Wieder Demo für Rojava / Personalienfeststellung wegen YPG-Fahne

Einmal mehr gingen am Wochenende auch am Bodensee Menschen aus Protest gegen Erdogans völkerrechtswidrigen Angriffskrieg in Nordsyrien auf die Straße. Um die 150 Demonstrierende bekundeten am 26.10. in Friedrichshafen zudem ihre Solidarität mit den demokratischen Selbstverwaltungs­projekten in Rojava, auf deren Vernichtung die Invasion des türkischen Regimes zielt.

Die von der Linken Bodenseekreis angemeldete Demo wäre noch größer ausgefallen, hätte nicht ein Zugausfall die Delegation ausgebremst, die sich aus Ravensburg angemeldet hatte. So blieb es bei etlichen TeilnehmerInnen aus Konstanz, Radolfzell und Singen, von denen die Häfler DemonstrantInnen bei ihrem lautstarken Zug durch die Innenstadt („Deutsche Panzer, raus aus Kurdistan“, „Erdogan – Kriegsverbrecher“, „Es lebe Rojava“, so einige der Parolen) unterstützt wurden. RednerInnen unter anderem vom Solidaritätsbündnis Rojava und der Friedrichshafener Linken verurteilten bei der Abschlußkundgebung auf dem Buchhornplatz Erdogans Krieg scharf und wiesen auf die verheerenden Folgen für die Zivilbevölkerung hin. Mehr als 200.000 Menschen sind mittlerweile auf der Flucht, amnesty international und andere Beobachter haben Angriffe der türkischen Armee und ihrer islamistischen Proxy-Söldner auf die zivile Infrastruktur dokumentiert, auch gezielte Vertreibungen und Morde sind belegt.

Kritisiert wurde zudem die Rolle der Großmächte USA und Russland sowie Deutschlands in dem Konflikt. Die Abkommen, die Trump und Putin mit der Türkei separat von den eigentlich Betroffenen geschlossen haben, opferten beide die kurdische Bevölkerung für die je eigenen Machtansprüche in der Region. Die EU und Deutschland scheuten vor Maßnahmen zurück, die den türkischen Autokraten stoppen könnten. So fließen immer noch Millionen an EU-Geldern an die Türkei, auch die Rüstungsexporte gehen nahezu ungebremst weiter.

Folgen könnte die Geste eines Redners haben, der demonstrativ eine Fahne mit dem Logo der kurdischen Volksbefreiungseinheiten YPG schwenkte, unter großem Beifall der zahlreichen kurdischen KundgebungsteilnehmerInnen. Die YPG hatte zusammen mit der Frauenmiliz YPJ als Verbündete der internationalen Koalition, der auch die BRD angehört, die Hauptlast im Kampf gegen die islamistischen IS-Terroristen getragen, und stemmt sich nun in Rojava den türkischen Aggressoren entgegen. Die Friedrichshafener Ordnungsbehörde hatte das Zeigen von Symbolen dieser Gruppen trotzdem verboten.

Sie stützt sich dabei auf ein Rundschreiben des Bundesinnenministeriums aus dem Jahr 2017, in dem unter anderem die Symbole von YPG, YPJ und der nordsyrischen kurdischen Partei PYD der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) zugeordnet wurden und damit de facto unter das 1993 erfolgte PKK-Verbot fallen. Kritiker hatten das Schreiben schon damals als Einknicken der Bundesregierung vor Erdogan beklagt, der zuvor eine härtere Verfolgung kurdischer Oppositioneller durch Berlin gefordert hatte. Ein Kölner Rechtshilfefonds für KurdInnen dazu: „Dies hat in den aktuellen politischen Auseinandersetzungen die Folge, dass die Bundesregierung zwar vorgibt, auf der Seite der kurdischen Bevölkerung gegen die Aggression der Türkei zu stehen, gleichzeitig aber bei verschiedenen Demonstrationen und Versammlungen der letzten Tage die erwähnten Fahnen und Symbole von den Versammlungsbehörden oder der Polizei verboten wurden.“ So nun auch in Friedrichshafen, wo Polizeibeamte prompt die Personalien des Redners aufgenommen haben.

Dazu noch einmal der Rechtshilfefond: „Es sei daran erinnert, dass YPG und YPJ als Teil der internationalen Koalition gegen den IS, an der sich auch die Bundesregierung beteiligt, die Hauptlast im Kampf gegen den IS getragen und in diesem Zusammenhang über 12.000 Tote zu beklagen haben. Angesichts der erschütternden Bilder, die uns aus Nordsyrien erreichen, der großen Solidarität eines überwiegenden Teiles der deutschen Bevölkerung mit den Menschen Nordsyriens im Kampf gegen die türkische Aggression und auch den Gefühlen der nach Deutschland geflohenen Kurdinnen und Kurden in Angst um ihre Angehörige, fordern wir die Bundesregierung auf, den Erlass vom 2. März 2017 bezüglich der Einordnung von YPG, YPJ und PYD unverzüglich zurückzunehmen.“ Ein juristisches Nachspiel des Vorfalls könnte also spannend verlaufen.

jüg (Fotos: Andreas Sauer)