Wenn der Saturn auf die Milz drückt

Seitdem der Konstanzer Gemeinderat einer Waldorfeinrichtung einen Zuschuss über 277 000 Euro gewährte, wird auf seemoz kontrovers über diese esoterische Sondergemeinschaft diskutiert. Bislang konnten sich die Anthroposophen sicher sein, dass vor allem in der Tagespresse nur wohlwollend über sie berichtet wird. seemoz hält dagegen und veröffentlichte bereits mehrere kritische Texte über die Waldorfbewegung. Hier ein Interview mit dem SWR-Redakteur Dietrich Krauß.

Herr Krauß, Sie haben vor rund fünf Jahren für den SWR eine Dokumentation über die Waldorfschulen gedreht. Was genau war damals das Thema?

Wir waren in verschiedenen Waldorfschulen, unter anderem in Stuttgart und Schwäbisch Hall. Gedreht haben wir auch in einem anthroposophischen Lehrerseminar. Dazu haben wir mit vielen ehemaligen Waldorfschülern, deren Eltern und mit Waldorflehrern gesprochen. Wir hatten also sehr ausgewogenes Material von Leuten, die überzeugt sind von der Waldorfpädagogik und anderen, die sie ablehnen. Daraus ist dann ein 45-minütiger Film entstanden.

Ging es dabei nur um die Waldorfpädagogik?

Ja, wenn man schulpflichtige Kinder hat, ist das einfach ein Thema. Aber ich bin dann vom Glauben abgefallen, als ich mich mit dem ideologischen Hintergrund befasst habe.

Haben Sie auch die Erfahrung gemacht, dass viele Eltern gar nicht wissen, womit ihre Kinder tagtäglich konfrontiert werden?

Ja, das ist in der Tat haarsträubend. Was ich ganz erschreckend fand, war, was da in der anthroposophischen Lehrerausbildung passiert. Das ist wirklich unglaublich. Die wurden mit Unterlagen bombardiert, in denen beispielsweise drin steht, dass man sich in die Texte hinein versinken müsse. Kritische Distanz ist da nicht gefragt, es geht vorrangig um meditatives Nachvollziehen. Die lesen dann jeden Tag stundenlang dieses krude Zeug über Rudolf Steiners Menschenkunde. Ich kann nur jedem empfehlen, sich das mal in der Bibliothek auszuleihen und das zu lesen.

Sie haben sich also zum ersten Mal diesem Thema angenähert?

Ja, richtig. Der Aufhänger war, dass die Waldorfbewegung hier rund um Stuttgart so eine Art Mainstream für die Bildungsbürger darstellt. Aber nochmal zurück zur Lehrerausbildung. Wenn man sich Steiners Originaltexte anschaut, die den Leuten während ihrer Ausbildung sehr intensiv verabreicht werden, dann glaubt man das kaum. Aber vor allem in Baden-Württemberg haben die Anthroposophen wohl eine Wildcard. Später haben wir aus dem Filmmaterial noch einen Beitrag für frontal 21 gemacht und da sagt ein Schulrechtler klar, dass das eigentlich verfassungswidrig ist, wie es in Baden-Württemberg läuft. Die Waldorflehrer haben keine staatliche Ausbildung, sondern nur ihre interne Waldorfausbildung und dürfen dennoch in insgesamt acht Fächern Kinder unterrichten.

Da stellt sich schon die Frage, warum die Waldorfschulen dennoch so viel Erfolg haben. Sie schießen ja wie Pilze aus dem Boden

Ich sehe das ein wenig als Ventil für die Zumutung des baden-württembergischen Schulsystems. Immer mehr Eltern sind unzufrieden damit, wie sich das staatliche Schulsystem präsentiert. Davon profitieren die Waldorfschulen. Wenn man dann aber schaut, wie diese angebliche Alternative aussieht – dass da Leute, die nicht studiert haben und nur den ganzen Tag Steiner gelesen oder getöpfert haben – dass die dann unterrichten dürfen, da kann ich wirklich nur fassungslos den Kopf schütteln.

Wie haben die Anthroposophen auf Ihren Film reagiert?

Sehr aufgebracht. Ich habe aus meinem Material noch einen kleinen Extrafilm geschnitten und darin einen Kriminologen interviewt, der interessanterweise nachweisen konnte, dass Waldorfschüler beim Thema Schulhofgewalt Spitzenplätze belegen. Das verbindet man ja kaum mit dieser Schulform. Daraufhin sind die auf die Barrikaden. Das ging bis zum Rundfunkrat und man versuchte mit allen Mitteln, mir am Zeug zu flicken. Dazu gab es massenhaft Zuschriften und riesige Aufregung. Aber der Sender stand hinter uns, denn das Material war eindeutig. Die Anthroposophen sind eben so was wie eine heilige Kuh. Wir haben unser Material – darunter viel esoterischen Kram – auch dem Lehrerverband und Leuten von der Uni gezeigt. Die wissen ja oft nicht, was an dieser Parallelwelt Waldorfschule getrieben wird. Die waren alle völlig von den Socken.

Als hier in Konstanz ein Zuschuss über knapp 300 000 Euro für einen Waldorfkindergarten in Frage gestellt wurde, haben sich vor allem die Grünen gegen diese Kritik verwahrt…

Kein Wunder, das ist zum Teil deren Klientel. Die Grünen sind da völlig unkritisch. Aber gerade in den Waldorfkindergärten muss man ganz genau hinschauen. Dort werden zum Teil Speisepläne aufgestellt, die sich nach dem astrologischen Kalender richten. Am sogenannten Saturntag gibt es dann nur das und das, weil speziell an diesem Tag angeblich der Saturn auf die Milz drückt.

Angesichts Ihrer Erlebnisse werden Sie Ihre Kinder nicht in eine Waldorfschule schicken…

Sicher nicht. Aber die würden auch kein Kind von mir nehmen.

Autor: Das Gespräch führte Holger Reile