Aber die Abgeordneten antworten nicht
In der Region ist Doris Künzel für ihren Einsatz für Flüchtlinge und ausländische MitbürgerInnen seit Jahren bekannt. Aktuell, aber nicht zum ersten Mal, gilt ihr Engagement den bei uns lebenden Roma, die seit Jahren in ständiger Angst vor der Abschiebung leben. In einem Offenen Brief fordert Künzel die Landtagsabgeordneten Siegfried Lehmann (Grüne), Hans-Peter Storz (SPD) und Wolfgang Reuther (CDU) zur Solidarität auf. Aber die Abgeordneten rühren sich nicht und antworten nicht.
In ihrem Brief, der die Konstanzer Abgeordneten bereits vor Wochen erreichte, fordert Künzel einen generellen Abschiebestopp nicht nur in Baden-Württemberg (mittlerweile hat sich auch NRW zu einer, zeitlich begrenzten, Aussetzung der Abschiebung durch gerungen). In Namen der VVN-BdA (Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes, Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten) nennt sie gute Gründe, die gerade uns Deutsche veranlassen sollten, für ein dauerhaftes Bleiberecht der Sinti und Roma in Deutschland und in anderen europäischen Ländern zu sorgen. Der Offene Brief im Wortlaut:
„Offener Brief an die Landtagsabgeordneten
Wir, die Mitglieder der VVN-BdA Kreisvereinigung Konstanz, begrüßen den vorläufigen Abschiebestopp für Roma aus dem Kosovo vom August diesen Jahres in Baden-Württemberg. Wir sehen darin einen mutigen Schritt der neuen Landesregierung hin zu mehr Humanität und dem Schutz der verfolgten und bedrohten Minderheit der Roma. Obwohl Amnesty International die Lebenssituation der Roma im Kosovo als politische Verfolgung bezeichnet und sich der Europarat, Hilfsorganisationen und Kirchen gegen Abschiebungen in den Kosovo aussprechen, wurden Roma aus dem Kosovo von der ehemaligen CDU-Landesregierung rigoros abgeschoben.
In Baden-Württemberg sind derzeit ca. 1200 Roma aus dem Kosovo und anderen Ländern des Balkan von Abschiebung bedroht: Menschen, die oftmals mehr als 15 Jahre hier gelebt haben, Kinder und Jugendliche, die hier geboren, aufgewachsen und integriert sind und im Kosovo keinerlei Zukunftschancen besitzen, alte und kranke Menschen, die nach ihrer Abschiebung weder Wohnraum noch eine medizinische Versorgung erhalten. Der Obmann für Menschenrechte im kosovarischen Parlament, Sami Kurthesi verdeutlicht die Situation der Abgeschobenen so: „Wenn die Eltern keine Arbeit haben und möglicherweise auch keine Wohnung, werden sie entweder versuchen, wieder zu fliehen oder sie werden kriminell oder sie sterben einfach.“
Dass diese Einschätzung nicht übertrieben ist, zeigen bisherige Todesfälle. Wir erachten deshalb den vorläufigen Abschiebestopp der neuen Landesregierung als ersten und dringend notwendigen Schritt. Als letztes Jahr die französische Regierung für ihre gnadenlose Abschiebepolitik gegenüber Roma aus Rumänien und Bulgarien international massiv kritisiert wurde, haben deutsche Politiker behauptet, so etwas gäbe es in Deutschland nicht. Dies war gelogen. Dass auch wir Roma im großen Stil und mit verheerenden Konsequenzen deportiert haben, wurde verschwiegen – sie waren ja keine EU-Bürger.
Die Nürnberger Rassengesetze der Nationalsozialisten von 1935 haben Juden und Roma gleichermaßen getroffen. Auch die Roma wurden systematisch aus der Gesellschaft ausgeschlossen, verfolgt und in den deutschen Vernichtungslagern ermordet. Jahrzehntelang wurde der Völkermord an 500 000 Roma aus ganz Europa in Deutschland geleugnet und eine Wiedergutmachung und Entschädigung der Opfer verweigert.
Heute wird das Volk der Roma in Europa erneut diskriminiert, verfolgt und vertrieben. Ihre Menschen- und Minderheitenrechte werden mit Füßen getreten, und in den Ländern des Balkans, im Kosovo, in Serbien, in Ungarn, in Bulgarien schlägt ihnen offene Gewalt entgegen, die inzwischen viele Todesopfer gefordert hat.
Als VVN-BdA appellieren wir an unsere historische Verantwortung als Deutsche gegenüber dem Volk der Roma. Wir setzen uns deshalb bundesweit für ein generelles Bleiberecht der Sinti und Roma in Deutschland und in anderen europäischen Ländern ein.
Wir fordern Sie, als Mitglied der neuen Landesregierung, auf, sich für einen generellen Abschiebestopp und für ein dauerhaftes Bleiberecht der Roma hier in Baden-Württemberg und darüber hinaus in Deutschland einzusetzen. Fordern Sie von der Landesregierung die Arbeitserlaubnis und Integrationsangebote für die Roma-Minderheit statt Abschiebung in Not, Elend und Verfolgung.
Wir bitten Sie, uns über Ihre Initiativen zum Schutz der Minderheit der Roma zu informieren.
Mit freundlichen Grüßen
Doris Künzel, VVN-BdA Kreisvereinigung Konstanz“
Bislang gibt es keine Reaktion der Landtagsabgeordneten; auch von einem Engagement ihrerseits ist nichts bekannt. Die VVN-BdA hingegen plant im frühen Frühjahr eine öffentliche Veranstaltung zu diesem Thema in Konstanz, „da befürchtet werden muss, dass im Frühjahr (wenn das Wetter wieder besser ist) auch die grüne Landesregierung den Abschiebestopp wieder aufheben wird, und Roma, die viele Jahre hier gelebt haben, erneut abschieben lässt“.
Autor: hpk
Weiterer Link:
Bitte aufmerksam lesen, liebe Doris, im Zweifel auch ein zweites Mal: Nirgends in dem Artikel steht, Du hättest die hochheiligen Abgeordneten kritisiert. Und: Dass dieser Brief im Namen der VVN verfasst wurde, ist dem Text überdeutlich zu entnehmen. Wo also bitte liegt Dein Problem?
hpk
Keinesfalls habe ich mich gegenüber seemoz beschwert, dass die Abgeordneten auf den Brief der VVN-BdA Kreisvereinigung Konstanz, den sie Ende November erhalten haben, bisher nicht geantwortet haben. Auf Nachfrage habe ich lediglich erklärt, dass bisher keine Antwort eingegangen ist. Ich denke,um sich inhaltlich fundiert mit diesem Thema zu beschäftigen und zu antworten, ist eine angemessene Frist unerlässlich.
Durch den Artikel könnte auch der Eindruck entstehen, dass der Brief eine private Initiative von mir gewesen ist. Vielmehr entstand er auf dem Hintergrund eines Beschlusses der Bundesvereinigung VVN-BdA vom Mai d.J., in dem diese an die historische Verantwortung von uns Deutschen gegenüber dem Volk der Roma erinnert und ein generelles Bleiberecht für sie fordert. Die VVN-BdA Kreisvereinigung Konstanz, hat diese Initiative aufgegriffen und sich nunmehr mit einem Schreiben an die Landtagsabgeordenten gewandt, um sie aufzufordern, sich für einen unbefristeten Abschiebestopp und für ein Bleiberecht der Roma in Baden-Württemberg einzusetzen.
Doris Künzel