Des Gemeinderats versammeltes Schweigen

Die Singener Fridays-for-Future-Bewegung hat den Fraktionen des Gemeinderats und Oberbürgermeister Bernd Häusler ein umfangreiches Forderungspapier zur Klimapolitik zukommen lassen. Die Jugendlichen skizzieren darin auf sieben Seiten den Weg zu einer Stadt, die bis 2035 klimaneutral ist. Reaktionen darauf gab es zunächst keine, weder aus dem Rathaus noch von den Fraktionen. Diesen Dienstag kam das Thema dann allerdings im Gemeinderat zur Sprache. Das Ergebnis der Debatte verblüfft.

Der Reihe nach: Vergangene Woche wollte ein Lokalredakteur der regionalen Tageszeitung von den Fraktionen wissen, wie es denn die Kommunalpolitik nun mit dem FfF-Forderungskatalog halte, für den die AktivistInnen übrigens in wenigen Wochen fast 1000 Unterschriften gesammelt hatten. Der Mann bat um Stellungnahmen bis zum 23.10., da zwei Tage später (Freitag) ein Beitrag zum Thema erscheinen solle. Nun kam Bewegung in die kommunalpolitische Landschaft, allerdings anders als erwartet. Denn bei der Sitzung des Gemeinderats am 22. Oktober präsentierte die FDP den anderen Fraktionen einen Antrag, der diese verpflichtet, sich gegenüber der Presse nicht vor Ende November zur Sache zu äußern.

Ein mehr als befremdliches Verständnis der Aufgaben gewählter MandatsträgerInnen, das die Freien Demokraten hier an den Tag legen. Schlechte Presse scheint man mehr zu fürchten als die Folgen des Zauderns in der Klimapolitik. Noch merkwürdiger aber, dass ausnahmslos alle Fraktionen dem Vorstoß der Wirtschaftsliberalen zustimmten, sich selbst einen Maulkorb auf Zeit zu verpassen. Zu den von Politikern aller Couleur zu vernehmenden Behauptungen, dem existenzbedrohenden Klimawandel nun aber wirklich schnell und entschieden zu Leibe rücken zu wollen, will diese gemeinderätliche Selbstentmündigung so gar nicht passen.  Am 22.10. hat das Stadtparlament jedenfalls einen harschen Vorwurf aus dem FfF-Forderungspapier noch einmal nachhaltig untermauert: „Zu lange wurde gezögert und gezaudert. Wir dürfen und können nicht mehr länger warten.“

Einzig in den Reihen der sozial-ökologischen Newcomer von SÖS scheint das versammelte Schweigen des Gemeinderats so etwas wie Bauchgrimmen ausgelöst zu haben. Nach der Ratssitzung lancierte ein SÖS-Vertreter zumindest den Entwurf einer Stellungnahme zu den Presse-Fragen, der zentrale FfF-Forderungen zustimmend aufgreift: „Wir wünschen uns eine enge Zusammenarbeit mit dieser Bewegung und werden deren Forderungen (die auch unsere sind) vertreten und im Gemeinderat Singen zur Sprache zu bringen.“

J. Geiger (Foto: Dieter Heise)

Änderungshinweis

In der ersten Version des Artikels hatte es geheißen, das Forderungspapier der Singener FfF-Bewegung sei schon vor rund einem Monat an die Fraktionen gelangt. Das war falsch, die „Geschäftsstelle Gemeinderat“ der Stadt Singen übermittelte es am 22.10. an die Gemeinderatsfraktionen.


Das Forderungspapier der Singener Fridays-for-Future-Bewegung kann hier heruntergeladen werden.