Hetze unter dem Deckmantel des Tierschutzes?
Turbulente Szenen spielten sich am vergangenen Samstag während einer Veranstaltung vor dem Konstanzer Palmenhaus ab, bei der Gruppen aus Deutschland, der Schweiz und Italien am weltweit begangenen „Animal Pride Day“ für mehr Tierrechte warben. Wie seemoz gestern berichtete, protestierten dort nämlich AntifaschistInnen mit Flugblättern und einem Transparent gegen die Präsenz einer Schweizer Vereins, dessem Gründer vorgeworfen wird, sich wiederholt antisemitisch geäußert zu haben. Zu den Vorfällen dokumentieren wir eine Stellungnahme des „Offenen Antifaschistischen Treffens“, das an der Spontanaktion beteiligt war.
Aktivist*innen des Offenen Antifaschistischen Treffens (OAT) und anderer linker Gruppen in Konstanz haben vergangenen Samstag gegen den Auftritt des Vereins gegen Tierfabriken (VgT) auf dem Animal-Pride-Day-Festival demonstriert. Die Spontandemo richtete sich gegen den VgT-Vorsitzenden Erwin Kessler, der seit Jahren dadurch auffällt, dass er im Namen seines Vereins strittige Aussagen über Jüdinnen und Juden verbreitet. Dabei kam es auch zum tätlichen Angriff Kesslers auf eine Antifaschistin. Die herbeigerufene Polizei musste die Mitglieder des VgT und andere Teilnehmer*innen des Animal Pride Day auffordern, den Protest des OAT nicht zu behindern.
„Die Anwesenden haben das Recht auf eine Spontan-Demonstration. Bitte hören Sie auf, sich vor das Transparent zu stellen.“ Die Ansage des Polizisten ist deutlich: Bis gerade eben hatten die Mitglieder des Vereins gegen Tierfabriken (VgT) und des Animal Pride versucht, ein Transparent mit der Aufschrift „Gegen jeden Antisemitismus“ zu verdecken, indem sie sich gesammelt davor aufstellten. Auch einen Platzverweis gegen die Antifaschist*innen wollten die Vereinsmitglieder aussprechen – beides ohne Erfolg: Zwar mussten sich die Mitglieder des OAT 20 Meter vom Infostand des VgT entfernen, um, so die Polizei, „die Sicherheit [der Gegendemonstrant*innen] zu gewährleisten“, ihr Transparent durften sie aber dennoch weiter zeigen. Zuvor hatten die Antifaschist*innen Flugblätter verteilt, auf denen über die antisemitismusnahen Äußerungen des VgT-Vorsitzenden Erwin Kessler aufgeklärt wurde.
[the_ad id=“63034″]
Kesslers Positionen zum Judentum sorgen seit Jahrzehnten für Kritik: So hatte der 75-jährige seitenweise Zitate des verurteilten Holocaustleugners Jürgen Graf auf der Website des VgT verbreitet und sich dafür einen Prozess wegen Rassendiskriminierung eingehandelt. [1] Später verteidigte er Graf, der, um einer Verurteilung wegen Volksverhetzung zu entgehen, nach Russland geflüchtet war, und bezeichnete ihn als „politischen Flüchtling“. [2] Kritikern unterstellte Kessler wiederholt, sie seien „verdeckte Juden“[3] und behauptete, ganze Verlagshäuser seien „jüdisch beeinflusst“[4]; die Gratiszeitung „Metropol“ bezeichnete er als „verlogenes Judenblatt“[5], das „verlogene, jüdisch orientierte Desinformation“ betreibe. Kessler griff auch wiederholt auf den umstrittenen Holocaust-Vergleich zurück, bei der er Massentierhaltung mit der Ermordung von Menschen in den nationalsozialistischen Vernichtungslagern gleichsetzte. All das geschah nicht privat, sondern auf der offiziellen Website des VgT. Der Verein durfte vergangenen Samstag mit einem Infostand auf dem Animal-Pride-Day-Festival auftreten. Mitglieder des OAT hatten die Veranstalter des Animal Pride Day zuvor per Mail über Kesslers fragwürdige Aussagen informiert und angeregt, den VgT auszuladen – ohne Erfolg.
Der Animal Pride Day ist ein Festival für Tierrechte, das von der länderübergreifenden Tierschutzorganisation Animal Pride ausgerichtet wird. Ziel ist es, verschiedene Tierrechtsorganisationen vorzustellen und die Öffentlichkeit für die Wichtigkeit des Tierschutzes zu sensibilisieren. Das OAT begrüßt es, dass sich der Animal Pride für Tierschutz einsetzt, warnt aber davor, Organisationen eine Plattform zu geben, die unter dem Deckmantel des Tierschutzes Hetze gegen Minderheiten betreiben. Der Protest des OAT ist bei vielen Besucher*innen des Animal Pride Day Konstanz auf großen Zuspruch gestoßen. Viele Interessierte suchten das Gespräch und bedankten sich für die Aufklärungsarbeit.
Quellen:
[1] https://www.nzz.ch/articleA0Z94-1.341491
[2] https://chronologie.gra.ch/a…/einschaetzung-rassismus-20061/
[3] https://www.derbund.ch/…/knatsch-unter-den-t…/story/25242616
[4] https://www.vgt.ch/news_bis2001/981208.htm
[5] https://web.archive.org/…/h…//www.vgt.ch/news2002/020215.htm
MM/jüg