Identitäre Bewegung unter Artenschutz?
Wie seemoz und Südkurier berichteten, bekam die rechtsextreme Gruppe „Identitäre Bewegung“ (IB) vergangenen Samstag erneut eine Standgenehmigung für ihre braune Propaganda. Wir wollten von Bürgeramtsleiterin Anja Risse unter anderem wissen, ob sie alles versucht habe, den Neonazis Paroli zu bieten und ihnen einen öffentlichen Auftritt zumindest zu erschweren. Hier Frau Risses Antwort, die wir nicht unkommentiert lassen wollen.
Sehr geehrter Herr Reile,
anbei die Antworten zu Ihren Fragen:
Der Stand wurde von der Identitären Bewegung am 08.07.2019 beantragt und am 17.07.2019 wurde die Sondernutzungserlaubnis erteilt. Den Namen des/der Antragstellers/Antragstellerin kann ich Ihnen aus Datenschutzgründen nicht nennen.
Angegebenes Thema des Standes war „Wann wirst du aktiv?“.
Solange eine Partei oder Gruppierung nicht verboten ist, haben wir keine Handhabe einen solchen Antrag abzulehnen. Dies gilt für alle politischen Richtungen, sowohl nach links, als auch nach rechts. Außerdem sind uns keine gravierenden polizeilichen Vorkommnisse im Zusammenhang mit der örtlichen Gruppierung der Identitären Bewegung bekannt. Allein die Tatsache, dass die IB durch den Verfassungsschutz beobachtet wird, rechtfertigt noch keine andere Vorgehensweise.
Es sind derzeit keine weiteren Stände der IB genehmigt.
Mit freundlichen Grüßen aus der Konzilstadt Konstanz
Anja Risse
Amtsleiterin
Eine erbärmliche Vorstellung
Letzten Samstag wollten KlimaaktivistInnen den Stephansplatz kurzfristig umwidmen und darauf hinweisen, dass dieser versiegelte innerstädtische Raum Besseres verdient hat, als mit Autos zugeparkt zu werden. Geplant war, dort zwischen 11 und 17 Uhr Blumentöpfe und Liegestühle aufzustellen. Doch das Bürgeramt sah in der geplanten Aktion eine „Sicherheitsgefahr“ und versagte eine Genehmigung.
Zum gleichen Zeitpunkt und quasi um die Ecke konnten die Neonazis der Identitären Bewegung, ausgestattet mit einer Genehmigung der Behörde, ihren Stand aufbauen, um auf der belebten Marktstätte ihren braunen Hirnmüll unters Volk zu bringen. Für Frau Risse kein Problem, wie ihre Antworten deutlich belegen. Die rechtsextremen Hetzer und Rassisten werden das gerne lesen, kommen die Einschätzungen der Amtsleiterin fast schon einer Einladung gleich, es einfach nochmal zu versuchen.
Großartig dagegen die Reaktionen auch vieler Passanten, die couragiert gegen die Rechtsextremen vorgingen und ihnen das üble Geschäft vermasselten. Daran sollte sich Frau Risse zukünftig orientieren, wenn der nächste Antrag auf einen IB-Stand auf ihrem Tisch liegt. Zumindest das kann man von ihr verlangen, will sie sich nicht dem Vorwurf aussetzen, auf dem rechten Auge ziemlich blind zu sein.
H. Reile
Immer wieder erstanunt, was die Feder so hergibt. Die Identitäre Bewegung ist mehr als zweifelhaft. Gut, dass anwesende Bürger auf der Markstätte reagiert haben.
Frau Risse auf Grund ihrer Stellungnahme in eine Reihe mit Nazijuristen zu stellen, das macht mich allerdings sprachlos. Das ist nicht nur unangemessen und beleidigend, vielmehr eine unzulässige, fragwürdige Verharmlosung des Nazinolasozialismus. Einige Kommentare hier sind unsäglich. Bleibt zu hoffen, dass sich die Identitären hier so unwohl gefühlt haben, dass sie so schnell keinen Stand mehr in Konstanz machen wollen. Wo der Amtsschimmel wiehrt, bleibt immer noch gewaltfreie Zivilcourage. Danke an Alle, die dort waren.
… die kommt von mir. Ich finde, auch Sie übertreiben maßlos Herr Stribl.
