BürgerInnenprotest vertreibt Identitäre

Das hatte sich die Identitäre Bewegung wohl anders vorgestellt: Ein spontaner Gegenprotest sorgte am vergangenen Samstag auf der Konstanzer Marktstätte für einen frühzeitigen Abbruch des Infostandes der NeofaschistInnen. LLK-Stadtrat Reile will von der Stadt Auskunft über die erneute Standgenehmigung für die völkischen Rechten.

Die Identitäre Bewegung (IB) ist umzingelt: AntifaschistInnen stehen Hand in Hand mit PassantInnen vor dem Infostand der neurechten Hetzer auf der Markstätte, entrollen ein Transparent mit der Aufschrift „Gemeinsam und solidarisch gegen rechte Gewalt“ und skandieren Parolen gegen Faschismus. Eigentlich wollte die IB hier für ihre menschenfeindlichen Inhalte werben – aber sie haben die Rechnung ohne den Wirt gemacht. Schon kurz nach dem Aufbau des Standes verteilen AktivistInnen des „Offenen Antifaschistischen Treffens“ (OAT) Aufklärungstexte über die neofaschistischen Standpunkte der IB – mit Erfolg: Spontan schließen sich zahlreiche PassantInnen dem antifaschistischen Protest an.

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Ganz friedlich bleibt es dabei nicht: Nach einem Essigessenz-Angriff eines IBlers auf einen Antifaschisten kommt es zu einer kurzen Rangelei, bei der der Infostand der IB umfällt. Kurz danach trifft die Polizei ein und trennt die Gruppen. Einschüchtern lassen sich die circa 30 Protestierenden davon nicht und formen eine Menschenkette um den Stand. Die Botschaft der BürgerInnen kommt an: Die Mitglieder der IB, darunter auch der hiesige „Ortsgruppenleiter“ Dominik Böhler, verstehen, dass sie nicht erwünscht sind und brechen ihren Infostand vorzeitig ab. Am Rande des Geschehens wird auch Ordnungsamtsleiter Klaus Holzer gesichtet, der einer Beteiligten zufolge darum bittet, die Identitären gewähren zu lassen, ihr Infostand sei ordnungsgemäß angemeldet.

Derweil hat Linke-Liste-Stadtrat Holger Reile eine Anfrage an die Leiterin der zuständigen Genehmigungsbehörde gerichtet, die nun bereits zum zweiten Mal umstandslos den Auftritt der völkischen Neurechten genehmigte. Reile will von Bürgeramtschefin Anja Risse nicht nur wissen, wann der Stand genehmigt wurde, wer ihn beantragt hat und unter welchem Motto; vor allem interessiert ihn, ob die Genehmigungsstelle im Vorfeld versucht habe, „die Standgenehmigung zu verweigern mit dem Hinweis, dass die Stadt Konstanz verhindern möchte, dass Rechtsradikale in unserer Stadt auf sich aufmerksam machen können und volksverhetzende Parolen verbreiten“. Zudem fragt der Ratslinke, ob „die zur Verfügung stehenden Rechtsmittel genutzt“ wurden, den IB-Auftritt zu unterbinden, auch verlangt er Auskunft, ob mit weiteren IB-Ständen zu rechnen sei, „die eventuell bereits genehmigt wurden“.

Die Identitäre Bewegung gehört zur Speerspitze der neurechten Strömungen und wird mittlerweile sogar vom – sonst notorisch auf dem rechten Auge blinden – Verfassungsschutz als „rechtsextremistisch“ eingestuft. Die IB versucht modern, jugendlich und cool aufzutreten und ihre Hetze mit Euphemismen zu verschleiern: Der Rassismus ihrer Gedankenwelt kommt als „Ethnopluralismus“ daher, statt von „genetischem Mangel“ sprechen sie von „Kulturdefizit“. Die Implikation bleibt gleich: „Rassen“ und Kulturen dürfen sich in ihrem Weltbild nicht vermischen, die ethnischen Wurzeln sollen darüber entscheiden, wo ein Mensch leben darf und wo nicht. Gemischt wird diese Idee mit antimuslimischem Rassismus, einem veralteten Frauenbild, Verschwörungstheorien und Nationalismus.

MM/jüg (Foto: Privat)