückte Spiel“ erzählt von Gottfried Fuchs, einem jüdischen Fußballer, der emigrieren musste. Die Geschichten haben sich wirklich ereignet, sie sind sauber recherchiert und sehr bildhaft in Sprache umgesetzt worden.
Über Fußball kann Peuckmannn so einiges erzählen, über das „Wunder von Bern“, die Borussia, den DFB. Hierzu gehört auch das „Nachspiel“ zur Geschichte des jüdischen Fußballspielers Gottfried Fuchs, der an der Seite von Julius „Juller“ Hirsch 1910 Deutscher Meister mit dem FV Karlsruhe wurde. Von 1911 bis 1913 spielte er in der Nationalmannschaft. Hirsch wurde im KZ ermordet, Fuchs gelang die Flucht über die Schweiz und Frankreich nach Kanada. Später nahm Nationaltrainer Sepp Herberger per Brief Kontakt mit ihm auf: „Godfrey Fochs“ – wie er sich jetzt nannte – sei immer Herbergers Vorbild gewesen, sein Weltrekord – zehn Tore in einem Länderspiel – sei unerreicht. Herberger bemühte sich, den Ex-Nationalspieler offiziell ehren zu lassen, doch der DFB lehnte ab, ihn auch nur zu einem Länderspiel einzuladen – man wolle keinen Präzedenzfall schaffen.
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Krimi als Gesellschaftsroman
Auch aus „Im Kerker“ las Peuckmann. Sein frühpensionierter Dortmunder Kriminalkommissar Bernhard Völkel, der auch ein wenig an den Autor erinnert, ist inzwischen eine feste Größe in der Krimiwelt. Sieben Romane hat er mit Völkel als Helden bisher vorgelegt, nun ist der achte „Fall“ erschienen. Gleichzeitig ist das schon das 60. Buch des Autors. Völkel wird darin informiert, dass vor einem Asylbewerberheim ein Mann, offensichtlich ausländischer Herkunft, steht und einen Bewohner beobachtet. Zur Rede gestellt erzählt der Mann, ein Blogger, dass er den Bewohner aus seiner Zeit in syrischen Gefängnisse kenne und der Mann ihn dort gefoltert hätte. Peuckmann hat auch für dieses politisch-aktuelle Thema genau recherchiert. „Es gibt etwa 100 Geheimdienstler, die in ihren Ländern gefoltert haben und jetzt untertauchen“, dagegen gibt es bei uns in Deutschland viele Menschen, die sich in einer schutzwürdigen Situation befinden. Das kennt Peuckmann auch aus seiner Arbeit bei PEN: „Wir haben ein Programm für verfolgte Autoren“. Zurzeit sind vor allem Blogger stark gefährdet, da sie viel weniger zu kontrollieren und zu zensieren sind.
In seinen Krimis, ebenso wie in den Ruhrgebietsromanen, thematisiert der Autor Politisches und weist auf soziale Missstände hin. Er sieht den Krimi als „Gesellschaftsroman“, möchte nicht einfach nur unterhalten, sondern schreibt in der Tradition der Werkliteratur für die Arbeiterschaft. Sein Schreiben genauso wie sein Wirken als Generalsekretär des PEN versteht er auch als politische Arbeit.
Neben Romanen, Krimis und Erzählungen schreib Heinrich Peuckmann auch Essays, Reportagen, Theaterstücke, Hörspiele, Kinderbücher und Gedichte, die ihn das ganze Jahr hindurch begleiten. Eines hat er vorgelesen, über seinen Vater „für den die Arbeit unter Tage zu hart war, viel zu hart, diese Maloche in Staub und Hitze … das niemals, niemals das“. Und er hat es geschafft. Er hat doch noch Abitur gemacht als Bergmannssohn, hat studiert, war Lehrer und schreibt und schreibt …
Dani Behnke (Foto: Theater Konstanz/Eivind Haugland)