Sie haben ja recht damit, dass vor allem die Nazi-Gerichtsbarkeit relativ unbeschadet in der BRD weitermachen konnte und damit die junge BRD auch stark geprägt hat. Aber die sind zum Glück inzwischen alle tot und vergessen. Freisler hat´s wenigstens noch im Krieg durch Bombenangriff erwischt und er gammelt ungenannt in einem Berliner Grab vor sich hin.
Wenn Sie jetzt ernsthaft eine Verwaltungsangestellte wie Frau Risse mit diesen verbrecherischen Jutisten vergleichen, sind SIE es, der hier die Nazizeit verniedlicht!
Dass rassistisches, nazistisches und sonstwie rückständiges Denken in nicht kleinen Teilen unserer Gesellschaft weiterhin gepflegt wird ist gerade in den letzten Jahren offensichtlich geworden.
Aber die Mehrheitsgesellschft hält dagegen! Das haben dann wohl auch die Identitären auf der Marktstätte gemerkt.
Ich bleibe dabei: Wer die heutigen Rechten (abgesehen von den tatsächlichen Totschlägern und Mördern), die weit davon entfernt sind hier im Lande die Macht übernehmen zu können, mit den Verbrechern der Nazizeit vergleicht, verniedlicht in hohem Maße die Naziverbrechen!
@Christoph Stolz
Interessant, welchen Kuhhandel Sie da vorschlagen. Natürlich bleibt es Ihnen unbenommen, zu glauben, was Sie wollen.
Daß Sie den Eindruck erwecken, mit Ihren Äußerungen die NS-Zeit zu verniedlichen, erscheint dagegen greifbarer und realistischer als nebulöser Glaube.
Das gilt umso mehr, als die „damals handelnden Personen“ Mitstreiter zuhauf fanden, die in der BRD-„Demokratie“ deren Urteilen im Dritten Reich Persilscheine ausstellten. Siehe Filbinger – Oettinger.
Eine Warnung oder Mahnung vor dem Aufkommen neuerlicher furchtbarer Juristen als triefenden Pathos zu bezeichnen – das sei dem Geschmack der Leser zur Beurteilung überlassen.
Mich werden Sie nicht dazu bewegen, Rolf Hochhuth, Jörg Friedrich oder Lea Fleischmann gegen Paragraphensammlungen einzutauschen. Die Letztgenannte hat übrigens von Demokratiespielen in der BRD geschrieben. Neben den sechs Millionen Juden, die vernichtet wurden, gab es – nebenbei – 27 Millionen Tote der UdSSR, die durch die Nazis starben. Heute nur zu gerne vergessen im Rahmen von Putin-Bashing.
Ich warte auf Ihre Pathos-Keule.
@Peter Stribl
Ich ziele auf überhaupt keinen nationalsozialistischen Richter ab! Dies war eben mein Punkt.
Mein Kommentar bezog sich auf den Kommentar von Frau Thalmann – insbesondere der letzte Absatz, der ja vor Pathos nur so trieft.. Mit Verlaub, ich glaube der Vergleich von Frau Risse mit den damals handelnden Personen ist schlichtweg unangebracht und hinkt in etwa wie ein beinamputierter Elefant.
Ich bin einverstanden, mir Herrn Jörg Friedrichs Sachbuch zu Gemüte zu führen, wenn ich dafür im Gegenzug eine Zusage erhalte, dass einige der hier schreibenden Personen dafür „Öffentliches Recht Baden-Württemberg“ von Herrn Markus Kenntner auf den Nachttisch legen.
@Christoph Stolz
Der nationalsozialistische Richter, auf den sie offensichtlich abzielen, war ja auch ein stinknormaler CDU-Landesvater.
Bitte mal „Die kalte Amnestie“ von Jörg Friedrich lesen. Interessant, die Schnittmengen des Dritten Reiches mit
– der CDU
– der Rechtssprechung, der Rechtssprecher der damaligen wie auch der heutigen, marktorientierten „Demokratie“.
Ein Rechts- und Demokratieverständnis wird hier an den Tag gelegt, da kann man sich als Verwaltungswirt wirklich nur wundern ..
Widerborstiger Pathos in allen Ehren, aber die Verwaltung nun zum Helfer der IB hochzustilisieren ist maßlos übertrieben.
Bitte mal ohne politische Brille im Grundgesetz und Verwaltungsrecht stöbern, bevor Frau Risse hier in eine Reihe mit nationalsozialistischen Richtern gestellt wird ..
