Ende der beeindruckenden Klima-Aktionswoche – aber wie geht es weiter?

Die landkreisweite Week4Climate ging nach ihrem furiosen Auftakt in Konstanz und zahlreichen Veranstaltungen der Fridays for Future-AktivistInnen aus Konstanz, Radolfzell und Singen mit einer Schlussdemo am vergangenen Freitag in Singen zu Ende. Nein, es waren keine Tausende, die daran teilnahmen, aber beachtliche 300 Streikende – und damit war dies auch in Singen die bisher größte Demo für eine engagierte, zukunftsfähige Klimapolitik.

30 Jahre zu spät

Der Vergleich mit den 10.000 TeilnehmerInnen in Konstanz wäre unfair. Eine Abschlussveranstaltung ist eben keine Auftaktveranstaltung. Zum Klima-Zug, der den schon bekannten Weg vom Karstadt-Gebäude durch die August-Ruf-Straße-Fußgängerzone bis zum Heinrich-Weber-Platz marschierte, gehörten vor allem SchülerInnen, die meisten aus Singen, doch auch KonstanzerInnen und RadolfzellerInnen waren wie versprochen zur Unterstützung angereist. Und auch die Zahl der Erwachsenen allen Alters war dieses Mal deutlich größer. So manche Ältere erklärten gekommen zu sein, um zumindest ihre Solidarität mit den Jugendlichen auszudrücken, auch mit der bitteren Erkenntnis, dass solch ein weltweiter Protest vor über 30 Jahren hätte stattfinden können und müssen, nicht erst jetzt, wo es für viele Maßnahmen schon zu spät ist.

Enttäuschung und Wut über das „Klima-Paketchen“

Mit einem einige Minuten dauernden Sit-In auf der Ekkehardstraße wurde ein Zeichen gegen den Individualverkehr und dessen CO2-Ausstoß gesetzt. Das „Klima-Paketchen“ der Bundesregierung und ihre Enttäuschung und Wut über dieses standen anschließend im Fokus der Reden von drei Jugendlichen. Die Landtagsabgeordnete Dorothea Wehinger lobte die Jugendlichen für ihre Maximalforderungen. Es dürfe kein „Schneller, Größer und Teurer“ mehr geben, nicht nur einen Umstieg auf Elektro-Autos, sondern vor allem viel weniger Autos, eine andere Ernährung, weniger Konsum … „Weniger ist mehr“, so ihre Worte, für die auch entsprechender Beifall gespendet wurde – auch wenn es keine entsprechenden Taten der grünen Landesregierung in den vergangenen acht Jahren gegeben hat …

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FfF-Forderungen an Singen

Nochmals denselben Weg zurück zu Karstadt nahmen danach die Singener FfF-AktivistInnen, um dort Unterschriften für ihre Forderungen, die sie demnächst an Gemeinderat und Stadtverwaltung richten möchten, zu sammeln. Um vier zentrale Punkte geht es ihnen im Wesentlichen: 1. Struktur: Ein Klimamanager in Vollzeit soll wieder für die Stadt tätig werden (Anmerkung: vorgesehen ist eine 50-Prozent-Stelle); 2. Energiewende: Solarthermie und Photovoltaik auf allen Neubauten; 3. Stadtplanung: alle Neubauten sind in Holzbauweise oder mit 75 Prozent Recycling-Beton herzustellen und Prüfung, ob eine Fassadenbegrünung möglich ist; 4. Mobilität und Parkplätze: Mindestens 50 Prozent der oberirdischen Parkplätze werden bis 2025 in Radabstellplätze oder insektenfreundliche Grünflächen umgewandelt werden, ab 2025 werden keinen neuen oberirdischen Parkplätzen mehr gebaut und für jeweils drei neue (auch unterirdische) Parkplätze wird ein Baum gepflanzt werden; Einführung des 1-Euro-Ticket für Stadtbusse bis Ende 2020 sowie 20-Minuten-Takt für innerstädtische Busse und 30-Minuten-Takt in die Ortsteile; Einbahnstraßen werden für zweispurigen Radverkehr geöffnet, ÖPNV und Radverkehr sind komfortabel zu kombinieren sowie Mängel an Radwegen zu erfassen und innerhalb drei Monaten zu beheben (siehe hier). Realistisch-moderate Forderungen, die aber mit dem Weltbild von so manchem Ratsmitglied nicht vereinbar sein dürften …

Klima und Konsum oder Aus für Konsumklima?

Dafür genügt schon ein Blick vom Karstadt-Gebäude auf die Großbaustelle für das „Cano“ gegenüber: Die künftige Shoppingmall wächst und gedeiht – die SingenerInnen wollten es so haben. Umweltfreundlich und energetisch vorbildlich wird der Klotz aus Stahl, Beton und Glas nicht sein, genauso wenig wie der Bahnhofsvorplatz, dessen Dachbegrünung bekanntlich von der Mehrheit des alten Gemeinderats vehement abgelehnt wurde. Statt „weniger ist mehr“ lautet die Devise immer noch „genug ist nie genug“ – an überflüssigem Konsum, an unverrottbarem Plastikmüll und an zerstörerischem Autoverkehr. Unvereinbar mit den Klimazielen. Dabei ist von den Center-Befürwortern mantramäßig zu hören, dass die Mall gerade für die jungen Menschen wichtig sei, es an „coolen Marken und hipper Mode“ in der Stadt fehle. Aber was nützen den BewohnerInnen einer überhitzten Stadt coole Marken?

1,4 Millionen deutschlandweit für das Klima Streikende sind nicht die Mehrheit, aber sie machen Hoffnung auf einen Paradigmenwechsel. Shopping-Events, Modelabels und Konsum könnten bald viel weniger angesagt sein, und Singens Palazzo Prozzo ist bei seiner Fertigstellung womöglich nicht mehr als ein Symbol für den größenwahnsinnigen Glauben, dass menschliche Ideologie die Naturgesetze unseres Planeten übersteuern könnte.

„Nun sag, wie hältst du’s mit einem Systemwechsel?“ lautet die neue Gretchenfrage. Im Raum steht sie längst. Über sie diskutiert werden muss dringend.

Uta Preimesser (Text und Foto)