Nicht nur in Konstanz: Breiter Protest gegen Kriegsverbrecher Erdogan
Solidarität mit Rojava: Drei Tage in Folge waren in Konstanz hunderte Menschen aus Protest gegen Erdogans Krieg gegen die in der Demokratischen Föderation Nord- und Ostsyrien zusammengeschlossenen autonomen Selbstverwaltungseinrichtungen auf der Straße. Am Samstag waren es wieder um die 300 Leute, die bei einer Demonstration lautstark ihre Solidarität mit Rojava bekundeten.
Auf ihrem Zug vom Herosé-Park durch die Innenstadt bis zum Augustinerplatz wurde der türkische Staatspräsident lautstark als Faschist, Kriegsverbrecher und Terrorist angegriffen, immer wieder skandierten die mehrheitlich kurdischen DemonstrantInnen mit Blick auf den Einsatz von deutschen Waffen: „Deutsche Panzer raus aus Rojava“. Bei der Abschlusskundgebung prangerten RednerInnen die Heuchelei der EU-Autoritäten und der Bundesregierung an, die dem Morden des NATO-Verbündeten bisher untätig zuschaue.
Bundesweit hat die türkische Aggression eine Welle der Solidarität ausgelöst. In ganz Deutschland gingen bis zum Wochenende an zahlreichen Orten Zehntausende für Rojava auf Straße. Die größte Demonstration fand in Köln statt, wo sich rund 10.000 Menschen zum Protest gegen Erdogans Krieg zusammenfanden, auch in Hamburg, Frankfurt und Berlin demonstrierten Tausende. Nach tagelangem Schweigen gibt es nun zudem eine Reaktion der Bundesregierung, immerhin. Laut inzwischen vom Auswärtigen Amt bestätigten Medienberichten will Außenminister Heiko Maas die Rüstungs-Exporte an den NATO-Partner Türkei teilweise stoppen, vorerst. Dem SPD-Politiker zufolge sollen keine Waffen mehr geliefert werden, die in Nordsyrien eingesetzt werden könnten. Der Linkspartei und den Grünen geht das nicht weit genug. Die Linke fordert einen „absoluten Stopp von Waffenlieferungen Deutschlands“ und zudem harte Sanktionen gegen das Erdogan-Regime. Linke-Vorsitzender Bernd Riexinger: „Die Bundesregierung muss sich auf internationalem Parkett für ein Waffenembargo gegen die Türkei und eine diplomatische Lösung einsetzen.“
Derweil toben entlang der türkisch-syrischen Grenze heftige Kämpfe, die bereits zahlreiche Tote und Verwundete gekostet haben. Die zum Verband Syrische Demokratische Kräfte (SDK) zusammengeschlossenen Verteidiger liefern sich an mehreren Orten schwere Gefechte mit der türkischen Armee und ihren aus dschihadistischen Söldnern gebildeten Hilfstruppen. Nach Angaben des türkischen Verteidigungsministeriums (!) sollen die Angreifer die Grenzstadt Serekaniye (Ras Al-Ain) eingenommen haben. Die Syrischen Demokratischen Kräfte erklärten hingegen, in einem Gegenangriff habe man die meisten Stadtteile wieder zurückerobert.
Nach Angaben der UNO sind inzwischen 150.000 BewohnerInnen auf der Flucht, andere Quellen sprechen von bis zu 200.000 Menschen, die durch die türkischen Angriffe aus ihren Heimatorten vertrieben wurden. Bereits am Freitag hatte Rupert Colville, der Sprecher der Hochkommissarin für Menschenreichte der Vereinten Nationen, erklärt, die türkischen Angreifer hätten auch zivile Infrastruktur und wichtige Einrichtungen wie Pumpstationen, Dämme, Kraftwerke und Ölfelder angegriffen. Die kurdische Nachrichtenagentur ANF News meldete, in der Stadt Qamislo (Kamischli) sei ein Wohngebiet und eine Grundschule bombardiert worden. Am Rande der Konstanzer Demo berichteten mehrere kurdische TeilnehmerInnen von Angehörigen, die sich nur durch eilige Flucht aus ihren Heimatorten vor türkischen Luft- und Artillerieangriffen retten konnten.