Die „Konstanzer Erklärung FÜR eine Kultur der Anerkennung und – GEGEN Rassismus“ sollte dringend ergänzt werden.
Sie beginnt bisher so: „Konstanz versteht sich als weltoffene, liberale Stadt, die sich für Chancengleichheit aller Menschen, die in ihr leben, einsetzt.“
Der Wahrheit zuliebe sollte folgender Satz angefügt werden: „Ausdrücklich ausgenommen hiervon ist aufgrund ihres eigenen Wunsches sowie aufgrund ihres täglichen Handelns die Verwaltung der Stadt Konstanz, die ihre obrigkeitlichen Rechte nach ihrem eigenen Gutdünken wahrnehmen wird.“
Die Juristin, die an der Friedrich Schiller Universität in Jena studierte, hat wohl kein Problem mit Rechtsaußen.
In welcher Tradition schaltet und waltet sie?
Offensichtlich nicht in der Friedrich Schillers, sonst würden bei ihr die Glocken, nicht nur die festgemauerten in der Erde, dröhnen,
wenn es um rechtsextreme „Nationalhelden“ geht.
Es scheint, dass sich die Bürgeramtsleiterin lieber auf der für sie juristisch bequemen, sicheren Seite bewegt.
Mit dieser Entscheidung stellt sie sich in die Tradition der Juristen, die bei den Nationalsozialisten durch ihre Urteile zahlreiche Menschenleben vernichtet haben und der vielen, die nach 1945 in diesem Sinne motiviert weiter agierten.
Es gibt viele Möglichkeiten Rechtsblindheit zu kurieren – auch hier in Konstanz gibt es Hilfe!
@Daniel Sartor
Frau Risse hat noch mehr „vergessen“. Bspw. die rassistischen IB-Auftritte während der Fasnacht. Aber das scheint die Leiterin des Bürgeramts schlichtweg nicht zu interessieren.
Das liest sich sehr interessant und bedeutet demnach, dass es aus rechtlich- und polizeilicher Sicht kein Problem darstellt, ohne Genehmigung auf eine öffentliche Statue zu klettern und diese zu verhüllen. Oder hat die Frau Risse schlicht die Aktion mit der Imperia vergessen?
Keine Hand breit dem braunen Pack. Wenn Frau Biederfrau keinen Grund zum Stop sieht, richtet es halt der Bürger.
@Marlene Radolf
„Die Konstanzer Stadtverwaltung enttäuscht mich sehr.“
Meine Erwartungen werden voll erfüllt. Ab und zu wird launigerweise was Fortschrittliches verkündet mit viel Trara und nichts Konkretem dahinter. Flugs geht es danach weiter im Stil der Widerstandskämpfer wie Filbinger oder der marktorientierten „Demokraten“ wie Oettinger und wie sie alle heißen.
BoFo, Zensur im Amtsblatt, Büdingen, verbotene und grotesk verbogene Demonstrationen, hier Klimanotstand, da ein neues Parkhaus. Es sind halt Cleverles. Über die bräunliche Erscheinung muß der Wähler nunmal hinwegsehen. Wozu gibts denn in drei Teufels Namen eine repräsentative Demokratie?
Man weiß schon nicht mehr, wo man anfangen soll. Von einem Ende ist ohnehin keine Rede.
Die Konstanzer Stadtverwaltung enttäuscht mich sehr.
Es scheint der Bodenseekreis und die Region Radolfzell, Singen bis Konstanz sind von der damaligen Entnazifizierung, wie das so schön genannt wurde, verschont geblieben. Die gesamte Urlaubsregion wurde unter dem Schutzschirm der Nationalsozialistischen Führungsriege als Kraft durch Freude Destination besonders gefördert (z. B. Pfahlbauten in Unteruhldingen)
Da ist mancher Bürgermeister oder Gemeinderat möglicherweise bis heute gefühlsmäßig zu großem Dank verpflichtet. In Langenargen scheint es findet man nichts dabei, einem auf dem rechten Auge blinden Sicherheitsdienstleister mehr als das Tafelsilber anzuvertrauen und das auch noch lobend herauszustellend, während man kritische Presseanfragen von einem Anwaltstrio beantworten lässt. Mehr? http://satiresenf.de/ts7719-cms-sicherheit-gemeinde-langenargen-beantwortet-presseanfrage-ueber-anwaltskanzlei/