Mobil machen gegen Sonderklagerecht für Konzerne

Das Konstanzer Bündnis für gerechten Welthandel beteiligt sich an einem bundesweiten Aktionstag gegen die internationale Paralleljustiz, die den mächtigsten Wirtschaftsakteuren Sonderrechte zur Durchsetzung ihrer Ziele einräumt. Auf dem Münsterplatz wollen die AktivistInnen – wie in zahlreichen anderen Städten des Landes – am kommenden Samstag gegen Sonderklagerechte für transnationale Großunternehmen protestieren. Sie fordern zudem, Konzerne für zahlreich verübte Menschenrechtsverletzungen zur Verantwortung zu ziehen.

Vor dem Gesetz sind alle gleich, lautet ein Grundsatz, auf den sich Gemeinwesen verpflichtet haben, die als Rechtsstaat organisiert sind. Ob armer Schlucker oder schwerreicher Unternehmer – vor den Schranken unserer Gerichte haben alle die gleichen Möglichkeiten, ihre Rechte geltend zu machen, lernen wir schon in der Grundschule, und so steht es auch im Grundgesetz. Hört sich gut an, trifft aber leider nicht zu. Denn Konzerne haben Zugang zu einem privaten globalen Justizsystem, den sogenannten Konzernklagerechten (Investor State Dispute Settlement, ISDS).

Diese Sonderrechte setzen Großunternehmen gezielt ein, um Regierungen einzuschüchtern und unter Druck zu setzen. So verklagten Multis verschiedene Regierungen auf Schadenersatz von bis zu mehreren Milliarden, etwa weil sie Maßnahmen zur Regulierung der Luftverschmutzung durch ein Kohlekraftwerk ergriffen, ein Fracking-Moratorium verhängt, die Zerstörung von Dörfern durch eine Mine gestoppt oder einfach nur den Mindestlohn angehoben hatten.

Nun will die EU-Kommission, unterstützt von der deutschen Bundesregierung und weiteren EU-Staaten, diese Paralleljustiz auf eine neue Stufe anheben. Geplant ist, einen so genannten multinationalen Investitionsgerichtshof (MIC) einzurichten, der ausschließlich Konzernen und Investoren zugänglich sein und dem einzigen Zweck dienen soll, Staaten auf Schadensersatz zu verklagen. Auf diesen Sondergerichtshof könnte dann bei zukünftigen Handels- und Investitionsabkommen zurückgegriffen werden. Statt der breiten internationalen Kritik zu folgen und die Sonderklagerechte abzuschaffen, soll das auch jedem bürgerlichen Rechtsverständnis Hohn sprechende System noch ausgeweitet werden.

Umgekehrt haben Menschen, die unter den negativen Auswirkungen der Konzernaktivitäten leiden, kaum eine Chance, sich legal gegen Menschenrechtsverletzungen wie Mord, Vertreibung, Landgrabbing oder Umweltzerstörung zu wehren. „Überall auf der Welt verletzen transnationale Konzerne wissentlich Menschenrechte und zerstören die Umwelt. Die davon betroffenen Menschen sind dem vollkommen schutzlos ausgeliefert. Unternehmen dagegen haben Sonderklagerechte und können sogar Staaten vor internationalen Schiedsgerichten verklagen, wenn sie ihre Profite durch staatliche Auflagen gefährdet sehen“, sagt Carsten Trost vom Konstanzer Bündnis. „Wir setzen uns für eine gerechte, soziale und ökologische Gestaltung der Weltwirtschaft im Interesse der Menschen ein, nicht der Konzerne. Deutschland und die EU müssen endlich aufhören, das geplante UN-Abkommen zur strafrechtlichen Haftung von Unternehmen (Verletzung von Menschenrechten, Umweltschutz, Arbeitnehmerrechten …) – den so genannten Binding Treaty – zu blockieren.“

Das Konstanzer Bündnis, unterstützt von Gruppen wie der Seebrücke, dem Café Mondial und weiteren Initiativen, reiht sich am Samstag mit kreativen Aktionen ein in den EU-weiten Protest, den in der Woche vom 11. bis zum 18. Oktober Freihandelskritikerinnen und -kritiker gegen die Handels- und Investitionspolitik der Union auf die Straße tragen. Sie fordern, das Freihandelsabkommen der EU mit Kanada (CETA) nicht zu ratifizieren, keine neuen Abkommen mit Sonderklagerechten für Unternehmen abzuschließen und Konzerne für Menschenrechtsverletzungen zur Verantwortung zu ziehen. Gesammelt werden (nicht nur) am 12.10. auch Unterschriften für die Petition „Menschenrechte schützen – Konzernklagen stoppen“, die EU-weit bereits von mehr als 600.000 Menschen unterzeichnet worden ist.

MM/jüg (Bild: stopisds.org)

Die Kampagne „Menschenrechte schützen – Konzernklagen stoppen!“ wird von über 200 europäischen Organisationen, Gewerkschaften und sozialen Bewegungen getragen; aus Deutschland wird die Kampagne von 13 Einzelorganisationen – darunter Attac – sowie vom Netzwerk Gerechter Welthandel und dem CorA-Netzwerk unterstützt. Der Zeitraum der Aktionswoche ist nicht zufällig gewählt: Vom 14. bis 18. Oktober tagt in Genf die Arbeitsgruppe des UN-Menschenrechtsrates zum Binding Treaty (Abkommen zur strafrechtlichen Haftung von Unternehmen), parallel dazu finden in Wien die UNCITRAL-Verhandlungen zur Investor-Staat-Streitbeilegung statt.
Weitere Informationen:
https://www.attac.de/menschenrechte-schuetzen
https://www.gerechter-welthandel.org/aktionstag2019/
https://stopisds.org/de/