Morgenluft wittern dürften hingegen die militärisch weitgehend besiegten Dschihadisten des Islamischen Staats (IS). So sollen am Freitag nach kurdischen Angaben knapp 800 Angehörige der Terror-Miliz aus einem Gefangenenlager geflüchtet sein, das zuvor von der türkischen Luftwaffe bombardiert worden war. Schon vor dem Beginn der Invasion hatte die Volksverteidigungsmiliz YPG davor gewarnt, dass der Verlauf der Kampfhandlungen zahlreichen IS-Terroristen die Chance zur Flucht bieten könnte. Nicht zum ersten Mal würde Erdogan damit den Islamisten wieder auf die Beine helfen, mit unabsehbaren Folgen für ein Wiederaufflammen der Terrorattacken der Dschihadisten.
Das Solidaritätsbündnis Rojava, zusammen mit AktivistInnen aus dem Umfeld der regionalen kurdischen Gemeinschaft Motor der lokalen Solidaritätsarbeit, plant schon weitere Aktionen, um das Thema noch stärker in den Fokus der Öffentlichkeit zu rücken. Neben der Organisation von breitem Protest, der Druck auf die Politik und die gerade am See stark vertretene Rüstungswirtschaft ausüben soll, gehe es nun auch darum, Hilfe für die wieder einmal geschundene Bevölkerung auf die Beine zu stellen. Noch während der Demonstration sammelten die Bündnis-Leute rund 630 Euro, die nun – zusammen mit mehreren tausend Euro, die das Bündnis im Lauf des Sommers mit Essensverkäufen bei mehreren Festen erlöst hat – an kurdische Hilfsorganisationen überwiesen werden. Solidarität muss schließlich praktisch werden.
J. Geiger/Fotos: Andreas Sauer (Quellen: ANF News, Deutschlandfunk, Deutsche Welle, Neues Deutschland, NZZ, junge Welt)
Nachtrag
Am Sonntag ermordeten mit der Türkei verbündete islamistische Milizen Hevrin Khalaf. Die in der Region populäre 35-jährige kurdische Frauenrechtlerin und Generalsekretärin der Future Syria Party war in ihrem Auto unterwegs in die Stadt Tel Abyad, als die Islamisten ihren Wagen stoppten. Die Politikerin und ihr Fahrer wurden an Ort und Stelle ermordet.
Ebenfalls gestern bombardierten türkische Kräfte einen Konvoi aus Zivilisten und Journalisten, ersten Berichten zufolge soll es dabei 11 Tote und 74 Verletzte gegeben haben. Nach ANF-Informationen war die Anti-IS-Koalition, der die USA, Deutschland, Frankreich, Großbritannien und auch die Türkei selbst angehören, vorab über den Konvoi informiert worden. Dazu Ersin Çaksu, einer der verletzten Korrespondenten: „Dass es sich um einen zivilen Konvoi handelte, war allgemein bekannt. Es gibt noch ein weiteres wichtiges Detail: In der Region zwischen Hesekê und Til Temir fanden Aufklärungsflüge der internationalen Koalition statt. Das zeigt die Zusammenarbeit zwischen dem türkischen Staat und den Koalitionskräften. Die Menschen, die hier heute ermordet wurden, sind die Familien derjenigen, die die Welt vor der Barbarei des IS gerettet haben. Die Islamisten, die in Frankreich, Deutschland, den USA und in Großbritannien Massaker verübt haben, sind von den Demokratischen Kräften Syriens (QSD) besiegt worden. Heute sind die Angehörigen dieser Kämpferinnen und Kämpfer in Zusammenarbeit mit diesen Staaten von der Türkei getötet worden.“
Es lohnt wirklich, sich mit der Region auseinanderzusetzen und ich empfehle hier den folgenden Text: “ Demokratie wagen in Nordsyrien „. aus Le Monde diplomatique. Sprache deutsch.
https://monde-diplomatique.de/artikel/!5430635
Kann man auch anhören.
Im Gegensatz zu den viele Millionen teuren Flüchtlingscamps ist es dort gelungen den Weg für eine friedvolle Region zu beschreiten, die bisher nur an dem alten Thema krankt „Blut für Öl“.
Die Autonomiebestrebungen für die Schaffung eines Lebensraum sind durchaus verständlich nachvollziebar. Wenn ich dann nach Italien, Spanien oder Frankreich blicke, wo Menschen wie Sklaven gehalten und z.B. in der Landwirtschaft ausgebeutet werden und daran denke, das Krieg immer noch die effektivste Waffe zur Umweltzerstörung ist, hoffe ich, dass beginnend mit der Nachkriegsgeneration, die Fridays for Future und andere sich für eine humanistische Unterstützung erwärmen und das Thema Krieg eng mit Klimarettung verbinden.